Mega-Demos

Protestwelle gegen Korruption und WM-Kosten in Brasilien

Ausland
18.06.2013 10:07
Brasilien erlebt derzeit eine der massivsten Protestwellen seiner Geschichte. Hunderttausende Menschen nahmen in der Nacht auf Dienstag in mehr als zehn Städten des Landes an weitgehend friedlichen Demonstrationen teil, nur vereinzelt kam es zu Krawallen. Entzündet hatte sich der Protest an den Fahrpreiserhöhungen im öffentlichen Nahverkehr. Mittlerweile richtet sich die Wut jedoch allgemein gegen Korruption sowie Milliardenausgaben der Regierung für Sport-Großereignisse wie die Fußball-WM.

Allein in Rio de Janeiro beteiligten sich nach Medienberichten bis zu 100.000 Teilnehmer an einem Protestzug. Hunderte zum Teil vermummte Randalierer griffen das Regionalparlament in der Stadt am Zuckerhut an. Die steckten ein Auto in Brand, warfen Steine auf das Gebäude und rissen Absperrungen um.

Zwischendach des Kongresses stundenlang besetzt
Die Proteste begannen kurz vor Einbruch der Dunkelheit. In der Hauptstadt Brasilia versammelten sich Tausende Demonstranten vor dem Nationalkongressgebäude. Hunderte junge Menschen drangen auf ein Zwischendach des Kongresses vor, wo Brasiliens Senat und das Abgeordnetenhaus ihren Sitz haben. Sie besetzten stundenlang das Dach, feierten ihren Erfolg mit Liedern und schwenkten brasilianische Flaggen. "Der Kongress ist unser", riefen sie. Einige Demonstranten versuchten, in das Gebäude einzudringen. Der Präsidentenpalast Palacio do Planalto wurde massiv von Sicherheitskräften abgeschirmt, befürchtete Zusammenstöße zwischen Demonstranten und der Polizei blieben aus.

In Sao Paulo, der mit elf Millionen Einwohnern größten Stadt Brasiliens, zogen nach offiziellen Schätzungen rund 60.000 Demonstranten durch die Stadt. "Das Volk vereint, regiert ohne Parteien", riefen dort die Demonstranten. In Sao Paulo hatte sich der Protest vorige Woche an der Anhebung von Fahrpreisen für Bustickets entzündet (siehe Infobox). Bei vorherigen Aktionen war es zu massiven Zusammenstößen zwischen der Polizei und Demonstranten gekommen. Am Montag hielten sich die Sicherheitskräfte hingegen auffallend zurück.

"Mehr Geld für Gesundheit und Bildung statt WM"
In Rio de Janeiro riefen die Demonstranten: "Rio wird stillstehen, wenn die Stadt die Preise nicht verringert." Auf Plakaten forderten sie ein "besseres Brasilien", ein Ende der Korruption und mehr Geld für Krankenhäuser, Schulen und Universitäten. "Ich lass' die Fußball-WM sausen und will mehr Geld für Gesundheit und Bildung", skandierten die Teilnehmer der Demonstration, zu der vor allem in sozialen Netzwerken im Internet aufgerufen worden war.

Auch in in den Städten Porto Alegre, Belo Horizonte und Salvador gab es Aktionen mit Tausenden Teilnehmern. In Porto Alegre entfachten die Demonstranten Feuer auf der Straße, in Belo Horizonte setzte die Polizei Trängengas ein. Über Verletzte gab es keine Angaben. Die landesweiten Demonstrationen waren die größten seit den Protesten im Jahr 1992 gegen den damaligen Staatschefs Fernando Collor de Mello, der wegen eines Korruptionsskandals zurücktreten musste.

Präsidentin: Verständnis für "friedliche Demonstrationen"
Staatspräsidenten Dilma Rousseff äußerte in einer ersten Reaktion Verständnis für "friedliche Demonstrationen". Diese seien legitim und gehörten zur Demokratie. Damit meinte sie aber ausdrücklich nicht die Randale vor dem Regionalparlament von Rio. Dessen Präsident, Paulo Mello, fand klare Worte für die Attacken der Vermummten, die er als "Akt des Terrorismus" bezeichnete.

Confederations Cup und bevorstehende Fußball-WM
Die Proteste kommen zu einem kritischen Zeitpunkt für das aufstrebende Schwellenland: Im nächsten Sommer ist Brasilien Gastgeber der Fußballweltmeisterschaft. Derzeit laufen die zweiwöchigen Probespiele in den Fußballstadien. Der Confederations Cup droht somit von den Unruhen überschattet zu werden.

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