Nach der Wahl

Medwedew lässt Chodorkowski-Urteil überprüfen

Ausland
05.03.2012 13:53
Unmittelbar nach der Präsidentschaftswahl in Russland hat der scheidende Staatschef Dmitri Medwedew am Montag überraschend die Justiz angewiesen, die Urteile gegen den Kreml-Kritiker Michail Chodorkowski zu prüfen. Die Anwälte des früheren Ölunternehmers reagierten jedoch skeptisch auf die Anordnung des künftigen Premiers. Auch Menschenrechtsaktivisten sahen kaum Hoffnung, dass Chodorkowski vor dem Ende seiner Haftzeit im Jahr 2016 freikommt.

Medwedew habe Generalstaatsanwalt Juri Tschaika beauftragt, bis 1. April "die Rechtmäßigkeit und die Richtigkeit der Verurteilung" von 32 russischen Staatsbürgern zu überprüfen, teilte der Kreml mit. Neben dem Ölunternehmer Chodorkowski betrifft die Überprüfung demnach auch dessen früheren Geschäftspartner Platon Lebedew.

Vorstoß nach Treffen mit Opposition
Ein Treffen mit Oppositionsvertretern habe Medwedew zu dieser Anordnung bewogen, teilte der Kreml mit. Bei der Zusammenkunft am 20. Februar hatten Vertreter von nicht registrierten und oppositionellen Parteien eine Liste mit Namen von ihrer Meinung nach "politischen Gefangenen" übergeben. Die Freilassung derselben ist eine der zentralen Forderungen der Protestbewegung, die sich nach den umstrittenen Parlamentswahlen im Dezember gegen die Führung um Medwedew und seinen Amtsnachfolger, Noch-Regierungschef Wladimir Putin, formiert hatte.

Die Anordnung des Staatschefs, die Urteile zu prüfen, wurde nur wenige Stunden vor einer neuen Kundgebung der Opposition in Moskau bekannt. "Die Macht hat eine Geste des guten Willens gemacht, um die Opposition zu beschwichtigen", sagte dazu der Politikexperte Igor Bunin.

"Chodorkowski ist ein Gefangener Putins"
"Die Affäre Chodorkowski ist eine Affäre der Ära Putin. Er ist ein Gefangener Putins", sagte einer der Anwälte des Ex-Ölmagnaten, Juri Schmidt, am Montag. "Solange Putin nicht das Signal für eine Abänderung der Urteile gibt, wird die Staatsanwaltschaft zu dem Schluss kommen, dass die Urteile fundiert sind", ergänzte er. Die Anordnung Medwedews könne demnach lediglich eine "Formalität" sein, die nichts zu bedeuten habe. Bisher hatten sich alle Hoffnungen auf eine vorzeitige Entlassung oder Begnadigung des einst reichsten Mannes Russlands stets zerschlagen.

Jahrelange Haft nach umstrittenen Prozessen
Chodorkowski und sein Geschäftspartner Lebedew waren 2003 festgenommen worden. In einem ersten Prozess wurden sie wegen Betrugs und Steuerhinterziehung zu einer Haftstrafe von acht Jahren verurteilt. Kurz vor dem Ende ihrer Haftzeit wurden sie in einem umstrittenen zweiten Prozess im Dezember 2010 wegen Unterschlagung und Geldwäsche erneut verurteilt und sollen nun bis zum Jahr 2016 in Haft bleiben.

Kritiker machen Putin für die Verurteilungen verantwortlich. Chodorkowski hatte sich vor seiner Festnahme zunehmend für die Opposition stark gemacht und eigene Interessen im Energiesektor vertreten, die denen staatlicher Unternehmen zuwiderliefen. Es war gemutmaßt worden, dass sich Putin mit der Verurteilung Chodorkowskis bis zur Präsidentschaftswahl einen unliebsamen Kritiker und Rivalen vom Hals halten wollte.

Putin wieder Präsident, Medwedew Premier

Putin gewann den Urnengang am Sonntag bereits in der ersten Runde mit knapp 64 Prozent der Stimmen (siehe Infobox). Sein Vertrauter Medwedew soll ihm nun als Regierungschef nachfolgen.

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