Entscheidung „dämlich“
Putin-Erlass schadet österreichischen Firmen
Russlands Staatschef Wladimir Putin hat beschlossen, die Anwendung der meisten Bestimmungen des bilateralen Doppelbesteuerungsabkommens mit Österreich zu suspendieren. Für österreichische Unternehmen in Russland dürfte dieser Schritt sofortige steuerliche Folgen haben und zu weiteren Verschlechterungen führen.
„Die Suspendierung ist einseitig, auf der österreichischen Seite ist das Abkommen noch in Geltung und daher betrifft das vor allem österreichische Unternehmen mit Investitionen in Russland oder sonstige Investoren, die in Österreich steuerlich ansässig sind und von hier aus in Russland investiert haben“, erklärte der Steuerrechtsexperte Dimitar Hristov vom Wiener Büro der Anwaltskanzlei DLA Piper. Dies bedeute, dass Russland für diese Unternehmen die im Doppelbesteuerungsabkommen vorgesehenen Steuersätze bei Dividenden, Zinsen und Lizenzen aussetze und diese Firmen auf den russischen Steuersatz hochgeschleust würden. Je nach Einkommensart habe der Steuersatz laut Abkommen bisher zwischen null und 15 Prozent ausgemacht. Der übliche Satz für ausländische Investoren in Russland betrage aber zwischen 15 und 30 Prozent, erläuterte der Experte.
Große österreichische Unternehmen betroffen
Hristov ging davon aus, dass die Entscheidung Putins etwa für die großen österreichischen Unternehmen mit Aktivitäten in Russland ab sofort relevant sei. Der Erlass vom 8. August sei zwar nicht ganz so deutlich formuliert. „Aber wie funktioniert das in der Praxis? Die großen Unternehmen fragen ihre lokalen Berater und die werden sagen - wir wissen es nicht, aber wahrscheinlich ist, dass das ab jetzt abwendbar ist. Ich kann mir auch vorstellen, dass sie vom russischen Finanzministerium die gleiche Antwort bekommen“, sagte er.
Dass man so etwas macht, halte ich jetzt relativ objektiv für dämlich.
Steuerrechtsexperte Dimitar Hristov über Putins Schritt
„Unfreundliche Staaten“ im Fokus
Im Zusammenhang mit der russischen Suspendierung von Antidiskriminierungsnormen im Abkommen rechnete der Experte zudem damit, dass Russland spezielle Regeln einführen werde, die auf Investoren aus „unfreundlichen Ländern“ abzielen. Abgesehen vom bilateralen Doppelbesteuerungsabkommen mit Österreich suspendierte Putin am Dienstag auch Bestimmungen in 37 weiteren bilateralen Abkommen mit Staaten, die Russland offiziell als „unfreundlich“ klassifiziert hat.
Dass Russland im österreichischen und auch in den anderen Abkommen gleichzeitig einige Bestimmungen weiter befolgen will, sieht der Experte im Zusammenhang mit dem Schutz russischer Investoreninteressen: „Ich vermute, dass man sich damit vorbehalten will, Investoren aus Russland trotz Suspendierung des Abkommens vor einer ausländischen Doppelbesteuerung zu schützen“, erklärte er. Denn in Russland existierten seines Wissens keine Bestimmungen, die bei Fehlen eines Doppelbesteuerungsabkommens die Vermeidung der Doppelbesteuerung vorsehen würden. In Österreich könnten hingegen diesbezügliche Anträge laut der Bundesabgabenordnung beim Finanzministerium gestellt werden.
Der Experte erachtete eine baldige Kündigung des österreichisch-russischen Doppelbesteuerungsabkommen für möglich. Nicht nur Putin habe dies im Erlass angeregt. Eingeleitet könnte die formale Beendigung des Abkommens, die formal derzeit frühestens mit dem 1. Jänner 2025 möglich wäre, auch von Wien aus werden. Derart könnte man rechtskonform auf die völkerrechtswidrige Suspendierung des Abkommens durch Russland reagieren. Die anderen vom Putin-Erlass betroffenen 37 Staaten könnten analog handeln.
Verlagerungen auf eine „Zwischenebene“
Als Konsequenz der Beendigung dieser Abkommen von Russland mit dem Westen erwartet der Steuerrechtsexperte - ähnlich wie beim Sanktionsregime gegen Russland - Verlagerungen auf eine „Zwischenebene“. „Es gibt viele Staaten, die mit Russland halbfreundliche oder freundliche Beziehungen und gleichzeitig auch mit uns halbfreundliche Beziehungen unterhalten“, sagte er. Die Vereinigten Arabischen Emirate, Hongkong, die Türkei und auch Serbien hätten sowohl mit dem Westen als auch mit Russland Doppelbesteuerungsabkommen und seien nicht vom Putin-Erlass betroffen.
Keine wirtschaftliche Sinnhaftigkeit
Vor dem Hintergrund dieser Ausweichlösungen sowie eines zu erwartenden weiteren Rückzugs von westlichen Investoren kann der Jurist indes keine wirtschaftliche Sinnhaftigkeit der aktuellen Entscheidung Putins erkennen. Angesichts eines langsamen Niedergangs der russischen Wirtschaft müsste Moskau eigentlich Interesse haben, westliche Unternehmen zu halten und nicht Doppelbesteuerungsabkommen zu suspendieren, erläuterte er. „Dass man so etwas macht, halte ich jetzt relativ objektiv für dämlich“, sagte Hristov.
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