„EU in meiner DNA“

Kanzler Schallenberg: Auswärts als Heimspiel

Politik
15.10.2021 06:00

Das Parlament und die Innenpolitik sind, zumindest derzeit, definitiv nicht sein Terrain, aber bei seiner ersten Auslandsreise als Bundeskanzler, die ihn zur EU-Spitze nach Brüssel führte, blühte Alexander Schallenberg sichtlich auf. Ganz dezent war zwischen den Zeilen auch eine hauchzarte, kleine Emanzipation von ÖVP-Parteichef Sebastian Kurz zu vernehmen.

So entspannt hat man Alexander Schallenberg seit Tagen nicht gesehen. Bei seiner Regierungserklärung und auch die übrige Zeit im Parlament hat er nicht den Eindruck hinterlassen, als fühle er sich wohl in seiner Haut. Doch am Donnerstag blühte er regelrecht auf, ein Lächeln hier, ein Scherzchen dort, jede Geste sitzt. Auf dem internationalen Parkett fühlt sich der Diplomat wohl, hier ist er daheim. In der großen Delegation, die nach Brüssel gereist ist, wird schon herumgewitzelt, ob Schallenberg nicht am liebsten hierbleiben würde.

Wohlfühl-Termin und Heimspiel
Es ist schon Tradition, dass die erste Auslandsreise eines Regierungschefs nach Brüssel führt. Schallenberg reihte sich in diese Gepflogenheit ein. Empfangen wurde er in der belgischen Hauptstadt von Österreichs EU-Botschafter Nikolaus Marschik, der auch im Gespräch als neuer Außenminister war. Der kurze Ausbruch aus der Innenpolitik, in der sich der Bundeskanzler, der sich bisher ja nur mit Außenpolitik beschäftigt hat, - wenig überraschend - alles andere als sattelfest gezeigt hat, ist ein wahrer Wohlfühl-Termin und ein Heimspiel. Fragen nach dem EU-Budget, nach dem Wiederaufbau, der europäischen Migrationspolitik, aber auch zum Stabilitätspakt beantwortet er souverän, er zitiert aus dem Stegreif Schriftsteller, Philosophen und Politikwissenschafter.

Das sagen Österreicher über den neuen Bundeskanzler - hier im Video:

Kürzer angebunden wird Schallenberg, wenn es um seine Aussagen zu Sebastian Kurz und um die Kritik an seiner bisherigen Linie geht. Es sind zwar nur Nuancen, aber am Donnerstag klangen seine Statements zum ÖVP-Parteichef und ehemaligen Bundeskanzler doch ein klein wenig anders als bisher. Er habe einmal seine Meinung gesagt, so Schallenberg - nämlich, dass er davon ausgehe, dass sich die Vorwürfe gegen Kurz auflösen werden -, das müsse auch einem Kanzler zustehen, aber er werde das nicht wiederholen. „Natürlich“ werde er mit Klubobmann Kurz reden, Vizekanzler Werner Kogler rede ja auch mit der grünen Klubobfrau Sigrid Maurer, sagte Schallenberg. Das war in den vergangenen Tagen doch anders zu vernehmen.

Das Team Kurz arbeitet auf Hochtouren
Hinter vorgehaltener Hand ist jedoch zu hören, dass Sebastian Kurz und sein Team auf Hochtouren an ihrem Comeback arbeiten, dass sie gar nicht daran denken, sich weiter zurückzuziehen oder sogar ganz von der politischen Bühne zu verschwinden. Der ehemalige Bundeskanzler soll den neuen Kanzler sehr, sehr häufig kontaktieren und dabei stets versuchen, Meinungen und Linie vorzugeben.

„In Sachen EU brauche ich keinen Einflüsterer“
In Sachen EU braucht Schallenberg jedenfalls keinen Einflüsterer. Er habe die EU sozusagen in seiner DNA, sagte er am Donnerstag in Brüssel. Mit Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen habe er freilich auch über die derzeitige Lage in Österreich gesprochen, die Chats seien aber kein Thema gewesen, betonte Schallenberg. Zum Vorgehen der EU-Kommission gegen Polen meinte der Bundeskanzler: „Die Grundwerte, die Rechtsstaatlichkeit sind nicht verhandelbar.“

Kommende Woche geht es wieder ins Ausland
Alexander Schallenberg hat nun wieder einige, wohl turbulente, innenpolitische Tage vor sich, bevor er, quasi zur Regeneration, wieder ins Ausland darf. Kommende Woche findet in Brüssel der Gipfel der europäischen Staats- und Regierungschefs statt, wo die steigenden Energiepreise in Europa ein zentrales Thema sein werden. „Ich freue mich darauf“, betonte Schallenberg nach seinen gestrigen Terminen. Doch er wird sich nicht auf Dauer in der internationalen Politik verstecken können, ein Bundeskanzler muss auch die Innenpolitik beherrschen.

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