Enormer Umfang

Bombast-MMO “The Elder Scrolls Online” im Test

Spiele
07.05.2014 15:42

Seit wenigen Wochen stehen die Türen des neuen Bombast-Onlinerollenspiels "The Elder Scrolls Online" Spielern offen, welche tief in die gigantische Welt Tamriel eintauchen und dort alleine oder mit Freunden Abenteuer erleben wollen. MMO-typisch wird gequestet, gekämpft, gehandelt und gehandwerkt. Gleichzeitig gibt's aber auch eine spannende Rahmenhandlung für Einzelspieler. Ob der Spagat zwischen den Einzelspielerqualitäten der "Elder Scrolls"-Reihe und einem Multiplayer-Erlebnis mit Tausenden Spielern gelingt, haben wir im krone.at-Langzeittest überprüft.

Im Zentrum der Handlung von "The Elder Scrolls Online" steht der böse daedrische Prinz Molag Bal, der von seiner düsteren Heimat Kalthafen aus Tod und Verderben über den üppigen Kontinent Tamriel bringen will. Der böse Prinz, dessen Lakaien häufig an deutlichen Verwesungserscheinungen zu erkennen sind, will die Bewohner Tamriels in seine Gewalt bringen, um ihnen die Seelen zu klauen. Dafür hat er Tamriel an mehreren Ankerpunkten mit seiner Heimat Kalthafen verbunden und versucht, den Kontinent an Kalthafen heranzuziehen. Es ist die Aufgabe der Spieler, die in "The Elder Scrolls Online" (kurz "ESO") eintauchen, dieses Schicksal zu verhindern.

Was von Molag Bal zu halten ist, erfährt man gleich in der Eingangssequenz. "Elder Scrolls"-typisch startet man auch im ersten Online-Ableger der Reihe als Gefangener - und zwar direkt im Gefängnis Molag Bals. Ohne Seele - die hat sich der daedrische Prinz unter den Nagel gerissen - vegetiert man dort zu Spielbeginn vor sich hin, bis sich eine Lichtgestalt in die Zelle projiziert und zur Flucht rät. Kurz darauf ist die Zellentür auch schon offen und man lernt aus dem Kalthafen-Häfn flüchtend die Bedienung und das Kampfsystem von "ESO" kennen, bevor man ins eigentliche Startgebiet teleportiert wird und seine viele Dutzend Stunden lange Reise durch Tamriel beginnt.

Gewaltige Vielfalt bei der Charaktererstellung
Aber der Reihe nach: Bevor man sich ins Spiel stürzt, gilt es, einen Charakter zu erstellen. Dabei darf man aus üppigen zehn Rassen (die zehnte Rasse bleibt Besitzern der Sammleredition vorbehalten) wählen, sich für eines von drei verfeindeten Bündnissen - Dolchstorz-Bündnis, Aldmeri-Dominion, Ebenherz-Pakt - entscheiden, und den eigenen Charakter bis ins kleinste Detail individualisieren. Auch eine von vier Grundklassen muss man zu Beginn wählen: Drachenritter und Templer sind hart im Nehmen, die Nachtklinge geschickt mit Dolch und Bogen - und der Zauberer mimt den Herrn der Elemente. Die Charaktererstellung ist im Grunde schon die erste Prüfung, vor die "ESO" den Spieler stellt. Nicht nur wegen der optischen Vielfalt, sondern auch durch rassenspezifische Vor- und Nachteile.

Jede der zehn spielbaren Rassen - es gibt neben mehreren Menschen- und Elfenvarianten auch Orks, das Katzenvolk der Khajit und die Echsenrasse der Argonier - bringt eigene Spezialitäten mit, die Vorteile im Spiel bringen. Argonier sind von Natur aus bessere Heiler, Khajit gute Schleicher. Und das Wikingervolk der Nord wartet mit erhöhter Frostresistenz und einem Talent für den Kampf mit Zweihändern auf.

Die Folge: Wer seinen Charakter in eine bestimmte Richtung entwickeln will, der sollte sich schon vorher genau überlegen, welche Rasse und Klasse er als optimale Kombination wählt. Ein schmächtiger Elf als schwer gepanzerter Krieger ist ebenso suboptimal wie ein muskelbepackter, aber nicht allzu intelligenter Nord als Zauberer. Wer trotzdem eine exotischere Kombination wählt, muss mit gewissen Einbußen leben, letztlich wiegen sie aber nicht so schwer, dass ungewöhnliche Recken von vornherein zum Scheitern verurteilt wären.

Unkompliziertes Talentsystem, viele Möglichkeiten
Das Talentsystem ist nicht übermäßig kompliziert, für jede Klasse gibt es drei verschiedene Talentbäume, deren einzelne Fähigkeiten sich in mehreren Stufen ausbauen lassen. Die Wahl der Waffe wird dem Spieler überlassen: Magier mit Zweihandschwert sind zwar nicht allzu effektiv und segnen im Getümmel schnell das Zeitliche, wer mag, kann sich aber auch als Exot durchschlagen. Für jede Waffe gibt's weitere Talente, die man erlernen kann. Alles in allem wird es Einsteigern so vergleichsweise leicht gemacht, die für ihre Spielweise passende Skillung zu wählen, MMO-Veteranen können sich aber auch bis ins letzte Detail spezialisieren.

Erfreulicherweise erhält man die Talentpunkte nicht nur durch das Ausschalten von Gegnern und das Sammeln von Erfahrung, sondern auch durch das Erfüllen harter Quests und das Erforschen der Spielwelt, in der immer wieder "Himmelsscherben" auftauchen, für die man Talentpunkte erhält. Neue Talentbäume lassen sich außerdem freischalten, indem man sich in bestimmten Gebieten von einem Vampir oder Werwolf beißen lässt.

Dynamisches, aber unübersichtliches Kampfsystem
Das Kampfsystem entspricht weitgehend dem, was man aus bisherigen "Elder Scrolls"-Teilen kennt, und ähnelt jenem aus "Skyrim". Nahkämpfer zielen mit der Maus und nutzen die Maustasten für Blocks und Hiebe, Fernkämpfer fixieren den Gegner von Weitem und heizen ihm mit Zauberstab oder Bogen ein. Ab Stufe 15 darf man im Kampf zwischen verschiedenen Waffensets wechseln.

Weil so gut wie alle Fähigkeiten im Spiel auch in der Bewegung ausgeführt werden können, spielen sich die Kämpfe sehr dynamisch. Diese Dynamik ist es auch, die es Spielern gerade in der Gruppe schwierig macht, die Übersicht zu behalten. Eine Möglichkeit, die Gegner zu markieren, wie es etwa Blizzards "World of Warcraft" bietet, würde hier nicht schaden. Zumal es auch für Heiler schwierig ist, im Getümmel den richtigen Charakter auszuwählen und gezielt zu unterstützen.

Spannende Quests mit richtigen Geschichten
Während wir gerade bei MMO-typischen Dingen wie dem Gruppenspiel im Langzeittest immer wieder auf Verbesserungspotenzial stießen, zeigt "ESO" beim Thema Quests seine große Stärke. Simple Aufgaben vom Schlage "Töte zehn Hasen und bring ihr Fell" sind im Zenimax-Rollenspielepos Mangelware. So gut wie alle Quests, auf die man in den Weiten Tamriels stößt, fügen sich in eine spannende Hintergrundgeschichte ein und verlangen vom Spieler mehr als das bloße Töten von Feinden.

Das heißt zwar nicht, dass jede Quest-Machart im Spiel nur einmal verwendet wird - insbesondere Befreiungs- und Einbruchsaufgaben gibt es zur Genüge -, aber es hebt sich doch wohltuend von den Mittel-zum-Zweck-Quests anderer MMOs ab. Ausgesprochen nettes Detail: Sind die - durchgängig voll vertonten - Hauptquests erfüllt, verändert sich immer wieder die Spielwelt. Umkämpfte Gebiete werden befriedet, Landschaften verändern sich, kurzum: Der Spieler bekommt das Gefühl, dass sein Tun eine echte Auswirkung auf die Spielwelt hat. Kleiner Wermutstropfen: Die Laufwege sind gerade zu Beginn, wenn man noch kein sündhaft teures Reittier besitzt, mitunter frustrierend lang.

Gruppenspiel über weite Strecken Nebensache
Das von Einzelspieler-Games wie "Skyrim" bekannte Gefühl, tatsächlich etwas zu bewirken, wird dadurch verstärkt, dass man "ESO" über weite Strecken ganz allein spielen kann. Wo andere MMOs häufig mit nur in der Gruppe zu schaffenden Dungeons aufwarten, lässt "ESO" dem Spieler die Wahl. Dem Gruppenspiel ist das allerdings nicht sonderlich zuträglich, meist braucht man bestenfalls für einen Bosskampf Verstärkung.

Eingeschworene Gemeinschaften entstehen so eher selten. Auch, weil die im Test weitgehend stabilen europäischen Server Spieler aus aller Herren Länder in den gleichen Topf werfen und somit Franzosen, Deutsche, Briten und andere durch die gleiche Spielwelt laufen. Amtssprache ist da Englisch, wer sich in seiner Landessprache unterhalten möchte, muss einer deutschsprachigen Gilde beitreten.

Komplizierter Handel, arg minimalistisches Interface
Apropos Gilden: Davon darf der Spieler mehrere haben, was angesichts eines Schnitzers im Spieldesign auch sein muss. "ESO" hat nämlich kein eingebautes Handelssystem vom Schlage eines Auktionshauses, wie es in anderen Games zur Verfügung steht. Auktionshäuser können nur von großen Handelsgilden betrieben werden, in denen man allerdings erst Mitglied werden muss. Dass der Handel zwischen den Spielern so verkompliziert wird, ist insbesondere deswegen ärgerlich, weil viele der wertvollsten und mächtigsten Rüstungen und Gegenstände nur von den Spielern selbst hergestellt werden können. Dazu wird im Spielverlauf Material gesammelt, welches dann von besonders begabten Handwg. Vor allem das arg minimalistische Interface, das ohne Minikarte auskommt, nervt bisweilen. Auch die Tatsache, dass man pro Waffenset nur fünf Fähigkeiten auf die Schnellwahltasten legen kann, ist ärgerlich. Immer wieder auftauchende Kreismenüs - etwa, wenn man mit einem anderen Spieler interagieren möchte - legen nahe, dass Zenimax beim Interface auf eine gute Gamepad-Unterstützung bedacht war. Warum sich das Spiel dann in der PC-Version aber nicht mittels Xbox-360-Controller steuern lässt, ist uns schleierhaft. Zwar können die Spieler ihr Interface über Add-ons selbst verändern, ein etwas praktischeres Grundgerüst wäre aber schön gewesen.

Optisch und akustisch eine Freude für die Sinne
Ein großes Lob verdienen die Entwickler dafür für die optische und akustische Aufbereitung von "ESO". Zunächst zur Grafik: Die gehört zum Besten, was wir bei Onlinerollenspielen bisher gesehen haben. Einen entsprechend starken Rechner vorausgesetzt, glänzt die Welt Tamriel mit hochauflösenden Texturen, lebensechten Charaktermodellen mit charakteristischen Gesichtszügen, enorm weitläufigen Landschaften sowie tollen Licht- und Wassereffekten. Dass sich die verschiedenen Gebiete, die der Spieler auf seiner Reise durchschreitet, im Grafikstil stark unterscheiden, kommt noch dazu. Durch die tolle Grafik und die weitläufige, abwechslungsreich gestaltete Welt hatten wir im Test schon beim bloßen Erforschen der Spielwelt großen Spaß.

Aber auch die Quests machen durch die professionelle Vertonung einiges her. Alle Figuren, auf die man im Lauf des Spiels stößt, wurden von Profisprechern exzellent vertont, was der Atmosphäre extrem zuträglich ist. Dass auch die Umgebungsgeräusche - rauschendes Wasser, zwitschernde Vögel und all solche Dinge - gut getroffen sind, passt da ins akustische Gesamtbild. Und auch an der musikalischen Untermalung gibt's nichts auszusetzen. Mal dröhnt es pathetisch, dann klingt es wieder dezent-verträumt aus den Lautsprechern, aber unpassend ist der Soundtrack nie.

Balanceprobleme im PvP, spannende Veteraneninhalte
Nicht so gut gelöst wie Grafik und Sound: die Schlachten zwischen Spielern. Zwar gibt es ein enorm großes PvP-Gebiet in der Mitte Tamriels, in dem sich die drei Fraktionen zu Massenschlachten und Burgeneroberungen zusammenfinden. Allerdings kämpft das Spieler-gegen-Spieler-Gebiet derzeit noch mit Balanceproblemen. Das Schlachtfeld dominiert jene Fraktion, die die meisten Spieler hat, zudem sind bestimmte Klassen - etwa Magier - derzeit im Vergleich zu Nahkämpfern im Vorteil. Und die Kämpfe gestalten sich selten taktisch, vielmehr handelt es sich um ein ständiges Tauziehen mehrerer Fraktionen. Zugänglich sind die Schlachtfelder ab Stufe 10, sinnvoll spielen kann man sie aber erst, wenn man ein Reittier besitzt. Sonst bleibt mehr Zeit auf der Strecke, als man letztlich auf dem Schlachtfeld in der Mitte verbringt.

Wer nach Dutzenden Stunden Spielzeit einmal den Maximallevel 50 erreicht hat, ist mit "ESO" noch lange nicht durch. Vor allem, weil man sich als Veteran mit Höchstlevel noch mal durch die auf den eigenen Level hochskalierten und somit recht schwierigen Startgebiete der verfeindeten Fraktionen kämpfen und dort Quests erfüllen darf, die man bislang noch nicht kannte. Das beschäftigt, ist trotz weiterer zehn Veteranenlevel, die man erreichen kann, nach Abschluss der Haupthandlung aber nicht mehr so befriedigend wie beim ersten Durchgang. Neben dem Veteranenspiel gibt's für Highlevel-Recken auch das angesprochene PvP-Gebiet und eine Reihe von Dungeons zu erforschen. Nett: Selbst Dungeons, die man beim Hochspielen bereits besucht hat, werden im Endgame an die Stufe des Spielers angepasst und sogar mit neuen Bossgegnern versehen.

Fazit: Am Ende hinterlässt "ESO" einen zwiespältigen Gesamteindruck. Während die hochwertigen Quests, die spannende Rahmenhandlung mit ihrem spektakulären Finale, die riesige und wunderhübsche Spielwelt sowie der tolle Sound für das Spiel sprechen, leistet es sich in der Onlinekomponente doch einige Schnitzer, die mitunter erst nach etlichen Spielstunden so richtig auffallen. Der unzureichende Ingame-Handel zählt ebenso dazu wie Balanceprobleme im PvP und Unzulänglichkeiten beim Interface und in der Bedienung. Bei einer - zusätzlich zum 50-Euro-Hauptspiel zu entrichtenden - Abogebühr von 13 Euro im Monat sollte Zenimax hier rasch nachbessern, um einem Spielerschwund entgegenzuwirken. Bis man sich wirklich an diesen Problemen stört, vergehen allerdings auch Dutzende Stunden feinster Spielspaß.

Plattform: PC (getestet), PS4 & Xbox One geplant
Publisher: Zenimax/Bethesda
krone.at-Wertung: 8/10

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