Nikolic und Dacic

Serbien: Alte Milosevic-Kader an der Staatsspitze

Ausland
22.05.2012 15:02
Der neue serbische Präsident Tomislav Nikolic hatte eineinhalb Jahrzehnte für Großserbien gekämpft - für dieses Ziel war er als Freiwilliger in den Krieg gegen Kroatien gezogen. Der bisherige Vizepremier Ivica Dacic war über zehn Jahre enger Mitarbeiter von Slobodan Milosevic, des Hauptdrahtziehers der Jugoslawien-Kriege. Nikolic (Bild 2) entschied die Präsidentenwahl am Sonntag für sich, Dacic (Bild 3) ist der eigentliche Sieger der Parlamentswahl vor zwei Wochen - und will Regierungschef werden.

Diese beiden Spitzenfunktionäre waren wichtige Stützen des Regimes von Milosevic, der 2006 im Gefängnis des UNO-Kriegsverbrechertribunals in Den Haag einem Herzinfarkt erlag. Seitdem haben sich Nikolic, Ex-Ultranationalist und ehemaliger glühender Verehrer des mutmaßlichen serbischen Kriegsverbrechers Vojislav Seselj, sowie Dacic – nach eigenen Aussagen – zu Demokraten und Europäern gewandelt. Doch das Erstarken der zwei Politiker weckt in Brüssel und Washington Befürchtungen, dass Serbien als zentrales Balkanland wieder in Richtung Vergangenheit marschiert.

EU, NATO und IWF als Feindbilder?
Schon einen Tag nach der Wahl von Nikolic weisen heimische Kommentatoren darauf hin, dass dieser früher oder später für die Unterstützung der national-konservativen Demokratischen Partei Serbiens des früheren Regierungschefs Vojislav Kostunica "bezahlen" muss. Im Gespräch seien demnach Volksabstimmungen über die zukünftige politische und militärische Neutralität Serbiens, wie sie seit Langem von Kostunica gefordert wird – und das richte sich klar gegen EU und NATO.

Dacic wiederum hatte wiederholt angekündigt, der Internationale Währungsfonds müsse "das Land verlassen - je früher desto besser". Die "bisher neoliberale Politik" müsse von Grund auf geändert werden. Die Einkommen der öffentlich Beschäftigten müssten ebenso steigen wie die Pensionen und die sozialen Zuschüsse. Der IWF hingegen hatte drastische Kürzungen der Staatsausgaben verlangt, um die wirtschaftliche Katastrophe abzuwenden. Doch die Privatisierung der Staatsbetriebe wie zum Beispiel des Stromsektors, der Telekom oder der größten Versicherung Dunav müssen nach Überzeugung von Dacic gestoppt, alte Maßnahmen dieser Art sogar rückgängig gemacht werden.

Dacic schließt Kosovo-Krieg nicht aus
Im vergangenen Februar drohte Dacic als Innenminister mit der Errichtung russischer Militärbasen auf serbischem Gebiet, sollte der Westen seinem Land weiter immer neue Bedingungen stellen. Zur Rückeroberung des mehrheitlich von Albanern bewohnten Kosovo, der sich nach Krieg und UNO-Übergangsverwaltung vor vier Jahren mit Rückendeckung der meisten EU-Länder für unabhängig erklärte, schloss er Krieg nicht aus. Auch Nikolic hat Russland immer wieder als das erste politische Ziel seiner Wünsche bezeichnet - die russische Nationalhymne als Klingelton auf seinem Handy ist vor diesem Hintergrund mehr als eine Marotte.

Der Aufstieg der alten Kader an die Spitzen von Staat und Wirtschaft war erst vom langjährigen Staatschef Boris Tadic ermöglicht worden, der sowohl bei der Präsidenten- als auch bei der Parlamentswahl gescheitert ist. Er hatte die "historische Versöhnung" zwischen seinen Demokraten und den Milosevic-Sozialisten unter Dacic durchgesetzt. Letztere, die mehr als ein Jahrzehnt die Demokraten mit Militär- und Polizeimaßnahmen verfolgt und mit Prozessen überzogen hatten, wurde mit massiver Hilfe des Westens ins Regierungsboot Tadics geholt. Opfer und Täter wurden gleichgesetzt. Diese Saat droht jetzt aufzugehen.

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