Euro-Referendum?

Verwirrung um angeblichen Merkel-Vorschlag an Athen

Ausland
18.05.2012 19:48
Für Verwirrung sorgte am Freitagabend eine Meldung aus Athen: Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel habe Griechenland in einem Telefongespräch mit Präsident Karolos Papoulias eine Volksabstimmung über den Verbleib des Landes in der Euro-Zone vorgeschlagen, teilte das Büro von Übergangspremier Panagiotis Pikrammenos mit. Doch kurz darauf folgte schon das Dementi aus Deutschland: "Diese Berichte treffen nicht zu", sagte eine Regierungssprecherin in Berlin. Nähere Angaben machte sie nicht.

Zuvor hatte der Sprecher der griechischen Regierung, Dimitris Tsiodras, der Nachrichtenagentur dpa noch erklärt: "Es ist wahr." Alle griechischen Parteien seien über Merkels Vorschlag informiert worden. Als Datum für das Referendum hätte Merkel den 17. Juni vorgeschlagen - an diesem Tag finden auch die Neuwahlen zum griechischen Parlament statt.

Griechische Parteien empört
Die griechischen Parteien reagierten empört auf die Mitteilung ihrer Regierung. Die konservative Neue Demokratie (ND) erklärte: "Das griechische Volk braucht kein Referendum, um zu beweisen, dass es im Euro-Land bleiben will. Das griechische Volk verdient aber den Respekt seiner Partner. Der heutige Vorschlag von Frau Merkel über ein Referendum inmitten der Wahlkampfzeit kann nicht akzeptiert werden. Sie wendet sich an das griechische Volk in der falschen Stunde mit der falschen Nachricht."

Aus Kreisen der sozialistischen PASOK hieß es, Referenden würden grundsätzlich nicht vom Ausland vorgeschlagen. Die Kommunistische Partei nannte den angeblichen Vorschlag Merkels eine "Erpressung". Auch Nikos Hountis, Abgeordneter der Linkradikalen, sagte im griechischen Fernsehen: "Frau Merkel interveniert grob in die Angelegenheiten des Landes."

Griechische Verfassungsexperten nannten den angeblichen Vorschlag Merkels "absurd". Gemäß der Verfassung könne nur eine gewählte Regierung ein Referendum vorschlagen, "nicht eine Interimsregierung, wie wir jetzt eine haben", sagte etwa der bekannte Professor Giorgos Sotirelis im staatlichen Fernsehen. Zudem müsste das Referendum vom Parlament genehmigt werden – und dieses werde aber an Samstag aufgelöst, um Neuwahlen zu ermöglichen.

Bereits im November vergangenen Jahres hatte der damalige griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou die Organisation einer Volksabstimmung zum Thema vorgeschlagen. Das war damals jedoch auf starken Widerspruch unter anderem aus Berlin und Paris gestoßen.

Streit in EU-Kommission
In der EU-Kommission gibt es indes Streit über den weiteren Umgang mit Griechenland. Währungskommissar Olli Rehn wies am Freitag Äußerungen seines Kommissionskollegen Karel De Gucht über Planspiele eines Ausscheidens des südosteuropäischen Landes aus der Euro-Zone zurück. "Wir arbeiten nicht am Szenario eines griechischen Austritts", erklärte Rehn nach Angaben eines Sprechers in London - das Gegenteil sei der Fall. Im Übrigen sei er, Rehn, und nicht De Gucht für Finanz-und Währungsfragen verantwortlich.

EU-Handelskommissar De Gucht hatte in einem Interview mit der belgischen Zeitung "De Standaard" von Notfall-Szenarien für ein Ausscheiden Griechenlands aus der Euro-Zone gesprochen. "Vor eineinhalb Jahren mag die Gefahr eines Domino-Effekts bestanden haben", sagte De Gucht. Aber nun stellten sich Stäbe der EZB und der EU-Kommission auch darauf ein, "dass es Griechenland nicht schafft". Die Aussagen De Guchts lassen aufhorchen, räumte bisher doch kein Vertreter der EU-Kommission die Existenz von Notfallplänen für einen griechischen Euro-Austritt öffentlich ein.

Wie Rehn widersprach auch EZB-Führungsmitglied Jose Manuel Gonzalez-Paramo Handelskommissar De Grucht: Die EZB wolle Hellas im Euro halten, sagte der Spanier. Sein Land droht nach einem Rundumschlag der Ratingagentur Moody's gegen den dortigen Bankensektor noch stärker in den Strudel der Schulden-Krise zu geraten und der zweite große Brandherd der Euro-Zone zu werden.

Neue Umfrage lässt Sparbefürworter hoffen
In Griechenland wittert das vermeintlich bereits auf verlorenem Posten stehende Lager der Sparbefürworter wieder Morgenluft: In der ersten Umfrage seit dem Scheitern der Regierungsgespräche und der Ausrufung von Neuwahlen kamen die konservative ND und die PASOK zusammen auf genügend Mandate, um eine Koalition bilden zu können. Zuletzt hatte das radikale Linksbündnis SYRIZA, das den von der EU und dem IWF zur Bedingung gemachten Sparkurs ablehnt, in Umfragen vorne gelegen. Das schürte Sorgen, das schuldengeplagte Griechenland könne sich von der Euro-Zone verabschieden und direkt in den Staatsbankrott schlittern.

Auch wenn es noch einen Monat bis zur Wahl am 17. Juni hin ist und Experten davor warnen, einer einzelnen Umfrage zu viel Gewicht einzuräumen, so könnte die jüngste Erhebung doch auf eine Trendwende hindeuten. Die Griechen machten sich nach dem Platzen der Regierungsgespräche vor wenigen Tagen offenbar Sorgen wegen eines möglichen Abschieds aus der Euro-Zone, sagte der Analyst John Loulis.

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