"Krone" vor Ort

Syrien versinkt im Blut, der Libanon verzweifelt

Ausland
12.12.2015 07:51

250.000 Kriegstote - Syrien versinkt im Blut! Millionen flüchten vor Machthaber Bashar al-Assad und den IS-Mördern in den Libanon. In Flüchtlingslagern macht sich die Verzweiflung breit. Ein Lokalaugenschein über Caritas-Hilfe an der Grenze.

Wer die geschockten Gesichter, die leeren Augen traumatisierter Mädchen und die ängstlichen Blicke verstörter Buben gesehen hat, versteht in der Sekunde den Unterschied zwischen Kriegs- und Wirtschaftsflüchtlingen. Hier im Libanon, in einem der Dutzenden Lager der Bekaa-Ebene, wo sich nun 400.000 Vertriebene in Zelten, Verschlägen oder Garagen vor dem mörderischen Winter mit minus 20 Grad verbarrikadieren, regiert die Hoffnungslosigkeit. Zwei Millionen aus der syrischen Bürgerkriegshölle Entkommene sitzen in dem der Größe Tirols entsprechenden Ministaat mit 4,5 Millionen Einwohnern fest.

Hass gegen Flüchtlinge macht sich breit
Da somit fast jeder Dritte im Zedernstaat ein Flüchtling ist, brodelt es bereits wie in einem Hexenkessel: Einheimische bangen um ihre Jobs, der libanesische Wirtschaftsmotor ist im fünften Jahr der Misere ins Stottern gekommen, Fremdenhass macht sich breit.

"Auch wenn erwachsene Flüchtlinge offiziell gar nicht arbeiten dürfen, so steht unser System vor einem Kollaps", bringt Libanons Caritas-Direkor Paul Karam die Sorge auf den Punkt. Der Bürgerkrieg droht überzuschwappen, IS-Kämpfer sind bereits eingedrungen und haben Geiseln genommen.

Flüchtlings-Tsunami Richtung Europa droht
Und die internationale Staatengemeinschaft hat erst nach der zweiten Terrorwelle von Paris - also viel zu spät - die Brisanz der Flüchtlingsproblematik im Nahen Osten verstanden.

Denn von hier aus droht ein Flüchtlings-Tsunami Richtung Europa überzuschwappen, "wenn uns von Gott vergessenen Kindern nicht bald geholfen wird", so ein siebenfacher Familienvater. Sogar verarmte Libanesen versuchen mittlerweile mit gefälschten syrischen Pässen die Odyssee in den "goldenen EU-Westen".

Um es ebenso wie Faris (40) zu schaffen. Der Syrer ist über die Balkan-Route durch Österreich bis nach Deutschland gekommen. Beim Lokalaugenschein treffen wir seine Frau und vier Kinder im erbärmlichen Notquartier an der Grenze. Sie hoffen nun alle, nach Europa nachziehen zu können.

"No-Future-Generation wächst heran"
Sohn Abdil Assis (12) geht täglich von neun bis acht am Abend als Müllmann arbeiten, um die 100 Dollar Miete bezahlen zu können. Eine Schule hat er - ebenso wie zwei von drei Flüchtlingskindern - seit Jahren nicht von innen gesehen.

"Ohne Bildung wächst hier eine riesige No-Future-Generation heran", warnt Caritas-Präsident Michael Landau. Denn diese Armee jugendlicher Analphabeten ist der ideale Nährboden für IS-Rekrutierer, um Tausende Nachwuchs-Dschihadisten anzuwerben.

Mit der Nachbarsfamilie im Elendsquartier hatte das Schicksal kein Erbarmen: Der vierfache Familienvater versuchte in einem Boot, von Libyen aus nach Europa zu gelangen. Sein Schiff wurde von der Küstenwache versenkt. Er ist ertrunken und mit ihm die Hoffnung auf eine Zukunft im Frieden versunken.

Gäbe es da nicht die Hilfe wie jene der Caritas, die sich um Gestrandete der Flüchtlingsflut sorgt, wäre das Leid noch schlimmer. "Wir verteilen Decken zum Schutz vor dem Kältetod und Essensgutscheine", so Nahost-Koordinator Stefan Maier. Waisenkinder erfahren im Kloster Broumana Betreuung und in Beirut werden Kindergärten und Schulen finanziert: ein Sonnenstrahl inmitten der Kriegs- und Flüchtlingsfinsternis.

Eine schaurige IS-Dunkelheit, aus der den beiden Syrern Sergon A. und Zaja B. die Flucht gelungen ist. "Wir mussten in Rakka zuerst zusehen, wie die Dschihadisten Freunde enthaupteten, und dann Abertausende US-Dollar als Lösegeld für die IS-Kriegskassa sammeln." Jetzt wollen sie nur eines: "Weg von hier - so schnell wie möglich!"

Aus dem Archiv: Video verdeutlicht Probleme der Syrien-Auswanderer

Daten und Fakten:
Caritas-Gesamthilfe seit 2011 im Nahen Osten: 11 Millionen Euro - mit Lebensmittelpaketen, Hygieneartikeln, Decken, Matratzen, medizinischer Betreuung und Kleidung wurden rund 121.000 Menschen unterstützt.

Spendenkonto:
Erste Bank: IBAN AT23 2011 1000 0123 4560
BIC: GIBAATWWXXX
Kennwort: Kinder auf der Flucht
www.caritas.at/kinderkampagne

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