Mädchen unter 14 Jahren sollen in der Schule künftig kein Kopftuch tragen dürfen. Ein solches Verbot wurde schon einmal vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben. Nun will es die neue Regierung wieder einführen. Jugendministerin Claudia Plakolm (ÖVP) legt ein konkretes Modell vor.
Es gibt 12.000 potenziell betroffene Mädchen. „Religionsfreiheit endet dort, wo die Selbstbestimmung und die Freiheit einschränkt wird. Das Verhüllen des Körpers schränkt selbstverständlich die Freiheit ein. Und wie freiwillig etwas geschieht, sieht man daran, wie viele Frauen sich trauen, das Kopftuch abzunehmen und sich in der Öffentlichkeit dazu zu bekennen: nicht einmal eine Hand voll“, begründet die Ministerin die Pläne der Regierung.
Einladung an FPÖ, Verfassungsbestimmung zu ermöglichen
Sie lud in der ORF-Pressestunde die FPÖ ein, mit der Regierung mitzustimmen und so eine Verfassungsbestimmung zu ermöglichen. Ein unter Türkis-Blau beschlossenes Kopftuchverbot an Schulen, das im Herbst 2019 in Kraft trat, wurde nämlich 2020 vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben. Der VfGH argumentierte unter anderem damit, dass es dem Gebot der religiösen und weltanschaulichen Neutralität des Staates widerspreche und die islamische Tradition als solche ausgrenzen würde.
Eine Zustimmung der Grünen zu einem Verfassungsgesetz ist in diesem Fall nahezu ausgeschlossen, die FPÖ hat sich bisher selten kooperativ gegenüber der Regierung gezeigt. ÖVP, SPÖ und NEOS werden wahrscheinlich ein einfaches Gesetz beschließen müssen. Dieses soll von einem Maßnahmenpaket begleitet werden und eine stärkere Abwägung der einzelnen Grund- und Freiheitsrechte umschließen, so Plakolm.
Stufenmodell mit persönlichen Gesprächen und Einbeziehung der Eltern
Konkret schwebt ihr ein Stufenmodell bis hin zu einem Verbot vor. So sollen zunächst Schulpsychologen ein Gespräch mit dem Mädchen und den Eltern führen, auch die Kinder- und Jugendhilfe könnte bei Bedarf eingeschaltet werden. Der VfGH habe beim letzten Kopftuchverbot kritisiert, dass zu wenig auf den Einzelfall eingegangen werde, das wäre also eine Möglichkeit. Man müsste bei jedem einzelnen Fall ein Gutachten erstellen, dass das Kindeswohl nicht gefährdet ist, so die Ministerin.
Ein Kopftuchverbot wird in vielen Ländern in Europa diskutiert. Ein solches gibt es aber nur in den wenigsten. Frankreich ist das bekannteste Beispiel. Dort wurde vor über 20 Jahren ein Verbot von Kopftüchern und anderen religiösen Symbolen an Schulen verhängt.
Deutschland verfügt je nach Bundesland über unterschiedliche Regelungen, Kopftuchverbote gibt es teilweise im öffentlichen Dienst. So sind etwa Kopftuch tragende Lehrerinnen an allgemeinbildenden Schulen je nach Bundesland nur vereinzelt im Schuldienst vertreten. Auch in der Schweiz gibt es ein teilweise Kopftuchverbot für Lehrerinnen. In Spanien ist es grundsätzlich den Schulen überlassen, ein Kopftuchverbot zu erlassen.
Deutlich weiter verbreitet sind Verbote der Vollverschleierung und damit das Tragen von Burka und Nikab. In Österreich gilt seit Oktober 2017 ein solches Verbot. Die Vollverschleierung ist auch in Frankreich, Belgien, Bulgarien, in Dänemark, den Niederlanden, Italien und Norwegen verboten. In Deutschland ist das Tragen eines Gesichtsschleiers in der Öffentlichkeit erlaubt, es ist durch die Glaubensfreiheit im Grundgesetz gedeckt. Angehörige der Bundeswehr oder Beamte dürfen das Gesicht allerdings nicht verhüllen. Einige Bundesländer haben die Vollverschleierung an öffentlichen Schulen untersagt.
Das begleitende Maßnahmenpaket sieht ein stärkeres Vorgehen gegen Sittenwächter, verpflichtende Elterngespräche und die Stärkung von Mädchen vor. „Wir müssen Mädchen ermutigen, ihren eigenen Weg zu gehen. In Österreich gilt die Gleichberechtigung von Mann und Frau und Mädchen stehen alle Möglichkeiten offen. Mädchen sollen in Österreich selbstbewusst, selbstbestimmt und sichtbar leben können“, so die Integrationsministerin.
Zwischen 8200 und 12.000 potenziell Betroffenen
Laut Plakolm sind potenziell 12.000 Mädchen betroffen: In Wiener Pflichtschulen sind es rund 60.000 Mädchen, 41 Prozent der Schüler bekennen sich zum Islam. Das ergibt 24.600 muslimische Mädchen. Die Hälfte der Muslime in Österreich verfolgt eine strenge Auslegung des Islams. Damit gibt es mehr als 12.000 potenzielle Kopftuchträgerinnen.
„Wir reden hier von rund 12.000 Mädchen, die potenziell betroffen sind. Das ist eine gewaltige Zahl. Selbst wenn wir davon ausgehen, dass es wie bei den erwachsenen Frauen nur 30 Prozent tragen, sind es noch immer über 8200 Mädchen. Mir geht es darum, ein Zeichen zu setzen, dass junge Mädchen in Österreich dieselben Chancen unserer freien Gesellschaft haben. Es geht mir um Kinderschutz, ein achtjähriges Mädchen gehört einfach nicht unter ein Kopftuch“, so Plakolm.
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