34 Jahre Martyrium
Prozess gegen deutschen Inzest-Vater hat begonnen
Im Rollstuhl wurde Adolf B. in den Gerichtssaal geschoben. Den Fuß hatte er sich im Gefängnis gebrochen, auch sonst ging es ihm nicht gut. Seit 1995 ist der 69-Jährige Pensionist. Damals hatte seine Tochter Renate, so sagt sie selbst, ihm heimlich Schlafmittel verabreicht, weil sie ihn von sich fernhalten wollte. B. stürzte, brach sich den Schädel, wurde Frühpensionist.
Renate habe an jenem Tag nur deshalb nicht gewollt, weil er "besoffen" gewesen sei, sagte B. Dass seiner Tochter ihm das Schlafmittel gegeben hat, weil seine Annäherungen für sie nicht freiwilliger Sex, sondern Vergewaltigungen waren, wollte B. nicht glauben - so, wie ihm viele unangenehme Wahrheiten offenbar nicht passen.
Es ist ein unfassbarer Fall, der sich mitten in dem fränkischen Dorf Willmersbach mit gerade einmal etwas mehr als 300 Einwohnern abgespielt haben soll. Seit ihrem zwölften Lebensjahr soll sich der Angeklagte über seine Tochter hergemacht haben, 34 Jahre lang. Gesichert ist, dass diese drei Söhne vom Vater bekam - zwei starben kurz nach der Geburt, der lebende Sohn ist behindert. Im Ort wollten viele schon lange etwas geahnt haben. Doch niemand ging zur Polizei. So endeten die Übergriffe erst, als die Tochter selbst straffällig wurde und sich ihrer Bewährungshelferin anvertraute. Im März kam ihr Vater ins Gefängnis.
Anklage spricht von 500 Vergewaltigungen
In der Anklage vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth war von knapp 500 Vergewaltigungen die Rede. Im Elternbett, im Schlafzimmer der Tochter und auf dem Rücksitz ihres Autos sollen Adolf B. ihr Gewalt angetan haben. B. soll im Auto sein Messer genommen und seine Tochter bedroht haben, bevor er gewaltsam in sie eindrang. Schläge, Haareziehen und anderes gehörten für ihn dazu.
Doch der Angeklagte wollte nichts von den Vorwürfen wissen. Geschlechtsverkehr gab es, das gab er zu. Das erste Mal aber nicht mit zwölf, sondern 1982 - da war seine Tochter 17 Jahre alt. Von Zwang könne keine Rede sein. Er habe sich ausgezogen, sie habe sich ausgezogen. "Da hat sie selber mitgemacht." Und danach hätten sie dann beide Fernsehen geschaut. Später dann sei sie es gewesen, die mit ihm mit dem Auto in den Wald fahren und dort Sex haben wollte.
Schon die Schilderung des angeblich ersten von unzähligen Fällen - von zweimal Sex pro Woche sprach B. selbst - ließ Zweifel aufkommen, dass der Mann die Wahrheit sagte. Wo denn seine Frau gewesen sei und der Rest der Familie, fragte die Staatsanwältin. Darauf hatte B. keine Antwort, außer, dass sie weg gewesen seien. Weil seine Frau keinen Führerschein hat, es im Ort keine Wirtschaft zum Ausgehen gab und die Familie isoliert war, wurde B. nicht geglaubt.
Angeklagter ist Analphabet
Es fiel schwer, vom Angeklagten klare Aussagen zu bekommen. Denn ein Problem des Falls war die geringe Intelligenz aller Beteiligten. Der Vater ist Analphabet, er war früher Hilfsarbeiter. Die mangelnde Intelligenz der Tochter soll ein wesentlicher Grund gewesen sein, weshalb sie in all den Jahren keine Möglichkeit fand, sich von ihrem autoritären Vater zu lösen. Doch Richter Günther Heydner scheint ihr zu glauben. Er wolle im Falle einer Verurteilung auch die verjährten Vergewaltigungen verschärfend berücksichtigen. Außerdem brachte er eine Sicherungsverwahrung des Angeklagten ins Spiel.
Für Renate B. könnte eine Verurteilung so zu einer späten Erlösung werden. Sie ist mit 46 Jahren zu Hause ausgezogen. Auch ihre Mutter, die bei einigen Vergewaltigungen mit im Bett gelegen sein soll, ließ sie so hinter sich. Ebenso wie das Dorf, in dem ihr niemand half.
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