Nach EU-Skandal

Einfluss ohne Ende? Lobbyisten-Flut auch im Nationalrat

Österreich
22.03.2011 15:35
Die Lobbyisten-Affäre um den zurückgetretenen EU-Abgeordneten Ernst Strasser (ÖVP) wirft die Frage nach Lobbying auch im österreichischen Parlament auf. Und siehe da: Im Hohen Haus sitzen zahlreiche Mandatare, die Nebenjobs ausüben, die ihre politische Arbeit beeinflussen könnten. So finden sich dort Gewerkschafter, Aufsichtsräte - und auch zahlreiche Banken-Vertreter. Der Raiffeisen-Gruppe fehlt sogar nur ein Mandat zum "Klubstatus".

Sie ist beachtlich, die Liste der ÖVP-Nationalratsmandatare, die nebenher auch für Banken tätig sind. Bildungssprecher Werner Amon arbeitet laut Nebenbeschäftigungsliste auch für die "direktanlage.at"-Bank, und auch Michael Ikrath, Generalsekretär des Sparkassenverbandes, sitzt für die Volkspartei im Hohen Haus am Wiener Ring.

Raiffeisen kurz vor "Klubstatus"
Interessant ist die Armada der Mandatare, die beruflich an die Raiffeisen-Gruppe gebunden sind. Ferdinand Maier, Generalsekretär des Raiffeisenverbandes, Jakob Auer, Aufsichtsratspräsident der Raiffeisen Landesbank OÖ, Anna Höllerer und Karl Donabauer von der Raiffeisen NÖ - damit fehlt dem Raiffeisenkonzern nur mehr ein Mandat zum "Klubstatus".

Bei der ÖVP sind freilich auch die Agrarier mächtig vertreten. Gleich in der ersten Reihe sitzt Bauernbund-Präsident Fritz Grillitsch. Auch die Präsidenten der Niederösterreichischen und der Salzburger Landwirtschaftskammer, Hermann Schultes und Franz Eßl, sind ÖVP-Abgeordnete. Hermann Gahr ist ebenfalls aus der Landwirtschaftskammer.

Starker ÖVP-Wirtschaftsflügel
Der Klubchef der ÖVP, Karlheinz Kopf, war früher Generalsekretär des Wirtschaftsbundes, sein Nachfolger Peter Haubner sitzt auch im Nationalrat. Aus der Wirtschaftskammer kommen Adelheid Fürntrath-Moretti und Konrad Steindl. Josef Lettenbichler kommt aus der IV-Tirol. Gabriel Obernosterer ist Vize-Spartenobmann für Tourismus in der Kammer. Auch die SPÖ hat Wirtschaftsvertreter in ihren Reihen, darunter Christoph Matznetter als Vizepräsidenten der Wirtschaftskammer.

Interessant sind die Nebenbeschäftigungen der früheren ÖVP-Führungsriege. Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel ist Aufsichtsrat beim deutschen Stromriesen RWE. Er ist im Zuge der Atom-Debatte deswegen in die Kritik geraten. Sein Nachfolger als ÖVP-Chef, Ex-Vizekanzler Wilhelm Molterer, ist für den Stahlkonzern Voest tätig. Das ist auch insofern bemerkenswert, als sein früherer Sprecher Nikola Donig jetzt Sprecher des ehemals roten Paradeunternehmens ist. Die Grüne Ruperta Lichtenecker sitzt im Aufsichtsrat der Energie AG OÖ. Auch NGOs haben ihre Connections im Hohen Haus, so ist etwa der Abgeordnete August Wöginger (ÖVP) Betriebsrat beim Roten Kreuz.

Viele SPÖ-Gewerkschafter im Hohen Haus
Bei der SPÖ ist hingegen die Gewerkschaftsfraktion stark vertreten. Dazu gehören Wolfgang Katzian, FSG-Chef und Vorsitzender der Privatangestellten-Gewerkschaft (GPA), Sabine Oberhauser, Vizepräsidentin des Gewerkschaftsbundes (ÖGB), Eisenbahner-Gewerkschafter Wilhelm Haberzettl, Kärntens ÖGB-Vorsitzender Hermann Lipitsch, die ehemalige ÖGB-Frauenvorsitzende Renate Csörgits, Ex-Frauenministerin Heidrun Silhavy, Josef Muchitsch von der Gewerkschaft Bau-Holz, Franz Riepl, Erwin Spindelberger und Walter Schopf. Johann Maier und Johann Hechtl kommen aus der AK.

In der ÖVP gibt es zwar ebenfalls Arbeitnehmervertreter, aber deutlich weniger. Dazu zählen Fritz Neugebauer, Chef der Beamten-Gewerkschaft, Gabriele Tamandl von der Arbeiterkammer Wien und Bildungssprecher Werner Amon, ehemals Generalsekretär des ÖAAB.

Blaue und Orange vor allem im PR-Bereich aktiv
Einige Abgeordnete haben eigene Firmen, wie etwa Herbert Scheibner vom BZÖ, der die "Scheibner Business Development GmbH" betreibt. In der PR- und Kommunikationsbranche sind die Kärntner Stefan Petzner (BZÖ) für das PR-Unternehmen Wagner in Monte Carlo und Martin Strutz (FPK) als Geschäftsführer der frisch gegründeten "NAMOS Kommunikations GmbH" tätig. Der frühere Wirtschaftsminister Martin Bartenstein (ÖVP) hat das Familien-Pharmaunternehmen "Gerot-Lannach". Unternehmensberatung als Nebenjob haben weiters Katharina Cortolezis-Schlager (ÖVP) und Martin Graf (FPÖ) angegeben.

Mandatare uneinsichtig: "Hauptsache Transparenz"
Die Abgeordneten im Nationalrat sehen ihre Nebenjobs unproblematisch. Sie seien keine Lobbyisten, sondern vielmehr Interessensvertreter - und das sei legitim, so der Tenor am Rande der Sondersitzung am Dienstag im Parlament. Man könne im Hohen Haus ein Mandat ausüben und gleichzeitig für Interessensvertretungen oder in der Privatwirtschaft aktiv sein. Bedingung sei, dass die Tätigkeit offen ausgeübt wird.

"Das Wichtigste ist die Transparenz", sagte FSG-Boss Katzian. Es müsse klar sein, wofür ein Abgeordneter außerhalb des Hohen Hauses tätig ist, so der Energiesprecher der SPÖ. Jeder wisse, dass er Gewerkschafter sei - und dies sei auch der Grund, warum er im Parlament sitze: Er versuche, dort im Interesse der Gewerkschaftsmitglieder mitzugestalten.

Petzner sieht "Graubereich" - aber nicht bei sich selbst
Ähnlich die Meinung seiner Klubkollegin Oberhauser. Die stellvertretende ÖGB-Präsidentin sagte, sowohl bei Nationalratsabgeordneten aus Gewerkschaften als auch aus den Kammern würde es sich um "offenes Lobbyieren" handeln. Es sei eben nicht egal, wer hinter einem Interesse stehe.

Für den BZÖ-Abgeordneten Petzner ist es kein Problem, wenn Interessensvertreter wie Gewerkschafter im Nationalrat ein Mandat ausüben. Er sieht allerdings schon einen "Graubereich" - und zwar dann, wenn Personen, die Unternehmen verpflichtet sind, im Plenum sitzen. Namentlich nannte er die ÖVP-Abgeordneten Ikrath und Maier als Beispiele. Auch die Aufsichtsrats-Tätigkeit von Ex-Kanzler Schüssel beim deutschen Energiekonzern RWE sieht Petzner kritisch. Betreffend seiner eigenen Nebentätigkeit bei einer PR-Agentur in Monaco sieht Petzner keine Unvereinbarkeit: "Wir haben nichts mit Lobbyismus zu tun", es handle sich um eine PR-Agentur, die außerdem nur im Ausland tätig sei.

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