Nobelkompakter

DS 4 e-Tense 225: Viel Style und viele Kompromisse

Motor
04.04.2022 05:05

Teuer schaut er aus, der topausgestattet DS 4 e-Tense 225. Darf er auch, der Testwagen kostet immerhin 56.000 Euro. Außerdem wirkt er elegant, leicht aggressiv, schnittig. Irgendwie hat er was von einem geschliffenen Brillanten, sie haben ihm einiges an Kanten ins Blech geschnitten. Viele davon leuchten, weil sie LEDs sind (Scheinwerfer in Matrix-Technik). Ein Blickfang ist er auf jeden Fall. Aber tut man sich wirklich einen Gefallen, wenn man sich verführen lässt, sich für dieses Schmuckstück zu entscheiden?

(Bild: kmm)

Man kann sich die Antwort einfach machen: Kommt darauf an. Wenn man es als höchsten Wert ansieht, dass alles betont anders ist als anderswo, und wenn einem Style über alles geht, ist man beim DS 4 schon mal nicht verkehrt. Fährt man vor allem kurze Strecken und kann das Auto zu Hause an der Wallbox laden, wird man mit dem Plug-in-Hybrid wahrscheinlich auch glücklich werden. Und wenn man auf Geduldsspiele und Labyrinthe steht und während der Fahrt gerne auf Displays herumspielt, na dann nichts wie hin zum freundlichen DS-Händler.

Wenn man aber den Plug-in-Hybrid nur wegen der hohen Systemleistung (225 PS!) wählt oder wegen des Steuervorteils oder weil einen die Nachbarn für jemanden mit Klimagewissen halten sollen, sollte man die Finger davon lassen. Und wer es sich beim Fahren gern leicht macht und sich nicht ablenken lassen will, geht am DS 4 besser überhaupt vorbei. Aber im Einzelnen:

Innenraum: Großer Luxus für kleine Leute
Du steigst ein und fühlst dich vom Ambiente regelrecht umfangen. So viel Luxus-Anmutung in der Kompaktklasse ist wirklich selten. Herrlich dieses Leder überall, sogar an der Türverkleidung. Okay, ja, das kostet alles extra. Es ist die Opera-Ausstattung um über 3000 Euro. Aber allein dieses Panel zu anzugreifen, um die Tür zuzuziehen, ist ein Genuss. Dass die Fensterheberknöpfe ganz oben angebracht sind, ist zwar gewöhnungsbedürftig und nicht sonderlich praktisch, aber doch stylisch und Teil eines Gesamtkunstwerks, das aus der harmonischen Symbiose aus Türverkleidung und Armaturenbrett besteht. Die beiden verschmelzen geradezu miteinander, wobei der Luftausströmer (statt wie bei fast allen anderen Autos in der Armaturenkonsole) in der Türverkleidung sitzt. Ganz so harmonisch ist der Übergang bei genauer Betrachtung aber dann doch nicht. Es wirkt, als gehörten Türverkleidung und Armaturenbrettanschluss zu verschiedenen Design- oder Ausstattungslinien.

Bevor man sich darüber verkrampft, schaltet man lieber die Massagefunktion des Sitzes ein, wenn man sie findet, und entspannt sich schnell wieder. Vom Sitz an sich kommen die Verspannungen jedenfalls nicht, der tut dem Rücken auch auf stundenlangen Autobahnfahrten gut.

Auf der Rückbank ist das etwas ganz anderes. Normal große Menschen werden es hier nicht lang aushalten: zu wenig Kopffreiheit, zu wenig Kniefreiheit und die Füße passen auch nicht unter den Vordersitz. Da wird Ein- und Aussteigen zu einer regelrechten Herausforderung. Der Kofferraum ist auch nicht weiß Gott wie groß, geht aber mit 390 bis 1190 Liter einigermaßen in Ordnung. Vor allem wenn man weiß, dass der Kraftstofftank in den Unterboden des Laderaumes gewandert ist, damit der Traktionsakku unter die Rückbank passt. Irgendwo müssen diese Dinge ja unterkommen und der DS 4 misst nur 4,40 Meter in der Länge.

Bedienung: Es fehlt an Tasten und Logik
Das Cockpit ist volldigital. Ein Sieben-Zoll-Display zum Ablesen von Geschwindigkeit & Co, ein 21 Zoll großes Head-up-Display, ein Zehn-Zoll-Touchscreen in der Mitte. Dazu kommt noch ein kleiner berührungsempfindlicher Bildschirm bzw. ein Touchfeld, mit dem man per Fingerwisch das große Zentraldisplay steuern können soll. Doch das ist nicht mehr als eine Spielerei. Wenn man einen Finger einige Zeit draufhält, erscheint das Hauptmenü auf dem Zentralscreen, das aus sechs Punkten besteht, und man steuert eine Art Cursor, um einen der Punkte auszuwählen. Das soll praktisch sein, ist es aber nicht, weil man die ganze Zeit auf das Display schauen muss. Etwas mehr Sinn hätte es, wenn man mit dem Finger Buchstaben malen und damit eingeben könnte, aber diese Funktion wird erst im Herbst per Over-the-Air-Update nachgereicht.

Viel sinnvoller wäre es, die Hauptmenüpunkte als echte Tasten auszuführen. Aber die Bedienung wirklich praktisch anzulegen, kann in der Entwicklung kein hochpriorisiertes Kriterium gewesen sein. Beispiel: Um beim Radartempomaten den Abstand zum Vordermann einzustellen, muss man so oft auf den Lenkstockhebel drücken, bis die entsprechende Funktion am Head-up-Display angezeigt wird. Dann kann man per Druck auf den entsprechenden Lenkradknopf die Distanz einstellen. Megaaufwendig und absolut unnötig.

Tasten gibt es kaum, und die wenigen wirken teilweise wahllos übers Armaturenbrett verteilt. Einige sind sinnvoll in einer Reihe angebracht, ihre Beschriftung ist aber nur bei günstigem Lichteinfall zu erkennen. Das passt alles wunderbar zur mühsamen Menüführung, die scheinbar den Selbstzweck hat, den Fahrer möglichst lange zu beschäftigen. Es ist zu kalt? Zur Temperaturverstellung ab ins Menü. Sitzheizung aktivieren? Ins Klima-Menü, dann auf „Sitze und Lenkrad“ tippen, dann auf den Button unterhalb des Sitzsymbols, dann auf das Sitzsymbol, um die Heizstärke zu variieren. Bis man das erledigt hat, ist man ein ganz schönes Stück im Blindflug unterwegs.

Wenn das alles dann wenigstens zuverlässig funktionieren würde! Aber wenn man zum Beispiel schnell ein paar Mal auf das Temperatur-Erhöhungs-Pfeilchen tippt, wird zwar jeder Tipp mit einem Klicken quittiert, aber nur jeder zweite Tipp löst tatsächlich eine Temperaturerhöhung um ein halbes Grad aus.

Manches ist einfach nur schrullig, etwa dass die Drehzahl nicht auf einer Skala, sondern vierstellig digital angezeigt wird.

Fahren, laden und viel tanken
An dieser Stelle sind wir gleich bei einem Grundproblem von Autos mit Plug-in-Hybrid-Antrieb. Werden sie nicht regelmäßig aufgeladen und folglich vor allem elektrisch betrieben, sind sie klimaschädlicher als jeder reine Verbrenner. Die netto 9,9 kWh fassende Batterie des DS 4 reicht nach WLTP für 54 Kilometer und beschleunigt den Wagen über den 81 kW/110 PS starken Elektromotor auf bis zu 135 km/h. Geladen wird mit maximal 7,4 kW, also eher nicht unterwegs. An einer 32-A-Wallbox dauert eine Vollladung mindestens 1:45 Stunden.

Damit ist also klar: Lange Strecken fährt man in der Praxis fast ausschließlich mit dem Verbrennungsmotor. Dabei handelt es sich um einen 1,6-Liter-Vierzylinder-Benziner mit 180 PS und einem maximalen Drehmoment von 300 Nm bei 3000/min. Gemeinsam mit dem Elektromotor gehen sich 233 km/h Höchstgeschwindigkeit und ein Sprintwert von 7,7 Sekunden aus. Kurzzeitig auch dann, wenn die Batterieanzeige 0 Prozent anzeigt. Nach kurzer Vollgaszeit auf unlimitierter deutscher Autobahn ist es aber vorbei mit Strom und es wird schon ab 200 km/h richtig zäh. Man darf sich also von der Systemleistung nicht blenden lassen.

Natürlich auch nicht von den Verbrauchswerten, aber das kennt man ja von Plug-in-Hybriden. 1,3 l/100 km steht im Datenblatt. Der Realverbrauch im Test lag bei 9,1 l/100 km bei normaler Fahrt. Auf der deutschen Autobahn war es weit zweistellig. Auf der Landstraße mit 70 bis 100 km/h hat sich der (um etwa 0,2 Liter zu günstig anzeigende) Bordcomputer bei 6,5 l/100 km eingependelt. Von günstig kann da nun wirklich keine Rede sein. Eher von Schluckspecht. Wir reden hier von einem Vierzylinder im der Golf-Klasse. Und dann neun Liter?

Dazu kommt, dass der Tank nur 40 Liter fasst. Außerdem zählt die Reichweitenanzeige so herunter, dass man schon von einem leeren Tank ausgeht, wenn noch drei Liter Sprit drin sind. Auf langen Touren steht man also gefühlt ständig an der Tankstelle. Da gewöhnt man sich wenigstens dran, dass man vor dem Aussteigen die Tankklappe per Knopfdruck öffnen kann, weil sie auch bei einem Auto um 55.000 Euro nicht an die Zentralverriegelung angeschlossen ist.

Am Rande bemerkt: 200 km/h sind ein durchaus angenehmes Reisetempo. Der DS 4 läuft gut geradeaus, lässt sich auch in schnellen Autobahnkurven gut dirigieren und der Motor ist gut gedämmt. Was man hört, sind vor allem Windgeräusche.

Fahrwerk mit vollem Komfort
Der DS 4 hat das aufwendigste Fahrwerk des Stellantis-Konzerns an Bord (serienmäßig im E-Tense): die sogenannte Active Scan Suspension. Das System scannt per Kamera den Bereich vor dem Auto und passt entsprechend die Dämpferhärte an. Per Fahrmodus (Comfort, Hybrid, Sport) kann man drei Härten vorwählen. Komfortabel ist der DS 4 immer, schwammig nie.

Unkomfortabel ist allerdings die Bremse beim Plug-in-Hybrid: Es ist kaum möglich, geschmeidig zu verzögern, weil die Bremskraft eher ruckartig aufgebaut wird. Feines Herunterbremsen bleibt da ein Wunschtraum. Wie mittlerweile bei elektrifizierten Fahrzeugen üblich handelt es sich hier nicht um eine ganz normale Bremse, sondern beim Druck auf das Pedal wird zuerst via Elektromotor und dann per Scheibenbremsen verzögert. Und das ist hier schlecht abgestimmt.

Assistenten vorhanden, aber lästig
Ein Assistent, der einen vor dem Aussteigen an die Tankklappe erinnert, ist nicht verfügbar, dafür jede Menge andere Systeme, bis hin zum automatisierten Fahren. Der Adaptivtempomat funktioniert allerdings nur bis 180 km/h. Und der selbst lenkende Spurhalteassistent ist lästig: Im Test tat er sich schwer damit, zu erkennen, dass das Lenkrad eh festgehalten wird, und hat sich mehrmals nach wilden Warnungen abgeschaltet.

Auch die Abstimmung des Tempomaten ist leicht misslungen. Fährt man über lange Autobahnwellen und das Auto schwingt leicht darüber, fängt er an zu ruckeln.

Die Preise
Der DS 4 e-Tense 225 steht ab 38.500 Euro in der Liste (Basismodell mit Benzinmotor 31.100 Euro). Die Achtgangautomatik ist bei allen DS 4 Serie, das Active-Scan-Fahrwerk nur beim Plug-in-Hybrid (e-Tense). Sonst ist es optional erhältlich. Die Aufpreisliste lässt noch viel Luft nach oben oder sorgt für Schnappatmung, je nach Neigungsgruppe. Bestellbar ist er bereits (als Benziner mit 130, 180 oder 225 PS, Diesel mit 130 PS oder Plug-in-Hybrid). Eine reine Elektroversion ist für 2024 versprochen, wie für den Opel Astra, mit dem er gemeinsam in Rüsselsheim vom Band rollt.

Fahrzit
Es braucht eine gewisse Leidensfähigkeit, wenn man sich für den DS 4 entscheidet, zumal als e-Tense. Aber man bekommt auf jeden Fall ein Designstück, das die Konkurrenz zumindest optisch in den Schatten stellt.

Warum?
Das Design ist aufregend.
Feines Fahrwerk

Warum nicht?
Umständliche Bedienung

Oder vielleicht …
… BMW 1er, Mercedes A-Klasse, Audi A3

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(Bild: kmm)



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