Gutachten verzögert!

Kosten übersteigen bald den Schaden aus Swaps

Salzburg
20.07.2017 13:36

Tag 15 im Prozess rund um die Übertragung der Zinstauschgeschäfte von der Stadt an das Land mit einem angeklagten Schaden von nun 4,7 Millionen Euro und dem damit verbundenen Vorwurf der Untreue: Weil das Gutachten dazu weiter massiv angezweifelt wird, droht der Prozessfahrplan sich weiter zu verzögern.

Richterin Anna-Sophia Geisselhofer sprach es aus: "Ich will das Verfahren nicht unnötig verzögern, das wäre eine enorme Belastung für die Angeklagten."

Damit ist gesagt, was sich viele denken: Die Kosten für jahrelange Ermittlungen, Gutachten, Anwälte, Sachverständige und Prozesstage auf beiden Seiten gehen in die Millionen. Allein die Stadt hat schon mehr als 700.000 Euro für die drei Angeklagten ausgelegt. 190.000 Euro kostete das Gutachten, das Christian Imo für die Staatsanwaltschaft anfertigte, die Stadt holte den Privatsachverständigen Uwe Wystup. Seine Honorarnoten sind Gegenstand einer Anfrage der NEOS.

Zeuge Wolfgang Gmachl bestätigte Polit-Gespräch

Zum Vergleich: 690.000 Euro flossen an die Hypo, als die Ex-Beamtin Monika Rathgeber zwei Swaps einen Tag vor der offiziellen Verständigung der Übertragung der sechs Geschäfte am 11. 9. 2007 sofort auflöste, weil sie ihrer Ansicht nach hoffnungslos waren. Das ist bisher der reale Verlust. Die von Imo berechneten 4,7 Millionen - er musste nach einem Rechenfehler um 164.000 Euro nach unten korrigieren - an negativem Barwert kommen dazu.

Der Barwert ist der Schaden, es gab keine Gegenleistung, sagt die Anklage. Die Bewertungen der Deutschen Bank und Barclays kommen auf einen ähnlichen Betrag.

Bgm. Heinz Schaden wird nicht mehr aussagen

Das ist theoretisch, weil niemand weiß, wie sich die Swaps entwickelt hätten, sagen die Verteidiger. Sie hegen weiter Zweifel an Imos Gutachten und wollen es mit noch nicht gestellten Fragen zerpflücken. Dazu brauchen sie Wystup, der aber bis zum angesetzten Prozessende am 28. Juli nicht mehr kann. Der kommt nämlich auf einen Wert um die Null Euro. Imo wiederum ist bis Ende August auf Urlaub.

Und die Richterin räumte ein: "Das Gutachten ist bei der Berechnung der Barwerte bislang nicht schlüssig." Die Entscheidung, wie es weiter geht, ließ sie weiter offen. Der Druck steigt.

Inzwischen ging es mit den ergänzenden Befragungen der Angeklagten weiter, am Mittwoch war Rathgeber dran, die dabei blieb: Es gab eine Weisung ihres Vorgesetzten Eduard Paulus, die Geschäfte zu übernehmen. Und ihr wurde gesagt, dass ansonsten die Stadt klagen würde. Sie hätte sich deshalb massiv um die Reputation des Landes gesorgt: "Im Nachhinein wurde ich einfach nur getäuscht. Die Klagen existierten nicht, das war nur ein Druckmittel."

Am Freitag wäre Heinz Schaden vorgesehen, sein Anwalt Walter Müller verlautete aber, dass er sich nicht mehr äußern wird. Schaden nehme die Beweisaussagen zur Kenntnis, nur jene von Zeuge Erwin Roth sind unrichtig (Die "Krone" berichtete ).

Zuvor hatte Ex-WK-Boss Wolfgang Gmachl bestätigt, dass Schaden und der mitangeklagte Ex-Finanzlandesrat Othmar Raus nach einer Aufsichtsratsitzung in der Messe am 2. August 2007 sich in seiner Anwesenheit (er war Aufsichtsratvorsitzender) unterhalten haben.

Schaden habe erzählt, dass der städtische Finanzdirektor schwer erkrankt sei. Deshalb werde überlegt, ob sich die Stadt von den Derivaten lösen oder die Abteilung ausgebaut werden solle. Raus solle sich anschauen, ob eine Übertragung ans Land sinnvoll sei: "Raus hat gesagt, das kann man sich ansehen. Es war aber keine Rede von negativen Barwerten", so Wolfgang Gmachl.

Splitter aus dem Gerichtssaal

Sparsame Beamtin
Als es darum ging, ob Rathgeber ausländische Banken anrief, meinte sie: "Ich rief ausländische Banken nicht an, sondern ließ mich anrufen - um Telefonkosten zu sparen"

Magisches Können
Martin Floss-Anwalt Stefan Eder hielt Rathgeber vor, dass sie nach einer Berechnung einen Swap gar nicht mit Gewinn auflösen habe können. Sie konterte: "Hab ich aber!" Eder dazu: "Warum?" Rathgeber: "Weil ich das kann!"

Die volle Nase
Rathgeber betonte immer wieder, dass sie die so genannten CMS-Spreads (komplexe Zinstauschgeschäfte, die die Stadt abschloss) in ihrem Portfolio schon ab 2004 nicht mehr haben wollte. Das schrieb sie auch ihrem Gegenpart Harald Kutschera, der für die Deutsche Bank arbeitete und dem Land Spekulationsgeschäfte verkaufte: "Von diesen Strukturen habe ich die Nase gestrichen voll." Da hakte Oberstaatsanwalt Gregor Adamovic ein: "Hat sich an ihrer vollen Nase bis zum Jahr 2007 (Zeitpunkt der Übertragung) irgendetwas verändert?"

Geschwindigkeit
Den härtesten Job in dieser Verhandlung haben wie erwähnt die Schriftführerinnen, die genau die Wortlaute mittippen müssen. Als Maurer-Anwalt Josef Gallauner zum Sprechen ansetzte, bat die Schriftführerin, er möge doch langsamer sprechen. Gallauner verringerte seine Geschwindigkeit aber nicht, sondern wurde nur lauter. Da platzte es aus ihr heraus: "Langsamer, nicht lauter!"

Die werte Gattin
Sobald Zeugen entlassen werden, fragt die Richterin nach, ob sie eine Bestätigung brauchen. Zeuge Wolfgang Gmachl dazu: "Nein, wenn aber dann nur für die Ehefrau"

Michael Pichler, Kronen Zeitung

Keiner hörte die Warnungen

KOMMENTAR von Hans Peter Hasenöhrl

Die Politik verdirbt den Charakter.

Dieser Ausspruch wird dem Franzosen Charles-Maurice Talleyrand zugeschrieben, er wirkte während der blutigen Revolution.

Trifft das wirklich zu?

Gegensätzlicher Meinung war Julius Raab, der legendäre Staatsvertragskanzler von Österreich: "Nicht die Politik verdirbt den Charakter, sondern ein verdorbener Charakter verdirbt die Politik."

Eine Tatsache ist es, dass bei politisch-motivierten Affären in Salzburg ganz viel Geld der Bürger verbrannt worden ist. Da denken wir an die "Gartensiedlung" oder die "WEB" oder die "Bautreuhand" und die Spekulationen.

Es ist gut, dass es in allen Medien im Bundesland Salzburg sehr kritischen und auch investigativen Journalismus gibt. Da kommt viel heraus.

Keinesfalls wird bei den Berichten übertrieben, denn halten wir uns noch einmal ganz leidenschaftlos die Dimensionen vor Augen:

Der Rechnungshof hat 2007/2008 das Finanzierungsmanagement des Landes Salzburg überprüft.

Es bestand ein Risikopotenzial (Value at Risk) in der der Höhe von 178,20 Millionen Euro.

Dies entspricht 41 Prozent der damaligen Finanzschulden und knapp zehn Prozent der Einnahmen.

Das Land Salzburg wies damit den höchsten Risikowert aller überprüften Stellen auf.

Das Risiko in Salzburg war achtmal höher als im Bund.

Es wurde zu einer Verringerung der hohen Risiken aus Derivatgeschäften geraten.

Knapp zuvor, am 11. September 2007, wurden die Derivate von der Stadt an das Land übertragen.

Am 26. November 2012 implodierte der Finanzskandal.

Was war in den fünf Jahren dazwischen?

Wie bekannt wurde, haben die damaligen Vorstände der Hypo-Bank zweimal im Jahr Besprechungen mit dem Land abgehalten. Thema waren die Veranlagungen.

Wie sorgsam ging die Politik mit dem Steuergeld der Salzburger um? Wie wirksam waren die Kontrollen?

Ich behaupte: Wäre es das Privatgeld der betroffenen Politiker gewesen, sie wären wohl sehr viel mehr auf der Hut gewesen.

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