8 Stunden befragt

“Land hatte Interesse, Panik zu vermeiden”

Salzburg
13.06.2017 09:03

Am Tag 5 im Prozess rund um die Swaps-Übertragung von der Stadt an das Land war der damalige städtische Finanzsachbearbeiter Axel Maurer dran. Auf seinen Mailverkehr baut die Staatsanwaltschaft hauptsächlich ihre Anklage gegen insgesamt sieben Beschuldigte wegen Untreue bzw. Beihilfe zur Untreue auf.

2006 wechselte Axel Maurer von der Kommunalkredit in die städtische Finanzabteilung, nachdem die Stadt auch bei dieser Bank Derivate kaufte. Und das mit hohen Margen, so Maurer: Auf ein 10-jähriges Geschäft waren zwischen 2 und 7 Prozent (!) fällig. Alle Derivate starten daher mit einem negativen Barwert. Die Probleme begannen mit den steigenden Zinsen und mit der schweren Erkrankung des damaligen Finanzdirektors Wilhelm Rader. Maurer musste ihn immer öfter vertreten: "Die Stadt hat ihr kleines Portfolio stets als Optimierungsgeschäft gesehen, um sich Geld zu sparen. Man dachte damals, jeder kann davon profitieren. Im Nachhinein war das vielleicht ein bisschen blauäugig. Aber Ziel und Vorgabe ist immer gewesen, Zinserträge für das Budget zu erwirtschaften. Negative Zahlungsflüsse waren nicht vorgesehen." Mit Rader sprach er im Frühling 2007 erstmals über eine Option mit dem Land:  "Das Land hatte ein riesiges Portfolio, da waren im Budget 10 bis 15 Millionen jährlich aus Zinserträgen aus Derivaten vorgesehen. Wir wussten, wenn man vorsichtig rechnet, würde das ein Portfolio von einer Milliarde Euro sein. Die Frage war, ob das Land an unseren Derivaten Interesse hätte." Nicht alle Swaps seien so schlecht gewesen: "Es gibt in diesem Verfahren heute nur gut oder böse. Aber das stimmt nicht." Und weiter: Bei der Idee einer Übertragung würde sich das Land die Bankmarge und Handelsspanne sparen, die Stadt die Auflösungskosten.

Am 25. Mai sei er zu Bgm. Heinz Schaden gegangen, weil Rader nicht da war, um eine Unterschrift unter eine Dringlichkeitsverfügung für einen "Problem-Swap" (der schon Millionen im Minus lag) zu holen: "Er war dann irritiert und ist emotional geworden. Ich war massiv verunsichert. Mein Eindruck war, der Bürgermeister war schlecht informiert, das Risiko als Gesamtes schien ihm nicht bewusst gewesen zu sein." Der Gemeinderat wurde laut Maurer nicht informiert, weil die Leitlinie besagte, man berichtet nur, was budgetär relevant ist. Der Barwert sei dabei kein Thema gewesen, weil das "keine kamerale Größe ist, die in einem Amtsbericht aufscheinen muss." Die Kameralistik ist die Buchhaltung von Kommunen, in der nur tatsächliche Geldflüsse Eingang finden. Fast überall wird nun auf Doppik umgestellt.

Viele Fragen über die Sprachregelung
Ende Mai forderte Schaden einen Statusbericht von Maurer. Mit dem Ergebnis, dass Schaden weitere Derivate nicht mehr wollte und den Stadtsenat zu informieren beabsichtigte. Doch dazu kam es nicht. Auch von Klagen gegen Banken war die Rede, ein Ausstieg aber noch "kein Thema". Im August 2007 sei Maurer auf Anordnung aus der Stadt ins Land zu Finanzbeamtin Monika Rathgeber und Finanzhofrat Eduard Paulus gegangen, um über die Swaps zu sprechen. Was danach im Hintergrund ablief, wusste Maurer nicht. Er habe sich nur stark gewundert, dass Rathgeber wenig später ihm von Kündigungsrechten berichtete und offenbar schon aktiv geworden war, ohne, dass die Übertragung stattgefunden hätte. Richterin Anna Sophia Geisselhofer bohrte bei der in der Anklage geführten Sprachregelung nach - und: "Warum hat man die Übernahme an das Land dem Gemeinderat verschwiegen?" Maurer: "Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass nicht gesagt werden sollte, dass es ans Land übertragen wird."

Wohl habe er aber mitbekommen, dass das Land Interesse hatte, Panik zu vermeiden. Der Bankplatz Salzburg sollte nicht in Unruhe geraten. Diskretion war von jedem gewollt. Die mehrfach im Prozess genannte Vermutung: Einerseits weil Klagen im Raum standen, andererseits, weil Nachfragen von Banken gekommen wären, warum die Stadt keine Derivate mehr abschließt. Geisselhofer stieß am Ende noch auf einen brisanten Mailverkehr zwischen Maurer und Schaden. Der 2008 zum Finanzdirektor aufgestiegene Beamte  ("Ab dann muss man auch politisch mitdenken") konnte als Abteilungsleiter nun direkt mit dem Bürgermeister reden und schickte im Oktober 2012 einen Artikel, der eine Spekulationswelle im Land und Rechnungshofkritik andeutete: Es sei nicht auszuschließen, dass der Nachfolger von Finanzlandesrat Othmar Raus in seinem Ärger über die Stadt "unsere Geschichte mit den Derivaten ans Tageslicht zerrt". Und es wohl sinnvoll sei, wenn Schaden, deshalb mit der LHF (Gabi Burgstaller und Raus spreche. Die Antwort: " (...) Die LHF ist informiert. Wir haben keine Derivate mehr, Thx to Raus und Paulus." Maurer: "Der Rechnungshof stieg quasi dem Land auf die Zehen wegen der Finanzgeschäfte. Und wenn der Rechnungshof etwas ans Tageslicht zerrt, ist das unangenehm. Ich wollte dem Bürgermeister nur mitteilen. Achtung! Da könnte etwas auf uns zukommen." Warum soll das viel später ein Problem sein, fragte die Richterin: "Die Übertragung vom September 2007 war ja bis dahin gar nicht bekannt. Ich dachte mir, dass das jetzt vielleicht politisch heikel werden könnte."

Michael Pichler, Kronen Zeitung

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