Heiligtum gesprengt

Gewaltwelle nach Schrein-Anschlag im Irak

Ausland
23.02.2006 14:08
Einen Tag nach dem Anschlag auf eines der wichtigsten Heiligtümer der Schiiten im Irak hat eine Welle der Gewalt das Land erfasst. Nach dem Bombenanschlag auf die Goldene Moschee in Samarra wurden Dutzende Sunniten getötet sowie deren Moscheen angegriffen. Wegen der Gewalt gegen ihre Religionsgruppe zogen sich die irakischen Sunniten aus den Gesprächen über die Regierungsbildung zurück.

"Wir setzen unsere Beteiligung an den Verhandlungen über eine Regierung mit der schiitischen Allianz aus", erklärte Tarek al-Hashemi, der Spitzenvertreter der Front Irakische Eintracht. Die Partei hatte zuvor bereits ein Krisengespräch mit Präsident Talabani über die Eskalation der Gewalt im Land abgesagt.

Bewaffnete Männer erschossen in Baakuba 47 Fabrikarbeiter. Die Täter stoppten drei Busse zwangen die Arbeiter zum Aussteigen und schossen sie nieder, wie der Provinzrat mitteilte. Die Arbeiter waren bei einer Ziegelfabrik beschäftigt.

Bis Donnerstagfrüh waren landesweit mindestens 50 durch zahlreiche Schüsse getötete Zivilisten gefunden worden, die vermutlich Opfer von Vergeltungsaktionen waren. In der Nacht brannten zahlreiche sunnitische Moscheen. Unter den Toten waren auch drei arabische Fernsehjournalisten. Zudem erschossen Bewaffnete Donnerstagfrüh den Wächter einer sunnitischen Moschee in Baakuba.

Extremisten hatten am Vortag in Samarra die Goldkuppel des auch als "Goldene Moschee" bekannten Askari-Schreins weggesprengt. Im ganzen Irak löste dies wütende und empörte Proteste von Angehörigen der schiitischen Bevölkerungsmehrheit aus, die zunehmend in Gewalt gegen Sunniten umschlugen.

Aufforderungen zur Ruhe
Der UNO-Sicherheitsrat hatte den Irak nach dem Bombenanschlag auf die Moschee zur Wahrung der nationalen Einheit aufgerufen. In einer Erklärung forderte das UNO-Führungsgremium die Iraker am Mittwoch zu Besonnenheit und Zurückhaltung auf. Die USA sprachen von einem verabscheuungswürdigen Verbrechen.

Aufrufe zur Mäßigung kamen u.a. von Ayatollah Sistani. Er forderte seine Landsleute auf, mit friedlichen Mitteln gegen den Anschlag zu protestieren. Sistani untersagte seinen Anhängern, als Vergeltung für den Anschlag sunnitische Moscheen oder Kultstätten anzugreifen. Selbst der radikale Schiitenführer Moktada al Sadr rief zur Ruhe auf. Trotzdem übernahmen in Kämpfer der Gruppe al Sadrs mit Maschinengewehren die Kontrolle über Sadr City.

Auch Präsident Talabani rief die Bevölkerung auf, "ruhig Blut und Einheit zu bewahren, um die abscheulichen Pläne der extremistischer Sunniten zu durchkreuzen". Regierungschef Jaafari rief eine dreitägige Staatstrauer aus. Er forderte, es dürfe den Attentätern nicht gelingen, "die Einheit des Landes zu zerstören".

Überreste zweier verehrter Heiliger
Der Askari-Schrein beherbergt die letzte Ruhestätte zweier von den Schiiten verehrter Heiliger, die des Imam Ali Ibn Mohammed al-Hadi und die seines Sohnes Imam Hassan al-Askari. Das Mausoleum zieht jedes Jahr tausende Pilger aus aller Welt an. Da auch zwei weibliche Angehörige der Familie des Propheten Mohammed dort begraben sind, pflegen dort auch sunnitische Gläubige zu beten. Samarra liegt 125 Kilometer nördlich von Bagdad im so genannten sunnitischen Dreieck, in dem es die meisten Aktivitäten von Aufständischen und islamistischen Extremisten gibt.
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