Empörung über Video

Hier erklimmen Muslime die Schweizer Berge

Ausland
05.12.2014 06:00
Ein Video sorgt derzeit in der Schweiz für Aufregung: Darin erklimmen Muslime die Berge und rufen die "islamische Revolution" aus. Der für den Film verantwortliche Islamische Zentralrat der Schweiz (IZRS) will damit eigenen Worten zufolge fünf Jahre, nachdem die Schweizer für ein Minarettverbot gestimmt haben, lediglich gegen die Diskriminierung von Muslimen vorgehen. Kritiker fühlen sich angesichts Bildsprache und Wortwahl jedoch eher an die Propagandavideos der IS-Terroristen erinnert. Der professionell gedrehte Clip empört jedenfalls viele Schweizer - auch Muslime.

Das Video zeigt eine schwarz vermummte Gestalt, die eine weiße Fahne mit dem muslimischen Glaubensbekenntnis auf einen Schweizer Berg trägt. Begleitet wird der Clip von einer Englisch sprechenden Stimme aus dem Off: "Es gab eine Zeit, da war unsere Hoffnung nur ein Samen, der vom Wind getragen wurde. Schwach. Diskriminierung ausgesetzt, Verachtung, Schmerz und Folter. Um überleben zu können, verließen wir unsere Häuser, von der Ausrottung bedroht. Jetzt sind wir nicht nur zu einem Baum, sondern zu einem ganzen Wald geworden. Stark, unzerbrechlich. Der Beginn einer islamischen Revolution, die die Welt verändern wird." Nach drei Minuten endet der Propaganda-Film mit der Botschaft: "Erwartet uns! Jederzeit. Überall. Die Muslime der Schweiz."

Bereits Dreharbeiten sorgten für Wirbel
Der knapp drei Minuten lange Clip hatte bereits beim Dreh für Aufmerksamkeit gesorgt: In der Zentralschweiz Mitte November unter der Mitwirkung von rund 60 Muslimen auch auf öffentlichen Plätzen gedreht, hatten besorgte Passanten die Polizei alarmiert, ein Großeinsatz war die Folge. Jusuf Sabadia, Präsident der Islamischen Gemeinde Luzern, distanzierte sich noch während der Dreharbeiten zu dem Video im Namen aller Vorstandsmitglieder der angeschlossenen muslimischen Vereine deutlich vom IZRS.

"Die Aktion ist eine totale Provokation", kritisierte auch Saida Keller-Messahli, Präsidentin des Forums für einen fortschrittlichen Islam, den Film und seine Entstehung in der "Neue Luzerner Zeitung". Wer an einem öffentlichen Weg solche Aktionen durchführe, wo an einem Sonntag viele Spaziergänger entlanggingen, wolle auffallen, schockieren, Präsenz markieren und reine Propaganda betreiben, so Keller-Messahli. Besonders brisant: Ihren Angaben zufolge soll sich der Regisseur des Films, Naim Cherni, mehrmals in syrischen Ausbildungscamps für Terroristen aufgehalten haben. Cherni ist im IZRS-Vorstand verantwortlich für Film-, Foto- und Multimediaproduktion.

IZRS-Sprecher: "Video ist keine Drohung"
Für politische Botschaften brauche man eben einen aktuellen Anknüpfungspunkt und müsse provozieren - mit dem IS habe die Symbolik aber nichts zu tun, betonte hingegen IZRS-Sprecher Abdel Asis Kaasim Illi gegenüber der deutschsprachigen Ausgabe der "Huffington Post". Das Video soll demnach keine Drohung sein, man habe demonstrativ die weiße Friedensflagge und nicht die schwarze IS-Flagge verwendet. Auch seien keine Waffen zu sehen. Er sehe keine Parallelen zu IS-Videos, eher zu Hollywood-Spielfilmen, so Illi im Gespräch mit der "Welt".

"In der Schweiz leben inzwischen die Muslime der vierten Generation. Anders als die Muslime der ersten, zweiten oder dritten Generation müssen sie nicht mehr schweigen, sondern sie sind Teil der Schweiz und sollen ihre Rechte einfordern", entgegnete Illi den Kritikern des Films. Das Video richte sich nach seinen Worten "einzig und allein gegen Islamophobie". Es gehe um das Zusammengehörigkeitsgefühl der Muslime und habe nichts mit IS-Propaganda zu tun, betonte auch einer der Jugendlichen, die an dem Dreh mitgewirkt haben, gegenüber der "Neue Luzerner Zeitung".

Experte: "Hier wird nicht der Islamische Staat ausgerufen"
Das Glaubensbekenntnis auf der Flagge sei nicht nur in anderen Farben als beim IS, sondern auch grafisch anders angeordnet, versuchte zudem der Islamwissenschaftler Andreas Tunger-Zanetti gegenüber dem Nachrichtenportal "Zentral Plus" die Kritik an dem Film zu entschärfen. "Hier wird nicht der Islamische Staat ausgerufen", es finde vielmehr ein Kampf um Anerkennung statt. Die Aufmachung sei zwar bewusst offensiv, aber dennoch sei alles politisch korrekt gehalten und nicht aggressiv, so der Religionsexperte. "Im Vergleich mit dem, was Schweizer Jugendliche sonst via Medien konsumieren, dünkt mich dies harmlos."

Zweifel an der friedlichen Botschaft des Videos lassen jedoch Medienberichte über die Verantwortlichen für den Film aufkommen: Demnach handelt es sich beim IZRS, der bei moderaten Schweizer Muslimen als verpönt gilt, um eine radikal-islamische Organisation mit Hauptsitz in Bern. Er vertritt einen wahhabitisch-salafistischen Islam nach saudi-arabischer Interpretation. Noch vor Kurzem soll der Verein, der rund 3.100 passive und 40 aktive Mitglieder zählt, unter der Beobachtung des schweizerischen Geheimdienstes gestanden sein.

Bericht: IZRS strebt Parallelgesellschaft an
IZRS-Präsident Nicolas Blancho, wie Sprecher Illi Konvertit, strebt nach eigenen Aussagen eine Parallelgesellschaft an, berichtete die "Welt" über die Hintermänner des Films. Und Nora Illi, Ehefrau des Sprechers und verantwortlich für Frauenangelegenheiten des IZRS, habe in der Vergangenheit von einer "Parallelgemeinschaft ohne Assimilation" gesprochen.

Valentina Smajli, Vizepräsidentin des Forums für einen fortschrittlichen Islam, gab außerdem bereits vor der Veröffentlichung des umstrittenen Videos zu bedenken, dass Radikale aus dem In- und Ausland in der Region Luzern regelmäßig vom IZRS zu Referaten und Auftritten eingeladen würden. "Diese Aktivitäten bilden den Nährboden für totalitäre und menschenfeindliche Ideologien", warnte Smajli.

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