Notbremse gezogen

Nach Matura-Pannen: bifie-Direktoren treten zurück

Österreich
15.05.2014 13:49
Datenleck, schlechtes Zeugnis des Rechnungshofs und viele Pannen bei der Zentralmatura führen nun zu einem Köpferollen beim Bundesinstitut für Bildungsforschung (bifie): Nach einem Rapport bei Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek haben die beiden bifie-Direktoren Martin Netzer und Christian Wiesner bekannt gegeben, bis Ende Juli zurückzutreten. In einer Pressekonferenz betonte die Ministerin, an der Zentralmatura festhalten zu wollen. Außerdem bleibe das Institut, wenn auch "in anderer Form", bestehen.

Die ab 2015 an den AHS und ab 2016 an den berufsbildenden höheren Schulen (BHS) anstehende flächendeckende Umsetzung der neuen Reifeprüfung steht für die Ministerin außer Frage. "Man darf das Kind nicht mit dem Bade ausschütten." Es sei klar, dass bei der heurigen Generalprobe "gravierende Fehler" passiert seien: "Die gilt es jetzt zu analysieren und im nächsten Jahr zu minimieren oder noch besser gar nicht passieren zu lassen." Eine interne Expertengruppe des Ministeriums werde nun prüfen, welche Fehler passiert seien. Diese "Taskforce" solle in einem Monat einen Abschlussbericht vorlegen, so Heinisch-Hosek. Dafür werde wieder der TÜV Austria herangezogen, der bereits die Datensicherheit beim bifie prüft.

Heinisch-Hosek: "Neuausrichtung des bifie"
"Es wird aber auch eine Neuausrichtung des bifie geben", kündigte die Ministerin eine Organisationsreform des Instituts an. Dieser Prozess werde im Sommer gemeinsam mit dem bifie-Aufsichtsrat, den Schulpartnern sowie Experten vor allem aus dem Inland, zum Teil aber auch aus dem Ausland, gestartet. "Wir müssen analysieren, wie es mit der Bildungsforschung in Österreich überhaupt weitergeht." Viele hätten den Eindruck, es werde nur mehr getestet und kontrolliert. "Die Bildungsforschung braucht mehr Bodenhaftung in Österreich." Sie wolle "weniger Elfenbeinturm und mehr Praxistauglichkeit". Bis Herbst soll dann eine Stärken-Schwächen-Anaylse stehen.

Beide Direktoren erst seit April 2013 im Amt
Den beiden Direktoren Netzer und Wiesner war keine lange Amtszeit vergönnt. Sie hatten ihren Dienst erst im April vergangenen Jahres während der Amtszeit von Heinisch-Hoseks Vorgängerin Claudia Schmied angetreten und hätten ihre Funktionen, die laut "Krone"-Informationen mit einem Jahresgehalt von rund 150.000 Euro brutto entlohnt werden, eigentlich für fünf Jahre ausfüllen sollen. Netzer, einst auch Kabinettschef der früheren ÖVP-Bildungsministerin Elisabeth Gehrer, war der Verantwortliche für die Zentralmatura.

Wohl keine Abfindungen
Abfindungen soll es für die nunmehr ehemaligen bifie-Chefs nicht geben, wie die "Krone" auf Nachfrage aus gut informierter Quelle erfuhr. FPÖ-Bildungssprecher Walter Rosenkranz hatte in einer Aussendung unter anderem angekündigt, er wolle "durchleuchten", welche "Golden Handshakes" Netzer und Wiesner für ihren Rücktritt erhalten hätten.

Bildungsexperte sieht Ministerin als Gesamtverantwortliche
Spät aber doch war der Unterrichtsministerin vor wenigen Tagen der Kragen geplatzt. "Ich habe es satt", verkündete sie nach einer der zahlreichen Pannen bei der Zentralmatura. Bildungsexperte, Ex-bifie-Direktor und "Mister PISA" Günter Haider sieht Heinisch-Hosek, aber auch deren Vorgängerin Schmied als Gesamtverantwortliche "für das Schlamassel". Beim Bildungsinstitut räche sich die parteipolitische Besetzung der Chefposten, erklärte Haider gegenüber Ö1.

Auch Grüne und ÖVP sehen die Direktoren nicht als Alleinschuldige. Der grüne Bildungssprecher Harald Walser sieht die Verantwortung zum Großteil innerhalb des Bildungsressorts. Die aufgrund eines angeblichen, aber schließlich nicht vorhandenen Datenlecks angeordneten Überprüfungen beim bifie hätten zu einem kurzfristigen Stopp der Zentralmatura-Vorbereitungen geführt. Deshalb wäre dann für den Druck und die Kontrolle der rund 94.000 Testbögen statt vier bis fünf Wochen nur die Hälfte der Zeit zur Verfügung gestanden. Folge waren fehlerhafte Drucke von rund 120 Testbögen bei der Mathe-Matura, die an fünf Wiener Schulen deshalb kurz unterbrochen werden musste.

ÖVP: "Direktoren zahlen Zeche für Minister-Versäumnisse"
ÖVP-Bildungssprecherin Brigitte Jank äußerte zwar Verständnis für den Rückzug der beiden bifie-Chefs. Es sei aber "nicht ganz von der Hand zu weisen, dass die beiden Direktoren nun teilweise die Zeche für die Versäumnisse der Vergangenheit zahlen", hieß es in einer Aussendung. Die Verantwortung liege im zuständigen Ressort. Die Arbeit an einer Neuausrichtung des bifie müsse sofort beginnen, auch eine Redimensionierung sei zu prüfen. Auch Vizekanzler Michael Spindelegger betonte am Rande seiner "Österreich-Rede" (siehe auch Infobox) am Donnerstag: "Wir brauchen rasch eine gute Struktur, um Leistung wieder überprüfbar zu machen."

Eine Neuorganisation der Einrichtung samt Abschaffung des Proporzes forderte auch das Team Stronach. Sollte das bifie in seiner jetzigen Struktur weiter bestehen bleiben, "dann müssen Fachleute aus dem Bildungsbereich die Leitung dieses sensiblen Bereiches übernehmen", forderte Bildungssprecher Robert Lugar. Als Kandidat brachte er Ex-bifie-Chef Haider ins Spiel.

Die FPÖ will künftig nur mehr einen Direktor für das Bildungsinstitut, das BZÖ forderte ebenfalls politische Konsequenzen: "Wenn sich die Bildungsministerin für ihr Scheitern nur mit zwei Kündigungen aus der Affäre ziehen möchte, ist das zu wenig", hieß es.

AHS-Direktoren wollen Zentralmatura beibehalten
Trotz der vielen Pannen halten auch die AHS-Direktoren an der Zentralmatura fest. Die derzeit überaus emotional geführte Diskussion sah der Sprecher der AHS-Direktoren, Wilhelm Zillner, kritisch: "Das bifie arbeitet in vielen Bereichen sehr gut, es hat derzeit eine Pechsträhne." Bei den Schulversuchen der vergangenen Jahre sei immer alles gut gegangen, betonte Zillner. Er forderte, dass alle Betroffenen nach einer Beruhigungsphase die aufgetauchten Probleme diskutieren und gemeinsam Lösungen suchen sollten.

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