Kein Schamgefühl

Freie Sicht und Zoom in die allerwerteste Zone

Adabei
02.06.2013 09:10
Nein, mir ist nichts peinlich! Wir sind jetzt ganz unten angekommen. Kleiderschlitz bis zum Anschlag. Beingrätsche in der Totalen. Arschbacke als Visitenkarte. Anatomie-Stunde auf dem Roten Teppich. Eine Landplage, all die Ex-Ex-Girls.

Am Anfang war der Busenblitzer, auch schon wieder eine Weile her. Janet Jackson beim Superbowl, schwer bewaffnet mit Silikon schoss da etwas aus der Lederkluft, das eigentlich eingepackt gehört.

Es wurde Mode, auf den roten Teppichen der Welt. Oscar, Filmfestspiele Cannes, "Life Ball" sowieso, und auch die Mittelklasse-Karosserien auf provinziellen Events: Man bekam Brustwarzen zu sehen, von denen sich der Uhu auf zu dünnen Stofffetzen gelöst hatte. Man zoomte unter Achselhöhlen in die mehr oder weniger gelungene Busen-Silhouette. Ballongroße Dinger verloren den Kampf gegen die Schwerkraft, und zwar mit Absicht.

Was hatten die Damen sonst noch verloren beim Defilee großer Kinofestivals? Eigentlich gar nichts. Man muss es einmal sagen dürfen: Diese ganzen Teppichluder sind eine solche Landplage geworden. In welchem oscarverdächtigen Werk spielt Heidi Klum mit? Welches Kino-Drama in Cannes wird von der soundsovielten Ex des Ex-Fußballers Lothar Matthäus getragen?

Starlets und skurrile Nacktheiten waren immer schon die Nebengeräusche großer Filmfestivals. Nebengeräusche eben. Man merkte sich, wer einen Oscar gewonnen hatte oder die Goldene Palme, die anderen merkte man sich für Spindfotos, aber nicht fürs Cover. Sophia Loren, Marilyn Monroe, Audrey Hepburn, Bette Davis – Heidi Klum und Co. hätten nicht dieselbe Luft mit denen atmen dürfen. "Loddars" früheres Luder hätten sie abgeführt vom roten Teppich.

Busenblitzer ist Schnee von gestern
Aber die penetrante B-Promi-Präsenz ist noch nicht zu hundert Prozent ausgereizt. Nach der Ära Busenblitzer: eindeutig der Trend in die allerwertesten Zoom-Zonen. Stilelement der groben Boulevard-Sehnsucht. Die Damen können leider nicht unterscheiden zwischen Kinokunstwerk und Peinlichkeit. Als Sharon Stone die Beine ein bisschen breit machte in "Basic Instinct", war das ein Moment, der Cinema-Geschichte schrieb. Wenn Sarah Jessica Parker den Blick frei gibt bis fast ins Allerheiligste hinauf, dann fängt man an, Mitleid zu empfinden.

Basisliteratur zu mehr oder weniger delikaten Bildern von dem, was Eva noch mit einem Feigenblatt verdeckte, gibt es viel. Die Frage, wie stylisch die Unterhosen sind (von Porno-String bis Liebestöter), beschäftigt eine große Internetgemeinde mit offenbar ganz viel Lebensfreizeit. Unten ohne kann man in Serie durchklicken, nicht alle Protagonistinnen haben sich dabei einen Gefallen getan.

Gern sagen die Ex-Verlobten und Ex-Fußballerbräute und Ex-Castingshow-Teilnehmerinnen dann "Huch" und "Ach", haben sie gar nicht gewusst, dass man das Zeug, das eingepackt gehört, sehen konnte. Nein, sie sind vor dem Spiegel gestanden und haben gedacht, dass blickdichte Kameras sie begleiten, wenn sie aus Limousinen kriechen oder die Rockschlitze bis zum Anschlag öffnen auf dem Red Carpet. (Der rote Teppich, ja, der war auch einmal etwas von großer Klasse. Jetzt rollt man den aus vor jedem Pawlatschen-Event.)

Sicherheitsnadel hätte geholfen
Manchmal wäre auch bei echten Stars ein bisschen weniger doch mehr. Roman Polanski führte seine Schauspieler-Ehefrau Emanuelle Seignier in Cannes stolz vor die Kameras, die beiden haben ja auch wirklich einen Film zu erzählen. Warum musste dann auch noch erzählt werden, wie es vom Hals bis zum Bauchnabel und beim Slip ausschaut? Eine Sicherheitsnadel hätte geholfen.

Wir sind also, was das exhibitionistische Schaulaufen betrifft, ganz unten angekommen. Nach der Schenkelgrätsche bleibt noch der Hintern, er ist inzwischen nackt bis auf eine transparente Haut, oder man legt eine ganze Backe frei.

Die Würde des Menschen ist unantastbar – kann man den Satz überhaupt noch so stehen lassen? Schreckliches Spiel zwischen Voyeuren und Publicity-Wracks. Denen beim Welken zuschauen in den Intimzonen. Junge Mädchen verbrennen sehen in diesem einen kurzen Moment, in dem sie der Welt eine Arschbacke statt einer Visitenkarte vorlegen.

Unsere Dancing Stars, auch weitgehend so ein Ensemble aus irgendwelchen Ex-Kombinationen, ist noch nicht ganz unten angekommen. Aber wie die dann alle daherkommen, fühlen sich plötzlich als Celebritys beim "Life Ball" und bei der Kirchweih, und natürlich muss eine eigene Fernsehsendung her, wenn man durch den Ballroom gehüpft ist. Die Befürchtung liegt im Raum, dass künftige Staffel-Teilnehmer den tragischen Trend zur Weltberühmtheit by heruntergelassener Hose aufgreifen werden, mit Verspätung, eh klar.

Sexbomben ohne Ablaufdatum?
Es sind keine schönen Bilder. Es sind Zeitdokumente der Verzweiflung. Sexbomben ohne Ablaufdatum, geht das? Melanie Griffith, Sonja Kirchberger, viele versuchen es. Und auf der Straße machen das auch immer mehr Frauen jeder Alters- und Gewichtsklasse nach.

Nach dem Zoom in die allerwerteste Zone – was für Möglichkeiten bleiben? Die Anatomie ist hiermit vollständig ausgereizt. Nichts mehr da, das man erotisch erahnen könnte. Wie damals, bei Marilyn Monroe im Film "Das verflixte siebente Jahr". Eleganz der Erotik. Sexappeal ohne Gruseleffekt. Ihr könnt euch alle wieder anziehen. Bitte, bitte!

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(Bild: kmm)



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