Seit Jahren steht Amazon wegen seiner Arbeitsbedingungen in der Kritik. Doch Bemühungen von Gewerkschaften, sie zu verbessern, scheiterten zumeist am Widerstand des weltgrößten Online-Händlers. Was sie nicht schafften, könnte nun inzwischen mehr als 90 TikTok-Influencern gelingen: Sie haben sich in einer gemeinsamen Initiative zusammengeschlossen, um sich mit Amazon-Arbeitern zu solidarisieren. Im Gefolge: mehr als 58 Millionen Follower.
„Amazon beutet seine Arbeiter aus und zerschlägt von Arbeitern geführte gewerkschaftliche Organisierungsbemühungen“, heißt es in einem offenen Brief der Initiative „People over Prime“, in der sich mehr als 90 TikTok-Influencer mit insgesamt über 58 Millionen Followern zusammengeschlossen haben, „um sich mit Amazon-Arbeitern und Gewerkschaftsorganisatoren zu solidarisieren“.
Sie fordern den weltgrößten Online-Händler auf, die von den beiden US-Gewerkschaften Amazon Labour Union und LDJ5 gestellten Forderungen zu erfüllen, darunter ein Mindestlohn von 30 Dollar pro Stunde, zwei bezahlte 30-minütige Pausen und eine einstündige bezahlte Mittagspause, zusätzliche bezahlte Freizeit und die Eliminierung von Produktivitätsraten, bei denen Arbeiter eine bestimmte Anzahl von Artikeln pro Stunde kommissionieren müssen sowie einen vollständigen Stopp aller gewerkschaftsfeindlichen Taktiken.
Rückschlag für Amazon
„Wenn keine Änderungen vorgenommen werden, werden wir Amazon daran hindern, eine der größten Social-Media-Plattformen der Welt zu monetarisieren“, drohen die TikToker Amazon. Die Kampagne ist laut „Washington Post“ ein öffentlicher Rückschlag für den Handelsgiganten, der in den letzten Jahren vermehrt versucht hat, engere Beziehungen zu jungen Influencern aufzubauen. 2017 startete das Unternehmen das Amazon Influencer Program, das es den Internet-Sternchen ermöglichen soll, durch das Empfehlen von Produkten in personalisierten Amazon-Schaufenstern Geld zu verdienen.
Dem Bericht nach haben auch viele Teilnehmer der „People over Prime“-Initiative Werbeverträge mit Amazon abgeschlossen, planen aber, ihre Schaufenster zu schließen und künftige Partnerschaften abzulehnen, weil sie Bedenken wegen der Behandlung der Arbeitnehmer haben. „Ich möchte meiner Community gerne Amazon-Produkte empfehlen, weil das Unternehmen so zuverlässig ist, aber das kann ich nicht, solange ich nicht weiß, dass sie ihre Arbeiter fair behandeln“, zitiert das Blatt die 24-jährige Influencerin Emily Rayna, der auf TikTok 5,4 Millionen Menschen folgen.
Jackie James, 19, eine TikTok-Influencerin mit 3,4 Millionen Followern, sagte gegenüber der „Washington Post“, dass sie keine Verträge mit Amazon abschließen werde, bis das Unternehmen sein Verhalten ändert. „Als Influencerin ist es wichtig, die richtigen Unternehmen auszuwählen, mit denen man zusammenarbeitet“, sagte sie. „Ich denke nicht, dass die Arbeiter so behandelt werden sollten, wie sie es bei Amazon tun.“
Amazon weist Vorwürfe zurück
Der Online-Händler weist die Vorwürfe indes zurück: „Die Gesundheit, die Sicherheit und das Wohlbefinden unserer Mitarbeiter haben für uns oberste Priorität“, erklärte der Konzern der „Washington Post“. „Wir verpflichten uns, unseren Mitarbeitern die Ressourcen zur Verfügung zu stellen, die sie benötigen, um erfolgreich zu sein, Zeit für regelmäßige Pausen und ein angenehmes Arbeitstempo zu schaffen und direkt mit allen zu arbeiten, die zusätzliche Unterstützung benötigen, um ihre Ziele zu erreichen. Außerdem arbeiten wir eng mit Gesundheits- und Sicherheitsexperten und Wissenschaftlern zusammen und führen jeden Tag Tausende von Sicherheitsinspektionen in unseren Gebäuden durch.“
Wachsende Unterstützung für Gewerkschaften
Ob sich die Influencer davon beeinflussen und umstimmen lassen, bleibt abzuwarten. Die an der Initiative teilnehmenden Influencer spiegeln laut Bericht die wachsende Unterstützung für organisierte Gewerkschaftsbewegungen unter jungen Menschen wider. Eine kürzlich durchgeführte Gallup-Umfrage ergab demnach, dass die Zustimmung zu Gewerkschaften den höchsten Stand seit 1965 erreicht hat, wobei fast vier von fünf (77 Prozent) der Erwachsenen im Alter von 18 bis 34 Jahren sie unterstützen.
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