Nachdem die schnellen Schwaben auf der Rennstrecke bereits seit einem Jahr mit dem 911 GT3 RSR Hybrid experimentieren, bringen sie jetzt reinen Elektroantrieb auf die Straße. Offiziell gehören diese Boxster E zum Forschungsprogramm „Modellregion Elektromobilität Region Stuttgart“, weshalb die deutsche Bundesregierung sogar einen Teil der sechs Millionen Euro Entwicklungskosten übernommen hat.
Doch für Projektleiter Michael Dimitrov sind die grell lackierten Roadster vor allem Lehrstücke, von denen er sich wichtige Erfahrungen für die Konstruktion von und den Umgang mit Elektrofahrzeugen erhofft. Damit werden sie auch zum sauberen Vorspiel für den grünen Supersportwagen 918 Spyder, den Porsche für Ende 2013 versprochen hat.
Eigenentwickelte Lithium-Eisen-Phosphat-Batterie
Während der Karbonrenner als Plug-In-Hybrid ausgelegt ist und mit seinen zwei zusammen über 147 kW/200 PS starken E-Motoren allenfalls 25 Kilometer weit kommt, bevor sich der über vier Liter große und mehr als 367 kW/500 PS starke V8 zuschaltet, braucht der E-Boxster nur Strom statt Sprit. Er kommt aus einer bei Porsche selbst entwickelten Lithium-Eisen-Phosphat-Batterie mit 29 kWh. Sie füllt genau den Platz, an dem beim normalen Boxster der Sechszylinder sitzt, und speist einen E-Motor an der Hinterachse.
Für einen der drei Prototypen gibt es einen zweiten Motor vorn und damit nicht nur die doppelte Leistung und eine bessere Gewichtsverteilung, sondern für eine bessere Traktion gleich auch noch Allradantrieb. „Aber damit sind wir noch nicht ganz fertig“, entschuldigt sich Projektleiter Dimitrov. „Schließlich läuft das Projekt erst seit letztem Sommer und wir sind froh, dass wir in dieser Rekordzeit wenigsten schon zwei Autos zum Laufen gebracht haben.“ Nicht umsonst war das Team zwischenzeitlich 60 Mann stark.
Serienfertigung noch in weiter Ferne
Von der Serienentwicklung trennen das Forschungsprojekt bei Budget und Manpower Welten, wie Dimitrov gerne einräumt. Doch was wie eine Bastelei nach Feierabend klingt, hat zu zwei Autos geführt, die schon jetzt viel Spaß machen. Und das, obwohl der Boxster E mit 89 kW/122 PS und 270 Nm gegenüber den Benzinern auf dem Papier etwa so dynamisch wirkt wie der VW Käfer neben dem 911.
Doch bei der ersten Ausfahrt gehen die Mundwinkel mit jedem Meter weiter nach oben. In der Stadt hat keiner gegen den Stromer einer Chance, weil das maximale Drehmoment schon bei der ersten Umdrehung bereit steht und man deshalb fast immer mit quietschenden Reifen anfährt. Und auf der Landstraße wischt man an den störenden Lastern wie mit Warp-Antrieb einfach so vorbei. Dass der Prototyp tatsächlich 9,8 Sekunden von 0 auf 100 brauchen soll, will man deshalb kaum glauben.
Nur auf der Autobahn stößt der Spaß an seine Grenzen, weil das Tempo mit Rücksicht auf die Reichweite bislang auf 120 km/h limitiert ist. Selbst wenn das fertige Auto wie versprochen 150 km/h fahren kann, muss dieser Porsche dann ungewöhnlich oft die linke Spur räumen. Besser wird das erst mit dem stärkeren Antrieb im dritten Prototyp. Mit einem Sprintwert von 5,5 Sekunden ist er nicht nur genauso flott wie der Boxster S, sondern verteidigt mit 200 km/h auch länger den angestammten Porsche-Platz in der Highway-Hierarchie.
Geringe Reichweite
Aber für die Autobahn ist der Roadster ohnehin nicht gemacht. Denn dort schmilzt die Reichweite schneller als man schauen kann. Selbst Projektleiter Dimitrov glaubt im Alltag nicht an die 170 Kilometer, die er auf dem Prüfstand im Normzyklus ermittelt hat. Aber wenn man den Wagen halbwegs vernünftig fährt, sollen 100 bis 120 Kilometer locker drin sein. Und beim Bremsen füllt der Motor als Generator wieder den Akku. Außerdem kann man seine Reichweite durch Komfortverzicht vergrößern. „Heizung ausmachen, Klimaanlage abschalten, Verdeck schließen – all das senkt den Stromverbrauch und bringt zusätzliche Kilometer“, sagt Dimitrov und lenkt den Blick auf den Bordcomputer. Dort kann man diesen Effekt auf Knopfdruck sofort nachlesen.
Ami-V8-Sound im Porsche
Zwar gilt die himmlische Ruhe im Elektroauto vielen als bestes Argument für den Batterieantrieb. Doch Dimitrov bereitet die Stille manchmal die größten Sorgen. Nicht nur, weil dann Nebengeräusche wie Lüfter oder Blinker viel penetranter klingen. Sondern weil gerade bei einem Sportwagen der Ton die Musik macht und zum Gesamterlebnis dazu gehört. Deshalb hat der Projektmanager einen Soundgenerator eingebaut und sich etwas Spezielles einfallen lassen: „Das Auto fiept nicht wie ein Mülllaster beim Einparken“, beruhigt der Ingenieur. Sondern auf Knopfdruck meldet sich – synthetisch erzeugt und elektronisch verstärkt – das vertraute Geräusch eines Verbrenners. Nur daran, dass der Stromer dann nach einem amerikanischen V8 und nicht nach einem schwäbischen Sechszylinder klingt, daran müssen die Entwickler noch arbeiten.
Benjamin Bessinger/SP-X
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