In Unis und Häfn

So rekrutiert Russland seine staatlichen Hacker

Web
31.12.2016 08:44

Dass Donald Trump im Jänner als neuer US-Präsident angelobt wird, verdankt er US-Geheimdiensten zufolge zumindest zum Teil russischen Hackern, die interne Dokumente der Demokraten veröffentlicht und damit ihren Wahlkampf sabotiert haben sollen. Aber woher hat Moskau dieses Know-how? Medienberichten zufolge aus russischen Unis, IT-Firmen - und Gefängnissen.

Das geht aus einem Artikel der renommierten US-Zeitung "New York Times" hervor, die sich in russischen IT-Sicherheitskreisen umgehört hat. Demnach suche der Kreml bereits seit mindestens vier Jahren gezielt nach IT-Talenten, um sie für seine Hackertruppen zu rekrutieren.

Einer von ihnen ist Aleksandr Vyarya, ein IT-Experte, der bis 2015 für eine russische IT-Sicherheitsfirma tätig war. Dann habe ihm Rostec, eine Zulieferfirma des russischen Militärs, ein moralisch fragwürdiges Angebot gemacht. Er hätte bei der Entwicklung von Cyberwaffen helfen sollen, erzählt Vyarya. Er floh aus Russland und lebt seither im finnischen Asyl.

IT-Experten, talentierte Studenten, Kriminelle
Dem Bericht zufolge fischt Moskau auf allen Kanälen nach IT-Experten für seine "Wissenschafts-Geschwader", wie die Hacker innerhalb des russischen Militärs genannt werden. IT-Spezialisten aus der freien Wirtschaft sind ebenso beliebt wie talentierte Uni-Abgänger oder Cyberkriminelle.

Uni-Abgänger und IT-Experten werden dabei ganz offensiv über russische Soziale Netzwerke wie den Facebook-Rivalen VKontakte angesprochen. Dort soll das russische Verteidigungsministerium Inserate geschaltet haben, in denen jungen Menschen vorgeschlagen wird: "Wenn du gerade mit der Uni fertig geworden und ein Technikspezialist bist, der bereit ist, sein Wissen einzusetzen, haben wir eine Gelegenheit für dich!" Auch unter Grundwehrdienern wird nach IT-Experten gesucht, die mit besserer Unterbringung und anderen Vergünstigungen umworben werden.

Auch direkt an den Unis wird nach IT-Talenten gesucht. Sergei Schoigu, seit 2012 russischer Verteidigungsminister, soll schon 2013 im Gespräch mit Universitätsrektoren in Moskau anklingen lassen haben, dass er gezielt auf der Suche nach talentierten Programmierern sei. Freilich: Derlei Anwerbeversuche sind nicht ungewöhnlich und werden beispielsweise auch in Deutschland unternommen - nur halt via Facebook und nicht via VKontakte.

Generalstabschef spricht vom "nonlinearen Krieg"
Von Schoigus Stellvertreter, dem Generalstabschef der russischen Streitkräfte Waleri Gerassimow stammt die sogenannte Gerassimow-Doktrin, die besagt, dass es heute keine klaren Linien mehr zwischen Krieg und Frieden gebe und verdeckte Aktionen des "nonlinearen Krieges" - also etwa Hacker-Attacken - an Bedeutung gewinnen werden.

Und für diesen nonlinearen Krieg sind offenbar auch Kriminelle eine Option. Gerade in Russland, das den Ruf hat, Heimat einer florierenden Szene Cyberkrimineller zu sein, gibt es durchaus ein Reservoir von verurteilten Cyberkriminellen, die - gegen Hafterleichterungen - im Dienste des Staates in IT-Systeme einsteigen könnten.

Haftverkürzung für kooperative Cyberkriminelle
Als Beleg wird in dem Bericht ein Fall aus dem Jahr 2013 angeführt. Damals saß Dimitri Artimovich, der Schöpfer einer großem Spam-Maschinerie, in einem Moskauer Gefängnis und wartete auf seinen Prozess.

Ein Mitgefangener habe ihm damals erzählt, dass Männer mit seinen Talenten ihre Strafe nicht zwangsläufig absitzen müssen, sondern durchaus auch einen Deal mit dem Inlandsgeheimdienst FSB eingehen könnten. Der Physiker entschied sich für ein Verfahren und verbrachte ein Jahr in einem Straflager.

In russischen Militärkreisen nennt man solche potenziellen Mitarbeiter dem Bericht zufolge "Hacker, die Probleme mit dem Gesetz haben". Man darf freilich davon ausgehen, dass andere Länder - auch die USA - ähnliche Methoden anwenden, um an hochqualifizierte IT-Experten zu kommen.

"Alle entwickelten Länder haben offensive Fähigkeiten"
Anton Shingarev, Manager beim russischen Antiviren-Konzern Kaspersky, sagt: "Fast alle entwickelten Länder auf der Welt entwickeln unglücklicherweise offensive Fähigkeiten, und viele haben das auch zugegeben." Das werde nicht jedem gefallen, sei aber einfach die Realität.

In den USA beispielsweise hat der Geheimdienst NSA erst 2015 ein kostenloses Sommercamp für 1400 Highschool-Absolventen veranstaltet, bei dem sie Basiswissen in den Bereichen Hacking, Cracking und Cyberverteidigung vermittelt bekamen. Dass auch junge Uni-Absolventen mit IT-Know-how interessant für die NSA sind, ist spätestens seit Edward Snowden ein offenes Geheimnis.

Und selbst in Deutschland und Österreich sucht das Militär gezielt nach talentierten jungen Hackern - und sei es nur, um auf die neue Bedrohung aus dem Cyberspace zu reagieren. Die deutsche Bundeswehr hat dabei auch kein Problem mit Bewerbern, die für den Militärdienst eigentlich ungeeignet wären.

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