Die neue Regierung lässt aufhorchen. Caroline Edtstadler möchte, dass alle Staaten des Westbalkans Mitglied der EU werden. Aus Sicherheitsgründen, so meint die neue Ministerin. Nun ja, im Prinzip keine schlechte Idee, wenn man bedenkt, dass natürlich auch der Westbalkan zu Europa gehört und nicht nur die (noch) etwas reicheren Staaten West- und Mitteleuropas. Doch wie lange soll und kann es dauern, bis diese Staaten eine in jeder Weise befriedigende Reife erreicht haben, um gleichberechtigte Mitglieder der EU zu werden? Der Balkan ist ein Pulverfass, pflegte mein Großvater, welcher im 1. Weltkrieg an der serbischen Front kämpfte, zu sagen. Dass dem so ist, wurde unter anderem 1990–1995 im ehemaligen Jugoslawien und 1999 im Kosovo bewiesen. Viele der damaligen Konflikte sind lediglich durch EU-Steuergeld eingefroren worden und können jederzeit wieder ausbrechen. Dazu kommt, dass einige EU-Staaten z. B. den Kosovo gar nicht als unabhängigen Staat anerkannt haben und auch nie anerkennen werden – sie haben gute Gründe dafür, welche auf selbst gemachten Erfahrungen eines ungezügelten Nationalismus basieren. Und was soll mit Bosnien werden? Einem in jeder Weise gescheiterten Staat, der nur durch Steuergeld aus der EU samt permanenter militärischer Kontrolle zusammengehalten wird? Es geht wohl nicht nur um Sicherheit bei der Frage nach einer Aufnahme der Westbalkanstaaten in die EU. Es geht sehr wohl auch um die Frage, was an Nachteilen und was an Vorteilen von diesen Staaten der EU angeboten werden kann. Überwiegen die Nachteile, kann man aufgrund eines wesentlich engeren finanziellen Korsetts der EU diese im Vergleich zu früher nicht mehr lächelnd ignorieren und sich auf höhere politische Ziele berufen. Auch in Europa nehmen dank Social Media und Internet die Völker wesentlich intensiver am politischen Geschehen teil als vor zehn oder zwanzig Jahren. Man wird wohl oder übel auch den europäischen Steuerzahler mitreden lassen müssen, ob er bereit ist, neu aufgenommene Westbalkanstaaten jahrzehntelang weiter zu alimentieren. Eine Konferenz mit lächelnd auf einem Podium stehenden, sich an den Händen haltenden Regierungschefs wird dafür jedenfalls keinesfalls reichen. Vielleicht sollte man zuerst einmal eine Art Balkan-EU gründen, die eine Miniausgabe der „echten“ EU darstellt und den einzelnen Mitgliedstaaten die Möglichkeit bieten sollte, „EU mit all ihren Rechten und Pflichten korrekt zu üben“. Sollte dieses Modell längerfristig funktionieren, könnte in einem zweiten Schritt eine Vollaufnahme in die EU angedacht werden. Aber das ist keine Frage von Jahren, sondern von Jahrzehnten.
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