Terror-Anschlag

Minsk: Mutmaßliche Bombenleger von Polizei verhört

Ausland
12.04.2011 15:37
Nach der Bombenexplosion in einer U-Bahn-Station in der weißrussischen Hauptstadt Minsk mit mindestens zwölf Toten haben die weißrussischen Behörden mehrere Personen festgenommen. Sie stünden im Verdacht, an einem Terrorakt beteiligt gewesen zu sein, sagte der stellvertretende Generalstaatsanwalt Andrej Schwed am Dienstag. Zudem stehen auch noch andere Personen im Visier der Polizei.

Derzeit werden die Festgenommenen verhört, die Suche nach weiteren Verdächtigen läuft ebenso auf Hochtouren. Schwed kündigte an, es würden in Kürze Phantombilder von den Verdächtigen veröffentlicht, die noch auf der Flucht seien. Die weißrussischen Behörden hatten bereits kurz nach dem Anschlag erklärt, dass sie von einem "Terrorakt" ausgingen. Wer für den Anschlag verantwortlich zeichnet, ist allerdings immer noch unklar.

"Ich schließe nicht aus, dass dieses 'Geschenk' aus dem Ausland kommt, aber wir müssen auch bei uns suchen", sagte Präsident Alexander Lukaschenko am Montag bei einer Krisensitzung nach Angaben der Nachrichtenagentur Interfax. "Ich habe Sie gewarnt, dass man uns nicht in Frieden leben lassen würde." Er hatte in der Vergangenheit wiederholt behauptet, Kräfte von außen wollten sein Regime destabilisieren. Der oft als "letzter Diktator Europas" kritisierte Staatschef legte in der Station nahe seiner Residenz Blumen nieder und befahl, die Sicherheitsvorkehrungen in dem ohnehin scharf kontrollierten Land noch zu verstärken.

Die weißrussische Regierung verurteilte die Explosion in der Minsker U-Bahn als Gewaltverbrechen, mit dem die Stabilität im Land untergraben werden solle. Nach Angaben von RIA Novosti machte Lukaschenko den Chef des Geheimdienstes KGB persönlich verantwortlich für die Ermittlungen. "Die Schuldigen müssen so bald wie möglich gefunden werden. Dreht das ganze Land um", sagte der Präsident. "

Russland bot Hilfe bei Ermittlungen an
Auch die russischen Behörden gehen von einem Terroranschlag aus. Der russische Präsident Dmitri Medwedew habe mit Lukaschenko telefoniert und Hilfe bei den Ermittlungen und der Behandlung der Verletzten angeboten, meldete die russische Nachrichtenagentur Itar-Tass. Lukaschenko nahm Medwedews Angebot für den Einsatz russischer Ermittlungsbehörden an. Weißrussland galt bisher nicht als Ziel von Terroristen.

Sprengkraft von fünf bis sieben Kilo TNT
Wie das weißrussische Fernsehen berichtete, hatte die Bombe eine Sprengkraft von fünf bis sieben Kilogramm TNT. Der Sprengkörper sei vermutlich per Fernzünder im Berufsverkehr ausgelöst worden, so Innenminister Kuleschow. Der mit Metallteilen gespickte Sprengsatz dürfte bereits am Vortag unter einer Sitzbank auf dem Bahnsteig Station Oktjabrskaja versteckt worden sein. Rettungskräfte seien innerhalb von drei Minuten nach Unterrichtung über die Explosion am Unglücksort eingetroffen. Die Polizei habe die Zugänge zu den U-Bahn-Stationen Oktjabrskaja und Kupalowskaja abgesperrt.

Nach Angaben des Verteidigungsministeriums wurden 204 Menschen ins Krankenhaus eingeliefert, 26 von ihnen hätten schwere Verletzungen erlitten und zwölf Menschen sind verstorben. Den Angehörigen der Toten versprach die Führung des verarmten Landes jeweils umgerechnet 6.900 Euro Schadenersatz.

Die Station Oktjabrskaja ist nur rund 100 Meter vom Verwaltungsgebäude des Präsidenten und dem Palast der Republik entfernt. Ein großer Krater sei am Ort der Explosion zu sehen, hieß es. Laut Itar-Tass berichteten Augenzeugen, dass Menschen auch beim Einsturz einer Treppe getötet oder verletzt worden seien.

Weißrusslands Führung hinter dem Anschlag?
Die politischen Spannungen in Weißrussland haben seit einer Massendemonstration gegen Lukaschenko im Dezember zugenommen, bei der mehr als 700 Menschen festgenommen wurden, darunter auch sieben Präsidentschaftskandidaten. Bei der umstrittenen Wahl am 19. Dezember wurde Lukaschenko, der seit 1994 mit eiserner Faust die ehemalige Sowjetrepublik regiert, zum klaren Wahlsieger erklärt.

Die angeschlagene Opposition gegen Lukaschenko ist seit Jahren überwiegend friedlich. Zahlreiche Oppositionelle sitzen seit der Präsidentenwahl im Dezember 2010 im Gefängnis oder stehen unter Hausarrest. Führende Regierungsgegner flohen ins Ausland. Das Regime hatte Proteste in der Wahlnacht niederknüppeln lassen.

In Internetblogs war in ersten Reaktionen die Rede davon, dass die weißrussische Führung möglicherweise versuche, von den schweren innenpolitischen Problemen des Landes abzulenken. Weißrussland steht vor dem Staatsbankrott und wartet auf einen Milliardenkredit aus dem Nachbarland Russland. Beobachter erwarten, dass der seit 1994 regierende Lukaschenko die Daumenschrauben nun noch schärfer anziehen wird. Weißrussland ist das einzige Land in Europa, das die Todesstrafe vollstreckt.

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