Versteckte Kammer?

Forscher starten Suche nach Nofretete-Sarkophag

Wissenschaft
25.09.2015 12:09
Es sind nur ein paar feine Linien in einer Wand aus Kalkstein. Doch sie könnten zu einer der größten archäologischen Sensationen führen, die die Welt seit langem gesehen hat. Am Montag will sich eine Expedition von Wissenschaftlern um den britischen Ägyptologen Nicholas Reeves im Tal der Könige nahe der ägyptischen Stadt Luxor auf die Suche der Grabkammer der Nofretete machen.

Millionen Menschen haben ihre weltberühmte Büste auf der Berliner Museumsinsel in den vergangenen zehn Jahren bewundert. Den Sarkophag der rätselhaften Pharaonengattin dagegen hat noch keiner ausfindig machen können. Das könnte sich nun ändern: Reeves, der an der Universität von Arizona lehrt, äußerte in einem Aufsatz Vermutungen auf weitere Räume hinter der 1922 entdeckten Grabkammer von Nofretetes Stiefsohn Tutanchamun (um 1330 vor Christus).

In neuen, hochpräzisen Oberflächenaufnahmen zweier Wände der Kammer mit dem Kürzel KV62 fand Reeves Linienstrukturen, in denen er zugemauerte Durchgänge erkannte. Doch damit nicht genug: Reeves vermutet hinter der bemalten Nordwand einen Korridor, der genug Platz für einen großen Sarkophag böte. Dem der "Nofretete selbst, der gefeierten Gattin, Mitregentin und späteren Nachfolgerin von Pharao Echnaton", wie Reeves schreibt.

Theorie von Forscher gut begründet
Die archäologische Welt ist seitdem in Aufregung. Nicht nur wegen der schönen Nofretete, bei der Ägyptologen seit jeher in Schwärmen geraten, sondern auch deshalb, weil Reeves seine Theorie gut begründet. So sei der vermutete Gang die exakte Fortführung des Korridors in der Grabkammer Tutanchamuns. Auch scheint die Nordwand später bemalt worden zu sein als die übrige Raumdekoration. Reeves zufolge deshalb, weil sie durch das Zumauern erst nachträglich entstand.

Experten schätzen Reeves als seriösen Wissenschaftler. "Er ist ein wirklich guter Ägyptologe, der zu den größten Kennern des Tals der Könige gehört", sagt sein belgischer Kollege Harco Willems. Seiner Ansicht nach hat Reeves handfeste Hinweise für seine Theorie gefunden. "Was er auf den Bildern sieht, sehe ich auch. Es scheint mir außer Frage zu stehen, dass da zwei Türen sind." Zwei zugemauerte Durchgänge also. Eine zu einer kleineren Kammer. Die andere - womöglich - zu einer Legende der Amarnazeit. Aber warum soll es gerade Nofretete sein, die seit Tausenden von Jahren hinter der berühmten Wandbemalung ruht?

Der Theorie zufolge verbirgt sich hinter dem Namen von Tutanchamuns Vorgänger, Semenchkare, niemand anderes als die nach dem Tod ihres Gemahls Echnaton zur Herrscherin aufgestiegenen Nofrete. Ihre Grabkammer sei nach dem plötzlichen Tod Tutanchamuns hastig für diesen umgebaut und der Raum mit ihrem Sarkophag eingemauert worden. Nofretete als direkte Vorgängerin ihres Stiefsohns Tutanchamun: Eine unter Ägyptologen umstrittene These.

"Null Hinweise" zum Inhalt der Kammern
So spektakulär sich Reeves Theorie zum Inhalt der vermuteten Kammern auch anhört: "Dazu gibt es erstmal null Hinweise", erklärt Willems. Seiner Ansicht nach könnte es sich bei den Räumen eher um weitere Kammern mit Grabbeigaben für Tutanchamuns Reise ins Jenseits handeln.

Andere Ägyptologen zweifeln an der gesamten Theorie. Frank Müller-Römer von der Universität München fragt in einer Gegenschrift: "Warum sollten auch nur die [von Reeves beschriebenen] Umrisse einer Vermauerung und nicht auch Strukturen einzelner Steine erkennbar sein?" Schließlich stelle sich ebenso die Frage, warum vor der Veröffentlichung des Aufsatzes keine Messungen, zum Beispiel mit Hilfe von Radar, in KV62 durchgeführt wurden.

Diese Untersuchungen sollen am Montag nachgeholt werden und erste Erkenntnisse darüber bringen, was sich hinter der Nordwand des Pharaonengrabes befindet. Nofretete wäre allerdings erst dann zweifelsfrei gefunden, wenn im Gestein des Tals der Könige ein Raum mit einem Sarkophag gefunden würde, der ihren Namen trägt - nichts, was eine Radarmessung leisten könnte.

Selbst Fund von kleiner Kammer wäre Sensation
Doch selbst wenn die Ergebnisse der Messungen die Theorie um das Grab der Nofretete widerlegen sollten, auch der Fund von kleineren Kammern wäre noch immer eine archäologische Sensation. Enttäuschend wird es erst, wenn die Risse in der Wand einfach nur Risse in der Wand sind.

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