Slowakei will klagen

Osteuropas Politiker wettern gegen Umverteilung

Ausland
23.09.2015 12:49
Osteuropäische Politiker haben den Beschluss der EU-Innenminister vom Dienstag zur Verteilung von 120.000 weiteren Flüchtlingen vor allem aus Griechenland und Italien scharf kritisiert. Tschechiens Präsident Milos Zeman sprach etwa von einem "riesigen Fehler". Sein Land hatte mit der Slowakei, Ungarn und Rumänien gegen den Beschluss gestimmt. Auch der slowakische Regierungschef Robert Fico kündigte umgehend Widerstand an - am Mittwoch erklärte er bereits, dass die Slowakei Klage gegen den Quoten-Beschluss einbringen werde.

"Ich würde lieber ein Verletzungsverfahren gegen die Slowakische Republik in Kauf nehmen, als dieses Diktat der Mehrheit zu akzeptieren", sagte Fico am Dienstagabend. Die Mehrheit sei nicht in der Lage gewesen, "mit rationalen Argumenten" Einigkeit unter den EU-Ländern zu erreichen. Fico drohte, das Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs am Mittwoch zu blockieren. "Wir werden niemals verpflichtenden Quoten zustimmen, selbst wenn wir allein mit dieser Haltung sind", sagte der Sozialdemokrat. Die Slowakei werde sich nicht einschüchtern lassen.

Die Ankündigung vom Mittwoch zeigt, dass der Premier den Worten Taten folgen lassen dürfte: Die Slowakei will nämlich gegen den Mehrheitsbeschluss der EU-Innenminister klagen.

Zeman spricht von "riesigem Fehler"
"Die Zukunft wird zeigen, was für ein riesiger Fehler das war", sagte Tschechiens Staatspräsident Zeman am Dienstag. Er hoffe, dass der EU-Gipfel am Mittwoch die Entscheidung der Innenminister widerrufe. Allerdings sei seine Hoffnung nicht groß, weil es bei der Abstimmung der Innenminister eine klare Mehrheit gegeben habe, so Zeman.

Tschechiens Regierungschef Bohuslav Sobotka sprach von einer "schlechten Entscheidung". "Die Quoten werden nicht funktionieren und bringen uns der Lösung der wahren Ursachen der Immigrationskrise nicht näher", so der Premier. Der Beschluss der Innenminister sei "nur ein Zuckerl für die Öffentlichkeit in jenen Ländern, die das Ziel der gegenwärtigen Migrationsströme sind".

Heftige Kritik an Ja aus Polen
Innenminister Milan Chovanec kritisierte auf Twitter das Nachbarland Polen, das mit seinem Schwenk zum Ja bei der Abstimmung aus der Visegrad-Gruppe (V4) mit Tschechien, der Slowakei und Ungarn ausgeschert war. "Die Vereinbarung der V4-Regierungschefs war eindeutig, dass wir gemeinsam vorgehen werden", zeigte sich Chovanec enttäuscht.

Tschechiens Finanzminister Andrej Babis kann sich weiterhin "nicht vorstellen", wie Quoten funktionieren sollen. Es sei "völlig unsinnig", die Zuwanderer in einer Zeit, in der Tausende Flüchtlinge nach Europa kommen, nach Quoten zu verteilen. Babis kritisierte auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel: Die jetzige Flüchtlingskrise sei eine "Folge ihrer Einladung aller syrischen Flüchtlinge nach Europa".

Mikl-Leitner: "Entlastung Österreichs"
Österreichs Innenministerin Johanna Mikl-Leitner sprach von einem Zeichen der Handlungsfähigkeit der Europäischen Union und stellte klar: "Ja, auch jene, die nicht mitgestimmt haben, haben diese Flüchtlinge aufzunehmen." Wie das genaue Prozedere der Verteilung ablaufe, werde noch besprochen. Entscheidend für die Ministerin ist auch, dass dem "Asyltourismus" ein Ende gesetzte worden sei. "Es kommt zu einem Doppelschlag", so Mikl-Leitner: erstens zur Entlastung der Balkan-Route, also auch zur Entlastung Österreichs, zweitens könnten sich Flüchtlinge künftig nicht mehr aussuchen, wo sie um Asyl ansuchen.

Konkret bedeute der Beschluss, dass zunächst 6600 der 120.000 Menschen verteilt werden. Das für die Verteilung von Flüchtlingen aus Ungarn zunächst vorgesehene Kontingent von 54.000 könne - nach Ablehnung Ungarns - innerhalb eines Jahres auch von anderen betroffenen Ländern in Anspruch genommen werden. "Auch andere können davon profitieren, nicht nur Griechenland oder Italien - Länder, die ebenso belastet sind. Zum Beispiel in kurzer Zeit auch Österreich", sagte Mikl-Leitner.

Polen nimmt 4500 Menschen auf
Polen wird nach dem in Brüssel verhandelten Plan über die Verteilung von Flüchtlingen etwa 4500 Menschen aufnehmen, kündigte Europaminister Rafal Trzaskowski am Dienstagabend an. "Wir hatten zwei Szenarien zur Wahl. Wenn wir dagegen gestimmt hätten, hätten wir die Entscheidung ebenfalls nicht blockieren können", begründete Trzaskowski den Warschauer Kurswechsel. Polen sehe seine wichtigsten Bedingungen für die Aufnahme von Flüchtlingen erfüllt. "Polen wird das Recht haben, Personen abzuweisen, bei denen auch nur der Schatten eines Verdachts besteht, dass sie die Sicherheit des Staates gefährden könnten", sagte er. In den vergangenen Tagen war vermutet worden, Polens solle bis zu 11.000 Flüchtlinge aufnehmen.

Deutschland wird als größtes EU-Land 31.000 der 120.000 Flüchtlinge aufnehmen, wie Innenminister Thomas de Maiziere sagte. Dies geschehe "aus Gründen der Solidarität innerhalb Europas, aber vor allem aus Verantwortungsbewusstsein gegenüber denjenigen, die vor Krieg und Vertreibung fliehen und unseren Schutz benötigen". Der deutsche Anteil von 26 Prozent sei zwar nicht unerheblich, stelle aber unter dem Strich eine Entlastung dar, da Deutschland zurzeit fast die Hälfte der Flüchtlinge aufnehme, sagte der Minister. "Ohne diesen Verteilschlüssel wären viele, viele mehr zu uns gekommen."

Die EU-Kommission will mit dieser Maßnahme die am stärksten betroffenen Länder Italien und Griechenland entlasten. Eigentlich hätte auch Ungarn davon profitieren sollen, doch lehnte die dortige rechte Regierung von Ministerpräsident Viktor Orban die Regelung ab. Wie die anderen Gegner der Umverteilung sieht es Ungarn als Eingriff in die nationale Souveränität, dass ihm von der EU im Zuge verpflichtender Quoten Flüchtlinge zugewiesen werden sollen. Auch die Gegner der Umverteilung sind allerdings durch den Beschluss gebunden.

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