"Doppelmoral"

NSA spionierte chinesische Führung aus

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24.03.2014 08:44
Kurz vor einem Treffen zwischen US-Präsident Barack Obama und seinem chinesischen Kollegen Xi Jinping sorgen Berichte über groß angelegte US-Spionage in China für Aufsehen. Der US-Geheimdienst NSA spähte demnach über Jahre systematisch chinesische Ministerien, Banken und Firmen aus. Sogar der ehemalige Staatspräsident Hu Jintao soll abgehört worden sein, wie der "Spiegel" berichtet.

Bisher waren die Rollen klar verteilt. Washington beschuldigte immer wieder Hacker aus China, Angriffe in den USA durchgeführt zu haben. Das Pentagon machte noch vor Monaten Behörden in Peking und die Volksbefreiungsarmee für Tausende Computerattacken auf US-Regierungsstellen und Unternehmen verantwortlich. Aber mit den jüngsten Enthüllungen des Hamburger Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" und der US-Zeitung "New York Times" stehen die USA selbst im Fokus. Über Jahre soll der US-Geheimdienst NSA chinesische Politiker, Ministerien und Firmen systematisch ausspioniert haben.

"Doppelmoral entlarvt"
Plötzlich sind die Rollen zwischen Washington und Peking vertauscht: China ist Opfer, die USA sind Täter. "Die Vereinigten Staaten haben sich immer mit erhobenem Zeigefinger aufgespielt. Aber jetzt wird die angeblich so hohe Moral der USA komplett infrage gestellt", sagt Cheng Xiaohe von der Pekinger Volksuniversität. Washingtons Doppelmoral sei entlarvt worden. Die Welle der Enthüllungen auf Basis der Unterlagen des ehemaligen NSA-Mitarbeiters Edward Snowden bringe die USA in die Bredouille.

Treffen bei Atomgipfel in Den Haag
Diese Woche könnte Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping Obama persönlich für die Spionage rügen. Denn beide treffen sich am Rande des Atomgipfels in Den Haag. Das Treffen zwischen Xi und Obama in Kalifornien vergangenen Juni war ebenfalls von Enthüllungen über NSA-Spionage überschattet worden. Nur zwei Tage zuvor hatte Snowden erstmals Details über die Arbeit des Geheimdienstes enthüllt.

Chinas Staatsführung dürfte von den jüngsten Berichten aber nicht überrascht sein, schätzt Cheng. "Die chinesische Regierung weiß ziemlich genau, was vorgeht und welche Ziele die Dienste der USA verfolgen", sagt der Politikwissenschaftler.

Peking werde seine Spionageabwehr massiv verstärken, erwartet Cheng. Falls es dem US-Geheimdienst wirklich gelungen sein sollte, den früheren Staatschef Hu Jintao auszuspionieren, sei das eine große Leistung der USA. Allerdings sei den chinesischen Abwehrspezialisten lange klar gewesen, dass Chinas Topfunktionäre weit oben auf der Zielliste der US-Geheimdienste stehen. Schließlich war auch das Handy der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel abgehört worden.

Huawei umfassend ausgehorcht
Für den zweitgrößten Netzwerkausstatter der Welt, Huawei, kommen die Enthüllungen sehr ungelegen. Die Firma soll nach den Berichten das Ziel einer US-Spezialeinheit gewesen sein, die das Unternehmen und seine Produkte umfassend ausgehorcht hat. An rund 100 Stellen sei es der Spezialeinheit gelungen, das Computernetzwerk des Unternehmens zu infiltrieren und interne Dokumente zu kopieren. Zudem habe sich die NSA Zugang zum geheimen Quellcode einzelner Produkte verschafft, hieß es.

Nach Angaben der "New York Times" lief die Huawei-Operation unter dem Codenamen "Shotgiant". Eines der Ziele sei es gewesen, Verbindungen zwischen dem Telekommunikationsriesen und der chinesischen Volksbefreiungsarmee zu finden. Darüber hinaus habe sich die NSA die technologischen Erkenntnisse zunutze machen wollen, um bei Verkäufen von Huawei-Ausrüstung in andere Länder deren Computer- und Telefonnetzwerke ausspähen zu können.

Huawei verurteilt Spionage
Huawei-Sprecher Scott Sykes sagte am Sonntag in Peking: "Wenn die Berichte stimmen, verurteilt Huawei solche Aktionen, die in unser internes Netzwerk eindringen und es aushorchen." Noch im Jänner hatte das Unternehmen Berichte über einen Einbruch in sein System als grundlos zurückgewiesen. Nun räumte Sykes ein: "Firmennetzwerke werden konstant aus verschiedenen Quellen angegriffen - das ist der Status Quo im heutigen digitalen Zeitalter."

Der chinesische Netzwerkausrüster versucht seit Jahren, Vorwürfe aus den USA zu entkräften, Chinas Militär oder Geheimdienste könnten die Kommunikation mit Huawei-Produkten anzapfen. Sollten sich die Anschuldigungen bestätigen, hätten ausgerechnet die USA selbst die Sicherheit von Huawei unterlaufen.

China auch nicht ganz unschuldig
Die Enthüllungen sprechen China jedoch nicht von jeglichen Spionagevorwürfen frei. Ganz im Gegenteil. Xi Jinping hatte sich vor rund drei Wochen an die Spitze einer neu eingerichteten Gruppe für Cybersicherheit gesetzt. "Wir müssen uns anstrengen, um unser Land zu einer Cybermacht auszubauen", hatte sich Xi großspurig von Staatsmedien zitieren lassen.

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