Horrorheim in Mexiko

“Gran Familia”: Berichte über systematische Gewalt

Ausland
17.07.2014 18:43
Vergewaltigungen, Prügel, Einzelarrest ohne Nahrung und Wasser: Nach der Razzia in einem Waisenhaus in Mexiko und anschließender Befreiung Hunderter verwahrloster Kinder und Jugendlicher häufen sich die Berichte über systematische Gewalt in der "Gran Familia" ("Große Familie"). Dutzende Eltern meldeten sich bis bei den Behörden, um ihre Kinder aus dem Heim zu holen. Die Heimleiterin erlitt nach ihrer Verhaftung einen Nervenzusammenbruch und musste laut örtlichen Medien am Donnerstag ins Spital eingeliefert werden.

Rosa del Carmen Verduzco habe auch Herz- und Diabetesprobleme gehabt, hieß es. Nach der Befreiung von mehr als 400 Kindern aus dem Heim war Verduzco zusammen mit acht Mitarbeitern festgenommen worden. Nach ihrer Verhaftung bekam Verduzco Unterstützung von prominenten mexikanischen Persönlichkeiten. Obwohl Vorwürfe gegen das Kinderheim seit 2010 bekannt waren, war sie im Bundesstaat Michoacan sehr angesehen.

Ex Staatschef Vicente Fox solidarisierte sich am Mittwoch mit Verduzco auf seinem Twitter-Account. Auch der renommierte Historiker Enrique Krauze verteidigte die Frau. "Rosa nahm den sozialen Platz ein, den der Staat nicht besetzte", schrieb er auf Twitter zur langjährigen sozialen Arbeit von Verduzco. Zum Alter der Frau gab es unterschiedliche Angaben. Einige Zeitungen schrieben sie sei 80, andere 79.

Horrorheim genoss guten Ruf in der Bevölkerung
Doch der gute Ruf, den die Einrichtung seit 40 Jahren genießt, dürfte nicht ganz der Realität entsprechen. Minderjährige Bewohner berichteten, sie seien zum Oralverkehr mit Erwachsenen gezwungen worden, wie Chefermittler Tomas Zeron mitteilte. Eine junge Frau sagte demnach, sie sei von einem Angestellten des Heims vergewaltigt worden. Als sie schwanger geworden sei, habe er sie verprügelt, "um eine Fehlgeburt auszulösen".

Fernando Roman, ein 20-jähriger Musiklehrer, der elf Jahre in dem Heim lebte, sagte der Nachrichtenagentur AFP, Fluchtversuche seien mit einwöchiger Einzelhaft bestraft worden - in einem Badezimmer und ohne Nahrung. Auch Schläge hätten zum Alltag gehört. Zugleich nannte Roman die Vorwürfe gegen Verduzco "stark übertrieben" und bezeichnete die Strafen als angemessen.

Dutzende Eltern wollen ihre Kinder zurück
Dutzende Eltern hatten sich am Mittwoch vor dem Heim versammelt, um ihre Kinder zurückzufordern. Die Minderjährigen blieben aber zunächst unter der Aufsicht von Polizisten und Soldaten. Experten begannen mit DNA-Tests bei rund 70 Vätern und Müttern, um zu überprüfen, ob es sich tatsächlich um ihre Kinder handelt.

Lucia Carranza berichtete, sie habe ihren Sohn der Heimleiterin vor zwei Jahren überlassen, da sie mit ihrem Mann auf dem Feld arbeite und sich deswegen nicht um ihr Baby kümmern könne - "dieser Ort wurde mir empfohlen". Andere Eltern beschuldigten die Heimleitung, ihre Kinder entführt zu haben. Bertha Saucedo sagte im Sender Foro TV, ihre am Downsyndrom leidende Tochter sei ihr im Alter von drei Monaten geraubt worden.

"Mama Rosa" gilt als Furcht einflößende Person
Einige Eltern beschrieben die auch als "Mama Rosa" bekannte Heimdirektorin als Furcht einflößende Persönlichkeit mit engen Verbindungen in die Politik, die sie über lange Zeit vor Strafverfolgung geschützt hätten. Tatsächlich bekam "La Gran Familia" häufig hohen Besuch von Gouverneurskandidaten und anderen Regionalpolitikern von Michoacan, einer ländlichen Region, in der sich die Drogenmafia ausgebreitet hat. Generalstaatsanwalt Murillo Karam räumte ein, wegen des guten Rufs der Institution seien die Überprüfungen der dortigen Zustände "weniger gründlich" gewesen.

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