Stadthalle live

Libertines: Rock’n’Roll mit clownesker Attitüde

Musik
26.03.2016 02:28

Freudenfest für alle Indie-Rock-Fans? Etwa 5.000 begeisterte Fans versammelten sich am Karfreitag in der Wiener Stadthalle, um Zeitzeuge von Musikhistorie zu werden. Die unlängst reunierten Libertines kamen, um brandneue Songs und große Hits von früher zu zelebrieren. Neben einem soliden Carl Barât sorgte Skandalnudel Pete Doherty für Aufreger und Klischees des Abends. Ein notwendiges Manöver, um von der zahnlosen und verstimmten Musik abzulenken.

(Bild: kmm)

Money Boy wirft mit einem Mikrofon, Pete Doherty mit Mikrofonständern - und das gleich sechs Mal. Während ersterer mit seinem abgebrochenen WUK-Auftritt vor wenigen Wochen für einen kleinen Medienskandal sorgte, wird nach den neuerlichen Doherty-Eskapaden kein Hahn krähen. Das österreichische Publikum ist die Allüren des Enfant Terribles schließlich schon gewohnt, so geriet auch die Babyshambles-Skandalshow von 2013 bei den meisten längst in Vergessenheit. Mit den Libertines ist der angeblich cleane Doherty seit letztem Jahr wieder regelmäßig unterwegs, die etwa zweimonatige Europatour findet in der Wiener Stadthalle vor etwa 5.000 Zusehern ihr Finale. Und das zumindest aktiv, denn im Gegensatz zu vorangegangenen Konzertterminen standen Doherty und sein Lebensmensch Carl Barât auch tatsächlich auf der Bühne.

Der große Unterschied
Über die 20 Minuten Verspätung konnte zudem locker hinweggesehen werden, schließlich überzeugten die hierzulande noch ziemlich unbekannten Reverend And The Makers mit motivierenden Ansagen und gut arrangierten Songs auf allen Linien. Bei den Libertines wurde der Krach schon nach Bandgründung zur Kunst erhoben, in Wien wird dieses Credo von der ersten Sekunde weg perfektioniert. Wenn Doherty und Barât sich im Stile legendärer Rock-Duos auf der Bühne mit den Gitarren duellieren, merkt man schnell den Unterschied zu den ganz Großen im Geschäft. Die Kompositionen sind nicht ausgefeilt, das Duo kramt für die vielen Nostalgiker im Publikum aber das Gefühl der Millenniums-Indie-Rock-Phase hervor.

Aus der Zeit gefallen sind die Libertines trotz ihrer fast zehnjährigen Pause nicht. Songs wie "Can't Stand Me Now", "Vertigo" oder "Horrorshow" würden auch in der Gegenwart gut funktionieren, müssten dafür aber präziser als lediglich schnoddrig-geschrammelt dargeboten werden. Die wiedergewonnene Freude am Zusammenspiel und das kumpelhafte Agieren untereinander können über den eher schalen Gesamteindruck nicht hinwegtäuschen. Der Auftritt wird hauptsächlich vom hervorragenden Drummer Gary Powell getragen, der es mit den beiden exzentrischen Diven vor ihm nicht immer leicht hat. Vor allem Dohertys öffentlich kommunizierten Entzug kann man im Laufe des Abends durchaus anzweifeln, Barât geht hingegen ganz in der Rolle des "Good Cop" auf und rettet was zu retten ist, wenn sein Buddy mit dem Plektron wieder einmal torkelnd an einer Saite vorbeischrammt.

Kurzes Highlight
Teilweise erinnert die Show an erste Proberaumversuche in feuchten Kellern. Immer wieder improvisiert das Quartett, wirkt dazwischen oftmals planlos, findet am Ende aber doch meist einen gemeinsamen Nenner, der alte Klassiker wie "Death On The Stairs" oder "The Man Who Would Be King" und neue Songs des Comebackalbums "Anthems Of Doomed Youth" fast unmerkbar ineinander verschmelzen lässt. Mit "You're My Waterloo", bei dem sich Barât ans Piano setzt, gibt es im Mittelteil der Show sogar ein emotionales Highlight zu verzeichnen, bevor sich die Briten endgültig im eigenen Klischee des Rockstarseins verheddern.

Doherty stolpert ungelenk über die Bühne, rollt sich beim Gitarrespielen am Boden, genießt vereinzelte Busenblitzer aus dem Publikum und wirft neben dem Mikroständer am Ende auch noch seine E-Gitarre in die tobende Menge, die das Wrack nach allen Regeln der Kunst abfeiert. Die exzentrische Vorstellung erfüllt damit seine Wirkung - sie lenkt von der ungenau exerzierten Musik ab und dreht die Aufmerksamkeit auf das Gebaren der Protagonisten. Das Projekt Libertines mag auf Platte durchaus seinen Reiz haben, doch gerade live zeigen sich die technischen Schwächen der hedonistischen Combo. Ob das Verstummeln und Zerstören der Songs wirklich zur Identität der Band gehört? Den Die-Hard-Anhängern ist es egal und alle anderen kommen wohl eh nicht wieder. Clowneskes muss aber auch nicht zwingend massenkonform sein.

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