Die Bäckerfamilie Ströck steht vor einer harten Bewährungsprobe: Zwei ihrer Söhne sind an ME/CFS erkrankt – einer davon schwer. Aus dieser persönlichen Betroffenheit heraus hat die Familie die gemeinnützige Stiftung WE&ME gegründet. Im Interview machen Gabriele und Gerhard Ströck deutlich, wie sehr Betroffene mit der Erkrankung bislang auf sich allein gestellt sind.
Seit zehn Jahren leidet Christoph Ströck bereits an ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis/ Cronic Fatigue Syndrome). Belastungsintoleranz, Erschöpfung, kognitive Probleme, Muskelschmerzen und Überempfindlichkeit gegen Licht, Lärm, aber auch gegen Hitze und Kälte sind nur einige der wichtigsten Symptome, die zwangsläufig zu Rückzug und Isolation führen. Der 38-Jährige kommuniziert je nach Verfassung hauptsächlich schriftlich und hat über X weltweit Kontakt zu vielen anderen Betroffenen, aber auch Ärzten und Forschern. Philipp, einer seiner zwei älteren Brüder, ist „milder“ betroffen, wobei auch das bereits eine große Einschränkung bedeutet.
„Krone“: Wie hat die Krankheit bei Christoph begonnen?
Gerhard Ströck: Von Kindesbeinen an hatte er viele Infekte – von Mittelohrproblemen bis zu Lungenentzündung und Blutvergiftung. Heute könnte man sagen, es waren vielleicht Vorzeichen eines überforderten Immunsystems. Aber wir wissen es nicht. Trotzdem war er immer sehr sportlich und ehrgeizig, ist viel und gerne gereist. Das alles musste er aufgeben.
Wie lange dauerte es bis zur Diagnose?
Gabriele S.: Die beginnenden Gesundheitsprobleme haben wir zuerst als Überlastung interpretiert. Wir lagen falsch. Sein Zustand verschlechterte sich. Die jahrelange Ärzte-Odyssee brachte Ausschlussdiagnosen und die falsche Einschätzung, es handle sich um eine psychosomatische Erkrankung. Es folgte eine sehr belastende Zeit. Bis bei einer Untersuchung in Stanford (USA) ME/CFS diagnostiziert wurde. Eine Erkrankung, die damals den Ärzten in Österreich kein Begriff war.
Trifft es eher jüngere oder ältere Menschen?
Gerhard S.: Vor allem junge Menschen, zu zwei Drittel junge Frauen, aber auch Kinder. Noch immer gibt es keine anerkannte Therapie und in Österreich auch keine spezialisierte Anlaufstelle. Die Betroffenen und ihre Familien wurden quasi allein gelassen.
Was Sie ändern wollen.
Gabriele S.: Ja, denn entgegen weitverbreiteter Meinung handelt es sich nicht um eine seltene Erkrankung. Viren wie z. B. Epstein-Barr zählen zu den Auslösern. Nach Covid-19 haben sich die Zahlen vervielfacht. Man geht von 80.000 Patienten in Österreich aus, die mit postviralen Symptomen kämpfen und für die es keine spezialisierten Anlaufstellen gibt. Die wenigen Fachärzte, die sich damit befassen, werden überrannt. Wir sehen es als unsere Aufgabe, für mehr Bewusstsein zu sorgen und mit der Patientenorganisation ÖG ME/CFS ein Umdenken bei den Verantwortlichen in Politik und Medizin zu beschleunigen.
Hat sich schon etwas verbessert?
Gerhard S.: Ja, einiges wie die Aufnahme von ME/CFS ins Medizinstudium, Schulungen und bei praktischen Ärzten. Es braucht auch besser geschulte Gutachter, die diese Erkrankung als das anerkennen, was es ist: eine schwere körperliche und chronische Multisystemerkrankung.
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