Eilige Eitelkeiten

Festival of Speed: Schräges & Starkes in Goodwood

Motor
07.07.2012 11:12
Sie schlürfen Austern vom Pappteller und nippen Champagner aus Plastikkelchen: Beim Festival of Speed in Goodwood ist die Strecke gesäumt von reichen Rasern mit großen Garagen. Kein Wunder, dass zwischen den alten Rennwagen jede Menge neuer Traumautos den Hügel hinaufjagen.
(Bild: kmm)

So etwas sehen selbst die Reichen und Schönen nicht alle Tage: Ein Rolls-Royce als Pace Car auf einer Rennstrecke – das gibt es nur beim Festival of Speed in Goodwood. Denn erstens ist die luxuriöse BMW-Tochter mit ihrer Manufaktur so etwas wie ein Untermieter auf den weitläufigen Latifundien von Gastgeber Earl of March. Und zweitens ist die PS-stärkste Gartenparty der Welt längst keine Oldtimer-Parade mehr. Traditionell ist der Hill Climb vor über hunderttausend Gästen auch ein Schaulaufen der eiligen Eitelkeiten, bei dem zahlreiche neue Traumwagen und Prototypen auf die knapp zwei Kilometer lange Strecke gehen. Denn wo reiche Raser in Champagnerlaune der Lust an der Leistung frönen, lässt sich manch gutes Geschäft machen.

Der gestreckte Rolls-Royce Ghost des Renndirektors war deshalb mit weitem Abstand nicht der teuerste Neuwagen auf dem Feldweg Richtung Goodwood House. Vor allem im Vergleich zur Aufstellung für den Michelin Supercar Run war der Gute Geist aus Goodwood fast noch ein Schnäppchen: Wann und wo sonst sieht man schließlich zwei Bugatti, einen Gumpert Apollo, einen Pagani, ein paar Ferrari und einen Lamborghini Avantador, einen Spyker und allerlei andere Tiefflieger auf einer Strecke?

Ausblicke in exklusivem Rahmen
Aber es waren nicht allein die Supersportwagen, die sich am letzten Wochenende bei den potenziellen Käufern mit einem kurzen aber schnellen Sprint in Erinnerung gerufen haben. Wie flüchtige Boten aus der Zukunft sind auch ein paar Prototypen den Hügel hinaufgeschossen, die man ohne Tarnung erst auf den Messen von Morgen zu sehen bekommt. Renault zum Beispiel hat schon vor der Weltpremiere in Paris den neuen Clio nach England geflogen, und sich dabei zum Festival of Speed natürlich für die kommende RS-Version entschieden. Aus dem verplombten Container im Paddock-Club hat Jaguar-Cheftestfahrer Mike Cross zweimal für jeweils zehn Minuten den neuen Jaguar F-Type-Roadster ans Licht geholt. Und die schnelle Mercedes-Tochter AMG hat kurz nach der Enthüllung des CLS Shooting Brake ihre Powervariante des Lifestyle-Kombis zur Jungfernfahrt geschickt. Allerdings war der Luxuslaster noch so sehr mit Tarnfolie im Safari-Look beklebt, dass er auf dem schlammigen Weg zur Startaufstellung eher an Daktaris Dienstwagen als an ein Designer-Auto erinnert hat.

Selbst Designstudien wie der elektrisch angetriebene Infiniti Emerge-E und Technologieträger wie ein elektrischer Morgan oder der Jaguar C-X75 stehen in der Starterliste. Und ein paar Serienneuheiten hat die Autoshow auf Achse auch zu bieten. So sieht man in Goodwood zum ersten Mal den überarbeiteten Infiniti M35h, als er mit quietschenden und qualmenden Reifen aus der Startallee schießt, Bentley nutzt den Hillclimb für die Jungfernfahrt des Continental Speed als schnellstem Serienmodell in der Firmengeschichte, und Opel zelebriert beim Earl of March die Englandpremiere des Astra OPC mit Vauxhall-Logo.

Vollgas rückwärts in die Zukunft
Unter den neuen Serienwagen waren zwar spektakuläre Autos wie der Bugatti Veyron, der Gumpert Apollo und der Pagani Huayra. Aber die vielleicht größte Show hat Stuntfahrer Terry Grant ausgerechnet im Nissan Leaf abgezogen, als er den Hill Climb mit Vollgas im Rückwärtsgang genommen und einen Schnitt von fast 90 km/h erreicht hat. Doch der absolute Publikumsliebling war der frisch überarbeitete McLaren MP4-12C. Nicht dass man der Karbonflunder aus Woking die 25 PS mehr tatsächlich angesehen hätte, die der V8-Doppelturbo mit dem Wechsel des Modelljahres spendiert bekommt. Doch war der Wagen so lackiert, dass er bei jedem Durchgang Standing Ovations bekommen hat. Was sollten die Briten sonst auch tun, wenn ihnen plötzlich die Nationalflagge vor Augen weht?

Der Auftritt in Goodwood ist ein teures Vergnügen. So soll zum Beispiel Lotus allein 500.000 Pfund bezahlt haben, damit die große Skulptur vor dem Stammhaus des Grafen ihre Rennwagen trägt. Die Infiniti-Lounge in den alten Stallungen gibt es auch nicht umsonst. Und manche Stände auf dem Cricket-Rasen sind größer als in Frankfurt bei der IAA (und die sind schon groß). Doch das Geld ist offenbar gut angelegt. Denn in den großen Zelten und Lounges, auf den Terrassen und den Plastikstühlen unter den weißen Sonnenschirmen werden am Rande der Rennen zahlreiche Autos verkauft. Von den 50 für Europa reservierten Infiniti FX by Sebastian Vettel zum Beispiel, der mit dem Weltmeister am Steuer ebenfalls den Hügel hinauf startete, hatte die Nissan-Tochter vor dem Wochenende erst zehn verkauft. "Aber wir sind sicher, dass sich diese Zahl in den nächsten Stunden deutlich steigern wird", sagte ein Sprecher zu Beginn des Festivals.

Auch der Einsatz des Rolls-Royce als Pace Car hat sich gelohnt – vor allem für Kunden in notorisch verstopften Großstädten. Denn bislang waren die Stroboskopleuchten auf dem Dach des Luxusliners eines der ganz wenigen Extras, das man bei den Briten auch für Geld und gute Worte nicht bekommen konnte, beichtet ein Zaungast aus dem benachbarten Werk: "Aber vielleicht sollten wir das mit Rücksicht auf die Verkehrslage in Moskau, Peking oder Delhi doch noch einmal überdenken."

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(Bild: kmm)



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