Allerheiligen

Rollstuhlfahrerin begleitet Menschen beim Sterben

Kärnten
01.11.2015 19:46
Sie hat selbst ein schweres Schicksal zu tragen - und versucht gerade deshalb anderen Menschen zu helfen: Kerstin Schoahs (29) ist Psychologin in der Geriatrie im Klinikum Klagenfurt und Sterbebegleiterin in Pflegeheimen. Ihre Arbeit muss sie im Rollstuhl verrichten. Ein Gespräch zu Allerheiligen über Leben und Tod.

Darf man fragen, seit wann Sie im Rollstuhl sitzen?
Im Kindesalter wurde bei mir eine Nervenerkrankung (Ataxie, Anm.) diagnostiziert, seit 2004 bin ich auf den Rollstuhl angewiesen.

Haben Sie daher den Weg als Psychologin und Sterbebegleiterin eingeschlagen?
Eigentlich wollte ich Kindergärtnerin werden, aber das war nicht mehr möglich. Dann habe ich es mit Psychologie probiert, am Anfang war es nicht meins. Zur Hospiz kam ich schließlich durch den Tod meines Bruders. Er war wie mein bester Freund. Er hatte die gleiche Diagnose wie ich, aber noch viel schwerer.

Wie reagieren Patienten, wenn Sie im Rollstuhl sitzen?
Ich glaube schon, dass sich manche bei mir etwas leichter öffnen, weil sie meinen, da ist jemand, der kennt die Situation.

Reden ältere Menschen eigentlich offen über den Tod?
Es gibt viele, die darüber sprechen wollen. Ich lasse sie aber auf mich zukommen. Oft fragen sie: Kerstin, wie ist das Sterben?

Und wie ist die Antwort?
Ich bin ehrlich und sage: Ich weiß nicht, wie es ist. Aber man muss keine hundertprozentige Antwort darauf geben. Ich denke, Sterben ist wie ein Loslassen.

Wie war es, als sie erstmals beim Sterben dabei waren?
Eine große Überwindung, es war ein Herr. Ich brauchte lange, um die Tür zum Zimmer zu öffnen, ich habe gezittert. Ich wusste ja nicht, wie ich damit umgehe. Auch danach konnte ich nicht schlafen. Ich war echt fertig.

Wie viele Menschen haben Sie bisher sterben sehen?
Man kann das nun auf zwei Händen abzählen. Aber kein Tod ist wie der andere, und man vergisst niemanden. Man geht mit jedem eine tiefe Beziehung ein.

Gibt es einen Fall, der Sie besonders berührt hat?
Es gab einen Heimbewohner - den Kurti - den habe ich ein Jahr lang betreut. Als sich abzeichnete, dass er sterben wird, bekam ich eine SMS, ich soll dringend kommen, aber ich war verhindert. Das zerriss mir das Herz. Nach zwei Tagen habe ich es endlich geschafft, und es war so, als hätte er auf mich gewartet.

Wie war die Begegnung?
Ich habe ihm gesagt: Kurt, ich bin da. Er hat nicht mehr gesprochen, aber er hat noch etwas meine Hand gedrückt. Dann ist er gegangen, das hat mich wirklich berührt.

Haben Sie noch eine Erinnerung an ihn zuhause?
Ja, ein Lebkuchenherz, das er mir geschenkt hat. Da steht oben: Hab mich lieb!

Haben Sie mittlerweile weniger Angst vor dem Tod?
Wer behauptet, er hätte keine Angst, lügt. Aber was wäre ein Leben ohne Tod? Wenn nichts enden würde, das wäre noch schlimmer.

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