Große Mehrheit

Ägypten: Jubel bei Islamisten nach Ja zu Verfassung

Ausland
25.12.2012 20:20
Fast zwei Jahre nach dem Sturz von Langzeitpräsident Hosni Mubarak hat Ägypten eine neue, wenn auch höchst umstrittene Verfassung. Wie die Wahlkommission am Dienstagabend in Kairo verkündete, billigte eine Mehrheit von 63,8 Prozent der Wähler bei dem Referendum das fast ausschließlich von Islamisten geschriebene Regelwerk. Die Verfassung gibt den Islam-Gelehrten künftig mehr Einfluss und wird von Liberalen, Linken und Christen heftig kritisiert, die nun eine schärfere Auslegung der Scharia befürchten.

Die Beteiligung an dem Referendum habe laut der Wahlbehörde lediglich bei 32,9 Prozent gelegen. Damit stimmte nicht einmal ein Drittel der rund 52 Millionen Wahlberechtigten ab. Trotzdem muss nach dem erfolgten Votum in den nächsten zwei Monaten ein neues Parlament gewählt werden. Das erste nach dem Arabischen Frühling gewählte Unterhaus, in dem die Islamisten eine deutliche Mehrheit hatten, war im Sommer von einem Gericht aufgelöst worden.

Mursi-Gegner orten zahlreiche Wahlverstöße
Die nunmehrige Abstimmung war von chaotischen Zuständen geprägt, bereits kurz nach den beiden Abstimmungsrunden am 15. und 22. Dezember hatten die regierenden Islamisten von Präsident Mohammed Mursi den Sieg für sich reklamiert. Die Opposition wiederum wirft den Islamisten etliche Wahlrechtsverstöße vor. Die Wähler seien wie bereits beim ersten Wahldurchgang auch am Samstag wieder von Islamisten beeinflusst worden, berichteten Beobachter und ägyptische Medien. Zudem sollen Liberale, Linke und Christen in manchen Gebieten an der Stimmabgabe gehindert worden sein.

Mursis Kommunikationsminister trat zurück
Trotz des von den Islamisten gefeierten Erfolgs verlassen Präsident Mursi immer mehr Minister und Berater. Nach der Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses erklärte Kommunikationsminister Hani Mahmoud am Dienstag seinen Rücktritt. Er stimme mit der Kultur der Regierungsarbeit nicht überein, besonders in der gegenwärtigen Lage, schrieb der Kommunikationsminister im Kurznachrichtendienst Twitter im Internet. Angesichts Mursis Machtkampf mit der Justiz hatten dem Präsidenten zuletzt sieben seiner 17 Topberater den Rücken gekehrt. Viele erklärten, über keine der umstrittenen Entscheidungen Mursis konsultiert worden zu sein.

Opposition will "Kampf fortsetzen"
Nach der Verkündung des Ergebnisses erklärte die Opposition, es sei "durch Wahlbetrug, Verstöße und Unregelmäßigkeiten" zustande gekommen. Das größte Oppositionsbündnis des Landes, die Nationale Heilsfront - und kündigte an, das Ergebnis anzufechten. Ihre Hauptführer sind Friedensnobelpreisträger Mohamed ElBaradei, Ex-Außenminister Amr Moussa und der Linke Hamdeen Sabahy. "Das Referendum ist nicht das Ende, es ist nur ein Kampf", heißt es in einer Erklärung. "Wir werden den Kampf für das ägyptische Volk fortsetzen."

Mehr Einfluss für islamische Religionsgelehrte
Die Verfassung ist zwischen Mursis Islamisten und den laizistischen Kräften äußerst umstritten. Mit dem neuen Grundgesetz bekommen islamische Religionsgelehrte mehr Einfluss auf Staat und Gesellschaft. Die Mursi-Gegner befürchten eine strengere Auslegung des islamischen Rechts, der Scharia, die auch in dem neuen Regelwerk wichtigste Quelle der Gesetzgebung bleibt. Zudem sehen sie sich in dem Verfassungsentwurf überhaupt nicht repräsentiert.

Massenproteste und tödliche Krawalle
Der Machtkampf um die erste Verfassung nach dem Sturz Mubaraks hat in dem bevölkerungsreichsten arabischen Land immer wieder Massenproteste und tödliche Krawalle ausgelöst. Auch die beiden Wahlgänge des Referendums wurden von massiven Unruhen begleitet.

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