Hitzige Debatten

Extreme Temperaturen schüren Hassrede im Netz

Web
10.09.2022 14:50

Temperaturen, die über oder unter dem Wohlfühlbereich von 12 bis 21 Grad Celsius liegen, führen zu einem deutlichen Anstieg aggressiven Online-Verhaltens, so das Ergebnis einer neuen Studie aus Deutschlannd. Bei der Analyse von Milliarden von Tweets stellten Forschende des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) fest, dass Hassrede in allen Klimazonen, Einkommensgruppen und Glaubenssystemen zunimmt, wenn es zu heiß oder zu kalt ist.

Um zu diesen Ergebnissen zu gelangen, verwendeten die Forschenden einen Ansatz des maschinellen Lernens. Dieser identifizierte ca. 75 Millionen englischsprachige Hass-Tweets in einem Datensatz, der aus mehr als vier Milliarden Tweets besteht, die zwischen 2014 und 2020 in den USA auf Twitter gepostet wurden.

Anschließend analysierten die Forschenden, wie sich die Anzahl der Hass-Tweets änderte, wenn die lokalen Temperaturen zu- oder abnahmen. In der Definition von Hassrede orientierten sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an der offiziellen UN-Definition von Hassrede: Fälle von diskriminierender Sprache mit Bezug auf eine Person oder eine Gruppe aufgrund ihrer Religion, ethnischen Zugehörigkeit, Nationalität, Rasse, Hautfarbe, Abstammung, ihres Geschlechts oder anderer Identitätsfaktoren.

Mit den Temperaturen steigt der Hass
Auf Grundlage dieser Daten stellten die Forschenden fest, dass die Zahl der Hass-Tweets in einem „Wohlfühlfenster“ von 12 bis 21 Grad Celsius quer durch die USA gering ist; das Minimum an Hass-Tweets liegt bei Temperaturen zwischen 15 und 18 Grad Celsius. Heißere und kältere Temperaturen sind mit einer Zunahme von Hass-Tweets verbunden. Das genaue Wohlfühltemperaturfenster variiert je nach Klimazone, je nachdem also, welche Temperaturen üblich sind.

Temperaturen über 30 Grad Celsius sind jedoch über alle Klimazonen und sozioökonomischen Unterschiede wie Einkommen, religiöse Überzeugungen oder politische Präferenzen hinweg durchgängig mit einem starken Anstieg von Online-Hass verbunden.

„Menschen neigen zu aggressiverem Online-Verhalten, wenn es draußen entweder zu kalt oder zu heiß ist“, so Studien-Erstautorin Annika Stechemesser in einer Mitteilung des PIK. „Unsere Untersuchung zeigt, dass in den USA außerhalb eines Wohlfühlfensters von 12 bis 21 Grad Celsius der Online-Hass bei kälteren Temperaturen um bis zu 12 Prozent und bei wärmeren Temperaturen um bis zu 22 Prozent zunimmt.“

Grenze dessen, was Menschen ertragen können
Dies deutet auf eine Grenze der Anpassungsfähigkeit hin, erklärt Mitautor Anders Levermann: „Selbst in einkommensstarken Gebieten, in denen sich die Menschen Klimaanlagen leisten können und andere Möglichkeiten zur Hitzereguluation haben, beobachten wir eine Zunahme von Aggression an extrem heißen Tagen - ab 30 Grad Celsius geht es steil nach oben. Mit anderen Worten: Es gibt eine Grenze dessen, was Menschen ertragen können. Diese Anpassungsgrenze an extreme Temperaturen liegt möglicherweise noch unter der, die durch die pure Physiologie unseres Körpers gesetzt ist.“

Klimaschutz auch für Psyche entscheidend
Die Folgen eines aggressiveren Online-Verhaltens könnten den Forschenden zufolge schwerwiegend sein, da Hassrede nachweislich negative Auswirkungen auf die psychische Gesundheit der Opfer von Online-Hass hat. Studienleiterin Leonie Wenz: „Unsere Ergebnisse zeigen, dass Online-Hassrede ein neuer Kanal ist, über den der Klimawandel den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die psychische Gesundheit der Menschen beeinflussen kann. Das bedeutet also, dass eine sehr schnelle und drastische Senkung der Emissionen nicht nur der Außenwelt zugutekommen wird. Der Schutz unseres Klimas vor einer zu starken Erwärmung ist auch für unsere psychische Gesundheit entscheidend.“

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