Rekord-Teuerungswelle

„Ich habe gebetet, dass Wohnbeihilfe bald kommt“

Auch in gut situierten Familien wundert man sich derzeit über die hohe Stromrechnung und ärgert sich an der Zapfsäule. Miete, Strom, Gas, Sprit, Lebensmittel: Alles wird teurer. Schlimm trifft es jene, die schon vorher wenig hatten. Drei Pensionistinnen sind sich einig: „Wenn’s noch teurer wird, geht’s nicht mehr.“
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In der sozialen Küche der OÖ Tafel in Wels herrscht zu Mittag reges Treiben. Fast alle Tische sind besetzt. Die Mittdreißiger links essen ihre Bratwürstel, die älteren Damen rechts spielen Karten und die Senioren an der Ausgabe scherzen miteinander. Aber wenn es ums Geld geht, werden die Gesichter ernst. „Neulich war eine da, die immer 30 Euro Strom gezahlt hat. Jetzt zahlt sie fast 100“, erzählt ein Herr, der sich die Hände an einer Kaffeetasse wärmt und mitbekommen hat, dass wir von der Zeitung sind.

Rechnungen „gehen“ noch
Rechnungen bezahlen, das geht sich aus, meinen die Kartenspielerinnen. Aber mal einen Ausflug machen? Ins Restaurant gehen oder gar ins Theater? Unmöglich für „die neue Mittelschicht“, wie Erwin Hehenberger Menschen mit weniger als 1300 Euro Einkommen nennt. „Wandern ist meine Leidenschaft. Aber mit dem Zug wohin fahren, kann ich mir nicht leisten. Ich bin immer froh, wenn mich Bekannte mitnehmen“, sagt Maria Emma, die sich hier täglich ihre warme Mahlzeit holt. Zu Fuß. Das Geld für die Busfahrkarte will sie lieber sparen. Die 63-Jährige muss mit rund 1000 Euro im Monat auskommen. Die Hälfte schluckt die Miete. „Jeder Fünfer wird auf die Seite gelegt für den Zahnarzt, Medikamente oder Massagen.“ Vor kurzem ist die Waschmaschine eingegangen. Das reißt ein Loch ins Budget. „Also teurer darf das Leben nicht mehr werden“, sagt sie - und Maria Knöbl (64) am Tisch nebenan nickt.

„Ich fürchte mich vor der nächsten Rechnung“
„Die Emma und ich kennen uns seit 40 Jahren. Wir haben uns hier wieder getroffen“, lächelt die zweifache Mama und Oma, die sich ihr Leben lang als Alleinerziehende durchgeschlagen hat. „Ich bin froh über das, was ich habe. Andere haben nichts.“ Frau Knöbl bleibt positiv. Trotzdem zwingt die Rekord-Teuerungswelle auch sie, den Gürtel enger zu schnallen. „Ich bekomme in ein paar Tagen Besuch, deshalb hab ich die Heizung auf 23 Grad raufgedreht. Ich fürchte mich schon vor der nächsten Rechnung“, so die Welserin, die ihr 275-Euro-Umweltticket in Raten zahlt. Sorgen bereitet ihr, dass die Wohnbeihilfe auf sich warten lässt. „Jetzt habe ich einmal nachgefragt. ,SOS!’, habe ich gesagt. Aber der Antrag wurde noch nicht einmal bearbeitet. Ich hab’ heute schon dafür gebetet, dass die Beihilfe bald kommt.“ Was Frau Knöbl am Monatsende übrig bleibt? Sie überlegt. Rechnet. Und schweigt.

Im Outlet der OÖ Tafel, wo es vergünstigte Lebensmittel und Secondhandware gibt, geht Erna H. (69) einmal die Woche einkaufen. „Seit einem Jahr. Vorher konnte ich mich nicht überwinden, ich hab mich geschämt. Aber alles wird teurer, ich bin alleine, bekomme die Mindestpension. Es geht nicht mehr anders.“ Ernas Fixkosten betragen etwa 700 Euro, dazu kommt der Benzin: „Ich fahre so wenig wie möglich, aber Einkäufe und Arztbesuche schaffe ich nicht ohne Auto.“

Höhere Preise erfordern eine höhere Pension
Der OÖ Pensionistenverband bringt ein Beispiel: Ein Pensionist, der bisher 1301 Euro brutto bekommen hat, erhält heuer nach der Steuerreform 1324,42 € brutto. Netto bringt das ein Plus von 35,82 € – oder 2,93 Prozent. Was im Verhältnis zur aktuell 5,1-prozentigen Teuerung zu wenig ist, betont Präsident Heinz Hillinger. Selbst, wenn noch ein Energiebonus dazukommt, erleidet ein Pensionist mit durchschnittlicher Rente einen Kaufkraftverlust von über 300 Euro pro Jahr. Hillinger: „Deshalb fordern wir ein Vorziehen der nächsten Pensionsanpassung auf Mitte dieses Jahres.“

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