Highlight in Linz

Arctic Monkeys: Verschmelzung der Klangwelten

Pop-Rock
25.04.2023 10:59

Rund 9000 Fans bejubelten Montagabend den Europa-Tourauftakt der Arctic Monkeys in der randvollen Linzerarena. Mit einer Mischung aus alten Indie-Disco-Hits und glamourösen 70er-Referenzen der Neuzeit zeigten sich die Briten in der Live-Form ihres Lebens. 

(Bild: kmm)

Direkt vor der großen Bühne der Linzerarena ist eine überdimensionale Disco-Kugel von schwarzen Vorhängen umhüllt. Während die rund 9000 Fans auf die Arctic Monkeys warten, ertönen in der Umbauphase Funk-, Disco- und Soul-Hits aus den späten 70er-Jahren. Studio 54 trifft auf „Saturday Night Live“, doch die Kugel bleibt verdeckt. Die grandiose Stimmung von den Rängen wurde zuvor schon der Supportband zuteil. Die Iren Inhaler begeistern mit ihrer Mischung aus Alternative Rock, großen Stadionmomenten und etwas Kitsch vor allem die jüngeren Fans, schließlich erreichten die Burschen mit ihren zwei Alben „It Won’t Always Be Like This“ (2021) und „Cuts & Bruises“ (2023) respektable Chartplätze und konnten sich eine erkleckliche Fanschar erspielen.

Lichtermeer beim Support
Der charismatische Frontmann ist ein gewisser Elijah Hewson und niemand Geringerer als der Sohn von U2-Weltverbesserer Bono. Die Liebe zum Rampenlicht und das Selbstvertrauen hat er sich markant vom Vater geborgt, das ausufernde Pathos bleibt zum Glück noch meist in der Lederjackentasche, stattdessen nutzen die Jungs ihr 40-Minuten-Set lieber, um so viele Songs wie möglich zum Besten zu geben. Handwerklich ist daran nichts auszusetzen, aber man merkt der Combo auf Dauer doch noch eine gewisse Hüftsteife an, was aber natürlich auch daran liegen kann, dass das Linz-Konzert das allererste auf dieser taufrischen Tour ist. Dennoch beeindruckend: bei der Ballade „If You’re Gonna Break My Heart“ verwandelt sich die Arena in ein Handylichtermeer - sieht man bei Vorgruppen auch nicht alle Tage.

Die Arctic Monkeys indes haben sich schon im März in Asien eingegroovt und in ihrer alten britischen Heimat Konzerte gegeben. Ihr im Oktober 2022 veröffentlichtes Album „The Car“ ist eine weitere musikalische Überraschung, das zwischen gediegenem Lounge-Pop, Vintage-70er-Referenzen und dandyhafter Grandezza mäandert. Als Fan der Arctic Monkeys muss man tolerant und weltoffen sein. Über die Jahre ging es von der hitverdächten Indie-Disco („Whatever People Say I Am, That’s What I’m Not“) über Psychedelic-Rock („Humbug“) hin zur Stadionsoundgröße („AM“), bis man die E-Gitarren beim zähen „Tranquility Base Hotel & Casino“ in die Schränke schob, um sich einem frankophil anmutenden Retro-Chic zu unterwerfen, was im Gegensatz zum brandneuen „The Car“ auch mit etwas Distanz zum Werk eindeutig misslungen ist.

70er-Chic wohin man schaut
Spannend war somit schon allein die Frage, wie man diese drei bis fünf musikalischen Welten denn nun in ein Liveset verknüpft, aber die Antwort darauf hätte nicht souveräner sein können. Für das Bühnensetting verwenden die Monkeys eine riesige runde Videowall, die an das James-Bond-Intro erinnert. Sauteure Vintage-Kameras sorgen dafür, dass die Nahaufnahmen von Frontmann Alex Turner auf den Seitenleinwänden akkurat Vintage-vergilben. Der wiederum sieht mittlerweile aus wie eine Mischung aus Adam Driver in seiner Rolle als Maurizio Gucci und Al Pacino weiland als Drogenbaron Tony Montana. Sakko, offenes Hemd, die akkurat sitzende Ray-Ban-Sonnbrille und eine Fönwelle, wie man sie in den wild koksenden Kreisen der New Yorker Schickmicki-Clubszene der späten 70er-Jahre trug.

Mit „Sculptures Of Anything Goes“ leitet die siebenköpfige Band mit einem neuen Song in den gut 100-minütigen Konzertabend, doch schon „Brianstorm“ und „Snap Out Of It“ zeigen eindrucksvoll, dass die Band auch im feinen Zwirn und mit musikalischer Wesensänderung noch gut auf die Pauke hauen kann. Dass die Vermischung aus den einfacheren, aber flotten älteren Songs und den komplexeren, dafür ruhigeren neuen Songs so gut funktioniert, liegt auch an der Spielweise. Gitarrist Jamie Cook und Bassist Nick O’Malley finden einen Rhythmus, der weder zu hart, noch zu weich klingt, Drummer Matt Helders hält die Band mit stringenten Stockschlägen zusammen und Turner lebt in seiner Rolle als Fron-Charismatiker auf. Dazu ertönt auch der Sound in der Linzerarena von allen Seiten wunderbar, was in der Wiener Stadthalle etwa oft nur Wunschdenken ist.

Klassiker um Klassiker
Die Fans feiern lautstark mit, wiewohl die älteren Semester stolz ihre alten Pink Floyd- und Nirvana-Shirts tragen, während in den ersten Reihen Gekreische aus jenen Jahrgängen zu vernehmen ist, die noch nicht einmal geboren waren, als die Monkeys mit ihrem Debütalbum für ein temporäres Britpop-Hype-Revival sorgten und Bands wie Franz Ferdinand oder die Kaiser Chiefs links und rechts überholten. Anno 2023 sind sie in ihrer absoluten Live-Prime und überzeugen mit einem Gesamtpaket aus einer wundervollen Performance, druckvollem Sound, starken Liedern und einer untrüglichen Spielfreude. Das an die White Stripes erinnernde, aschcoole „Don’t Sit Down ‘Cause I’ve Moved Your Chair“, das kantige „Arabella“ und der Frühklassiker „From The Ritz To The Rubble“ sorgen schon in Konzerthälfte eins für absolute Top-Stimmung.

Im Vergleich zur Asien-Tour haben die Monkeys ihre Setlist adaptiert und begeistern das Linzer Publikum mit ein paar wundervollen Premieren. Das trockene „Suck It And See“ und den Klassiker „Fluorescent Adolescent“ spielt man erstmals seit 2014 live, „Star Treatment“ kommt erstmals auf dieser Tour zum Einsatz und das „The Car“-Edelstück „Perfect Sense“ feiert in der Stahlstadt gar seine Weltpremiere. Schwächen gibt es nur im Detail zu verorten. „Four Out Of Five“ etwa kann die hohe Qualität der anderen Songs nicht halten und beim ersten Gig nach einem Monat Pause sitzen nicht alle Instrumentengriffe und Gesangseinsätze. Die Highlights kommen zum Schluss. Ein ausladendes Jam-Crescendo bei „Body Paint“, ein herzhaftes „R U Mine“ und natürlich Fan-Pogo-Tänze beim Riesenhit „I Bet You Look Good On The Dancefloor“. Da erstrahlt dann endlich auch die überdimensionale Disco-Kugel in ihrer vollen Pracht. „Wunderbar“, resümierte Turner ungefähr zur Konzerthalbzeit. Angesichts dieses Auftritts ist man gewillt zu sagen: schwere Untertreibung.

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