"Assad lügt mich an"

Türkei nach Krach mit Israel nun im Clinch mit Syrien

Ausland
26.09.2011 12:04
Vor noch nicht allzu langer Zeit war Bashar al-Assad ein Liebling der Türken. Als "Bruder" wurde der syrische Präsident in Ankara gelobt. Inzwischen hören sich die Kommentare über ihn ganz anders an. "Assad hat mich ständig angelogen", erklärte Premier Recep Tayyip Erdogan am Sonntag verärgert vor türkischen Journalisten. Damit bricht Ankara innerhalb von kurzer Zeit mit zwei früheren Verbündeten in Nahost: Erdogan legt sich nicht nur mit Israel an, sondern auch mit Syrien.

Anders als im Streit mit Israel liegt Ankara im Zwist mit Syrien ganz auf der Linie des Westens - doch das ist für Erdogan offenbar völlig unerheblich. Das Aufeinandertreffen der beiden Krisen ist ein Beispiel für die neue Außenpolitik Ankaras, die sich nicht an Ost-West-Mustern oder den Prioritäten der USA orientiert, sondern allein an türkischen Interessen. Die traditionelle Rolle des NATO-Landes Türkei als treuer - und folgsamer - Verbündeter des Westens gehört nunmehr endgültig der Vergangenheit an.

Ironischerweise streitet sich die Türkei mit Israel und Syrien in einer Phase, die unter dem außenpolitischen Motto "Null Probleme" mit der regionalen Nachbarschaft steht. Bei diesem Ziel bleibe es auch, betont die Regierung immer wieder. Aktuell fühlt sich die Türkei aber von Israel und Syrien betrogen. Im Falle Syriens sind es Assads nicht eingehaltene Reformzusagen der vergangenen Monate. Bei Israel betrifft dies das Ausbleiben einer Entschuldigung für den Tod von neun Aktivisten beim israelischen Angriff auf die Gaza-Flottille im vergangenen Jahr.

"Nun ist Israels Schicksal die Einsamkeit"
"Wir waren dicke Freunde, aber unter diesen Umständen ist Israels Schicksal die Einsamkeit" in der Region, sagte Erdogan am Sonntag in einem CNN-Interview. Er betonte erneut, Ankara gehe es allein um die Haltung der Netanyahu-Regierung, die Türkei habe nichts gegen das israelische Volk. Wenn Netanyahu die türkische Forderung nach einer Entschuldigung für den Angriff auf die Gaza-Schiffe weiter ablehne, bleibe das türkisch-israelische Verhältnis eben auf Dauer so schlecht, wie es derzeit sei: "Wenn unsere Bedingungen nicht erfüllt werden, dann werden die Beziehungen zwischen der Türkei und Israel nie wieder normal", so Erdogan.

Syriens Opposition eröffnet Büro in der Türkei
Der Zerfall der Beziehungen zwischen Ankara und Damaskus, die noch im vergangenen Jahr gemeinsame Kabinettssitzungen veranstalteten, ist sogar noch dramatischer als die seit Jahren anhaltende Erosion des Verhältnisses zu Israel. Bei Syrien geht Erdogan davon aus, dass Assad sich nicht mehr lange an der Macht halten kann. Die syrische Opposition darf deshalb schon in den kommenden Tagen ein offizielles Büro in der Türkei eröffnen. Die türkischen Behörden stoppten vergangene Woche ein Schiff mit Waffen für Damaskus und werden nach Erdogans Worten weiter nach solchen Lieferungen Ausschau halten.

Auch die Propaganda-Schlacht verschärft sich. Nachdem Assads Staatsmedien von Vergewaltigungen in türkischen Auffanglagern für syrische Flüchtlinge berichteten, will Ankara die Lager nun für Medienvertreter öffnen. Dann werde die ganze Welt durch die Berichte der Flüchtlinge erfahren, was in Syrien wirklich vor sich gehe, sagte Erdogan, dessen Regierung bisher keine Reporter in die Lager lässt. Mit einem Besuch in den Lagern will Erdogan selbst den Druck auf Assad noch weiter erhöhen. Über weitere Sanktionen gegen Syrien denke die Regierung noch nach, sagte er.

Die Türkei sieht sich selbst als nahöstliche Führungsmacht, die ihre eigenen Entscheidungen fällt. Lange habe Ankara als eine Art Schutzschild für Syrien fungiert und Assads Regime im Westen verteidigt, sagte Hasan Kanbolat, Direktor der Ankaraner Denkfabrik Orsam. In den ersten Monaten des Konflikts in Syrien agierte die Türkei aus Sorge um einen möglichen Ansturm von Flüchtlingen über die fast 900 Kilometer lange Landgrenze wesentlich vorsichtiger als der Westen. "Doch das ändert sich jetzt", so Kanbolat. Assad hat sich die Freundschaft der Türkei verscherzt und muss nun mit den Folgen leben, laute die Logik der Regierung.

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