FIFA-Regel gebrochen

Fußball-Massenpanik: Sicherheitskräfte im Visier

Ausland
02.10.2022 17:24

Nach der tödlichen Massenpanik in einem indonesischen Fußballstadion kommen nun immer mehr Details ans Tageslicht. Offenbar haben die Sicherheitsleute im Stadion gegen das Reglement des Weltfußballverbands FIFA verstoßen, als sie den Platzsturm der heimischen Fans auflösen wollten. Denn es herrscht auf dem Spielfeld und auf den Tribunen ein Verbot, Schusswaffen oder Gaspistolen zu tragen oder einzusetzen. Wie berichtet, wurde durch den massiven Einsatz von Tränengas Massenpanik unter den 42.000 Fans ausgelöst. Mindestens 125 Menschen wurden getötet - die meisten waren erstickt.

Begegnungen von Arema Malang und Persebaya Surabaya, der beiden Erstliga-Erzrivalen im Bezirk Ost-Java, gelten immer als Hochrisikospiele. Aus diesem Grund sind stets nur Fans der jeweiligen Heimmannschaft zugelassen. Das war auch am Samstag im Kanjuruhan-Stadion, der Heimstätte von Arema der Fall. Eine äußerst emotionale Partie endete mit einer 2:3-Niederlage für das Heimteam. Dann brach die Hölle los.

Tausende Anhänger strömten auf das Spielfeld, wollten die eigenen Spieler und Funktionäre zur Rede stellen. Securitys und Polizisten stellten sich dem wütenden Mob entgegen, woraufhin diese ebenfalls ins Visier gerieten. Es flogen Flaschen, Steine und andere Gegenstände. Auch außerhalb des Stadions wurde randaliert, mehrere Polizeifahrzeuge gingen in Flammen auf.

Dort kam es auch zu Schlägereien zwischen den verfeindeten Fangruppen. In dem Video unten sieht man, wie Arema-Anhänger den Konvoi des Siegerteams mit Steinen attackieren. Viele von ihnen hatten zu diesem Zeitpunkt noch gar keine Ahnung, welche Tragödie sich im Stadion selbst abgespielt hatte. Nach dem Abpfiff sei die Situation „anarchisch“ geworden, legte Polizeichef Nico Afinta dar. Fans hätten Beamte angegriffen und Autos beschädigt. Es sei dann zu einem Gedränge gekommen, als Fans zu einem Ausgang geflüchtet seien.

Fünfjähriges Kind unter den Toten
Auf Videoaufnahmen lokaler TV-Sender war zu sehen, wie zahlreiche Menschen auf das Spielfeld laufen und es zu Handgreiflichkeiten kommt. Nebel liegt in der Luft, bei dem es sich offenbar um Tränengas handelt. Am Rand des Spielfelds liegen größere Polizeifahrzeuge mit zertrümmerten Scheiben auf der Seite, aus einem der Fahrzeuge steigt Rauch auf. Die Bilder zeigen auch Personen, die offenbar das Bewusstsein verloren haben, und von Helfern weggetragen werden. Der Leiter eines örtlichen Krankenhauses sagte dem Sender Metro TV, einige der Opfer hätten Hirnverletzungen erlitten. Unter den Toten sei auch ein fünfjähriges Kind.

Der indonesische Fußball-Verband (PSSI) setzte den Spielbetrieb in der ersten Liga für eine Woche aus. Arema wurde die Austragung von Heimspielen für den Rest der Saison untersagt. Zudem habe der Verband ein Untersuchungsteam eingesetzt, das noch am Sonntag seine Arbeit aufnehmen sollte. „PSSI bedauert die Aktionen der Arema-Anhänger im Kanjuruhan-Stadion. Es tut uns leid und wir entschuldigen uns bei den Familien der Opfer und bei allen Beteiligten für den Vorfall“, sagte der Verbandsvorsitzende Mochamad Iriawan. Man werde die Polizei bei der Aufklärung unterstützen.

Indonesien gilt als ein fußballbegeistertes Land. Obwohl es an internationalen Erfolgen mangelt, kommt es rund um Matches immer wieder zu Ausschreitungen und Gewalt. 2018 wurde ein Fan von einem Mob aus Anhängern eines rivalisierenden Vereins getötet. Das Unglück ist das schwerste im weltweiten Fußball seit über einem halben Jahrhundert. 1964 waren im Zuge eines Spiels zwischen Peru und Argentinien 328 Menschen bei einer Massenpanik gestorben.

Die Gefahren in indonesischen Stadien

Die Bauart vieler indonesischer Stadien wird bei einer Massenpanik zum vielseitigen Multiplikator.

  • Eingänge: Die Stadien haben meist nicht nur zu wenig, sondern auch viel zu enge Eingänge.
  • Zu viele Fans: Der Einlas verläuft unkontrolliert. Es fehlt sowohl an Kapazitätsbeschränkungen als auch an Sektorentrennungen.
  • Kaum Equipment: Es gibt keine angemessene Sicherheitsausrüstung wie etwa Wellenbrecher, um die Massen zu kontrollieren.
  • Hohe Zäune: Rund um das Spielfeld verlaufen hohe, oft mit Maschendraht versehene Zäune. Sie machen eine rasche Evakuation auf das Feld schier unmöglich.
  • Keine Freiflächen: Rund um das Kanjuruhan-Stadions gibt es kaum Freiflächen. Die wenigen vor der Spielstätte werden als Parkplatz benutzt.
  • Fehlkoordination: Neben der Polizei sind das Militär und private Sicherheitskräfte für den Schutz aller Anwesenden verantwortlich. Die Koordination zwischen den drei Institutionen verläuft meist suboptimal. Das Hauptaugenmerk liegt auf dem Schutz von Spielern und Funktionären.

Präsident fordert Aussetzung aller Erstliga-Spiele
Präsident Joko Widodo sagte, die Behörden müssten die Sicherheit bei den Spielen gründlich überprüfen. Er hoffe, dass dies „die letzte Fußballtragödie in diesem Land“ gewesen sei. Wikodo wies den indonesischen Fußballverband an, alle Spiele der obersten Liga bis zum Abschluss von Ermittlungen auszusetzen.

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