Prozesstag 3

Breivik fordert für sich “Freispruch oder Todesstrafe”

Ausland
18.04.2012 15:15
Mit einem höchst merkwürdigen Sager hat Anders Breivik am Mittwoch Einblicke in sein Seelenleben gegeben. "Ich akzeptiere in diesem Prozess nur einen Freispruch oder die Todesstrafe. Ins Gefängnis zu gehen, wäre für mich unerträglich", lässt der 77-fache Mörder die Anwesenden wissen. In den Stunden zuvor hatte es die Staatsanwältin ein ums andere Mal geschafft, Breiviks Wahngebäude durch gezieltes Nachfragen ins Wanken zu bringen.

21 Jahre Haft beträgt die Höchststrafe, die auf Breivik wartet - sofern er schuldfähig ist. Andernfalls droht ihm eine dauerhafte Einweisung in die Psychiatrie. Doch beides ist für den 77-fachen Mörder - laut eigener Aussage - "lächerlich" beziehungsweise "unerträglich". Er erwartet von den Richtern entweder die Todesstrafe oder einen Freispruch. "Alle anderen Entscheidungen kann ich nicht akzeptieren", sagt der 33-Jährige bei seiner Befragung am Mittwoch. Er bedauere, dass am Vortag Schöffe Thomas Indebrö abgesetzt wurde, der für Breivik den Tod gefordert hatte (siehe Infobox). Dass diese Art der Bestrafung in Norwegen bereits 1905 abgeschafft wurde, interessiert Breivik offenbar nicht.

Bei ihrer Befragung entlockt Staatsanwältin Inga Bejer Engh dem Attentäter an diesem Tag noch manch anderen aufschlussreichen Sager, treibt ihn immer wieder in die Enge. Sie spricht mit ihm zwar in ruhigem Ton und nickt immer wieder, sagt öfter "Ja" und "Okay". Aber anders als am Vortag stellt sie diesmal schnelle Nachfragen, um Breivik keine Zeit zum Überlegen zu lassen. Sie ist konfrontativer geworden. Breivik schaut ihr oft in die Augen, antwortet aber - wenn überhaupt - nur kurz.

"Wen meinen Sie, wenn Sie 'Wir' sagen?"
Vor allem dann, wenn Breivik in der "Wir"-Form redet, hakt die Staatsanwältin nach: "Wen meinen Sie damit genau?" Doch Breivik sagt nur: "Darüber kann ich nicht reden." Auch auf Nachfragen zu der vermeintlichen Tempelritter-Organisation schweigt er großteils. Nur so viel verrät er: Es sind vier Personen.

Polizei und Staatsanwälte glauben allerdings, dass die Organisation nur ein Hirngespinst Breiviks ist. Er wird wütend, als Engh nachbohrt. "Im Polizeiverhör haben Sie noch von zwölf Tempelrittern gesprochen, jetzt sind es plötzlich nur noch vier. Welche Angabe stimmt denn nun?" Breivik reibt sich die Augen, schluckt schwer, redet sich auf mögliche Erinnerungslücken heraus. Dann geht er zum Gegenangriff über: "Sie sollten weniger Gewicht darauf legen, mich lächerlich zu machen. Sonst können wir die nächsten Stunden der Befragung eigentlich überspringen", sagt er an Engh gerichtet.

Staatsanwältin weist Breivik zurecht
Doch die lässt sich die Butter nicht vom Brot nehmen. "Welche Fragen hier gestellt werden, bestimme immer noch ich - und nicht Sie! Außerdem würden Sie davon profitieren, wenn Sie uns von ihren Kontakten berichten. Denn wenn Sie nicht antworten, kann das gegen Sie verwendet werden."

Schon kurz vor Ende des vorherigen Verhandlungstages hatte sich abgezeichnet, dass Engh ab sofort einen anderen, weniger freundlichen Ton bei ihrer Befragung anschlagen würde. Schon am Dienstag waren es vor allem Fragen zu seiner Biografie, die Breivik ins Schleudern brachten. So habe er behauptet, sein Hass gegen Ausländer sei dadurch geschürt worden, dass ein Moslem ihm einst bei einer Schlägerei die Nase gebrochen habe.

Nasen-OP enttarnt falsche Darstellung Breiviks
Doch Engh konfrontierte ihn auch hier mit unangenehmen Fakten: Wieso hat er den Vorfall niemals angezeigt? Und vor allem: Wieso gibt es keinerlei nachweisbare Spuren für den Bruch? Im Gegenteil: Bei Untersuchungen kam heraus, dass Breivik sich einst die Nase von einem Chirurgen verschönern ließ - und zwar weit nach der angeblichen Schlägerei. Doch auch der sah nichts von einer vorherigen Verletzung des Knochens. Später räumte Breivik dann ein, dass er nicht mehr so genau wisse, was einst zu seiner Radikalisierung geführt habe.

Die Staatsanwältin kommt ihrem Ziel derweil immer näher: Sie will zeigen, dass die vermeintlich deutlichen Schilderungen aus Breiviks Manifest wohl vor allem seiner Fantasie entsprungen sind, dass Fakten nachträglich geschönt und angepasst wurden. Nicht die Realität hat seine Ideologie beeinflusst, sondern die Ideologie seine Realität.

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