Album „Hy Brasil“

Rea Garveys Flucht in eine musikalische Traumwelt

Musik
24.11.2020 06:00

In den letzten Jahren wusste der irisch-deutsche Superstar Rea Garvey selbst nicht mehr so genau, ob er jetzt lieber vor der Kamera oder im Studio stehen würde. Mit seinem fünften Album „Hy Brasil“ hat er sich aber klar entschieden und flüchtet gemeinsam mit seinem Fans aus der harschen Realität des Alltags. Im ausführlichen Interview erzählte uns der 47-Jährige einiges über Träume, Tochter und Vergangenheit.

(Bild: kmm)

Es wundert niemanden, dass man in prekären und unsicheren Zeiten wie diesen gerne in eine Fantasiewelt flüchten möchte. Lockdown zwei, wo arbeiten erlaubt und so gut wie jeder Spaß verboten ist. Wird Weihnachten auch nur annähernd so, wie wir es gewohnt sind? Was tun, wenn man die Streamingdienste bist in die letzten Winkel durchgeschaut hat und auch die letzte Jogginghose vom stundenlangen Home Office durchgesessen ist? Rea Garvey macht das Beste daraus und flüchtet sich nach „Hy Brasil“, eine seinem neuen Album titelgebende Insel, die er noch gut aus seiner Kindheit kennt, wie er der „Krone“ verrät. „Es ist der Name einer Insel, die im 13. Jahrhundert im westlichen Irland entdeckt wurde und im 17. Jahrhundert wieder verschwand. Diese Geschichte haben wir als Kinder immer gehört, weil es der Sitz der Königin war und die Elfen dorthin flogen, um jung zu bleiben. Für mich war es ein Sehnsuchtsort, wenn es gerade nicht so schön war.“

Zurück zur Magie
Seinen Sehnsuchtsort hat Garvey danach in der Musik gefunden und genau dort liegt nun die Brücke zur Kindheit. „Vor zwei Jahren habe ich bemerkt, dass es sich zu einer Liebe auf Distanz entwickelte. Ich war ständig nur am Dinge erledigen und der Terminkalender war so voll, dass ich keine Zeit mehr für Kreativität hatte. Als ich mir dann die Zeit nahm und mich hinsetzte, dachte ich an die Insel. An diesen magischen, mystischen Ort, an dem alles gut ist. Die Platte gibt mir das Gefühl, endlich wieder angekommen zu sein. Gibt es Hy Brasil wirklich oder ist es eine Phantominsel? Im Endeffekt geht es darum, was ich glaube und ich glaube fest daran. So wie ich fest daran glaube, dass diese Platte erfolgreich sein wird.“ Nachdem der Vorgänger „Neon“ als erstes Garvey-Werk mit Gold geadelt wurde, kann der Künstler einen gewissen Druck nicht abstreiten. „Musik ist und bleibt ein Abenteuer. Ich will mich immer neu erfinden, ohne aber auf meine Stärken zu verzichten. Wichtig ist nur, dass man die ausgetretenen Pfade immer wieder verlässt, und sich auf etwas Neues, Unbekanntes einlässt.“

Der Geschichtenerzähler und Albenliebhaber vergleicht die Arbeit an seinem fünften Werk mit Alpinismus: „Der Weg auf den Berg namens ,Hy Brasil‘ war steinig, aber nun habe ich ihn geschafft und genieße die Aussicht.“ Musikalisch lässt sich nicht verleugnen, dass der 47-Jährige sich mit den gängigen Trends beschäftigt hat und in Songs wie „Hey Hey Hey“ oder „The One“ durchaus elektronisch ans Werk geht, was auch an den zahlreichen Produzenten liegt, die um Garveys Kreativkunst schwirren. Inhaltlich zeigt sich der toughe Ire, wie man es von ihm gewohnt ist, meist emotional und offen. Etwa beim angesprochenen „The One“, eine Ode an seine Teenager-Tochter. „Es ist so schwer heute in diesem Alter zu sein. Alle schauen dir zu und du darfst keine Fehler machen. Als ich jung war, gab es keine Kameras und ich bin verdammt froh darüber“, lacht der stolze Vater, „einer Teenie-Tochter kann man nicht viel mitgeben. Sie soll wissen, dass sie mit allem zu mir kommen und immer über alles mit mir reden kann. Meine Frau und meine Tochter sind stark und brauchen meinen Schutz nicht, aber sie sollen wissen, dass dieser Schutz da ist.“

Gemütsänderung
Garvey selbst hat als Sohn eines leidenschaftlichen Polizisten in der irischen Provinz nicht diese bedingungslose Wärme gespürt. „Die Zeiten sind heute andere als früher, aber ich liebe meinen Vater, der immer großartig war.“ Verarbeitet hat er seine eigene Jugend im emotionalen Song „Men Don’t Cry“, dessen Titel natürlich ironisch gemeint ist. „Mein Vater konnte nie richtig weinen und weil sein Vater früh starb, musste er früh der Herr im Haus sein. Das und sein Job haben ihn geprägt und ich musste ihm beibringen, auch einmal loslassen zu können. Als ich als Student nach dem Wochenende daheim zurück nach Dublin fuhr, habe ich ihn am Bahnhof förmlich dazu gezwungen, mich zu umarmen. Er war überfordert, aber es war sehr schön. Als ich dann nach Deutschland kam und er mich hier das erste Mal besuchte, umarmte er mich sofort und ich war völlig perplex. Er kann seine Gefühle heute anders zeigen, weil er ein sensibler Mensch ist, der diese Seite durch seine Arbeit als Polizist oft verbergen musste.“

Die programmatische Nummer „Be The Best I Can Be“ wiederum ist eine Botschaft an ihn selbst. „Das hast du gut beobachtet, denn die meisten glauben, es wäre ein Song, der sich um eine Beziehung dreht. Vielmehr geht es aber darum, dass ich mir selbst schon oft im Weg stand und in gewissen Bereichen des Lebens wahrscheinlich weiter wäre, hätte ich Entscheidungen anders getroffen. Ich bin leider ein Typ, der viele Dinge im Leben manchmal zu ernst nimmt oder zu schwer sieht. Loslassen oder locker sein zu können, das ist ein ständiger Prozess und manchmal muss ich hart daran arbeiten, mit mir selbst klarzukommen.“ Einen Typen wie er selbst einer ist, würde er gerne als künftigen Partner für seine Tochter sehen. „Ich mag eben echte Kerle, da bin ich ein bisschen Old-School. Kerle, die Loyalität, Freundschaft und Verantwortung verstehen und beherzigen. Die dazu stehen, was sie denken und sagen und die eben auch Schutz bieten können.“

Angenehmes Unwohlsein
Garvey zog es in den letzten Jahren zunehmend vor die Kamera, was mitunter ein Grund für die Selbstreflektion war, wieder mehr Konzentration auf die Musik zu legen. „The Masked Singer“, „The Voice Of Germany“ und die aus seinem Wohnzimmer während des Lockdowns gesendeten „The Yellow Jacket Session“ - es gab eine Menge zu tun. „Es ist wichtig, dass ich mich im Studio nicht wohler fühle als vor der Kamera“, fasst er den direkten Vergleich zusammen, „in meiner Musik bin ich immer komplett echt. Da brauche ich nicht immer super drauf zu sein, denn die Emotionen müssen raus. Derzeit geht es mir besser damit ein Musiker zu sein, der im Fernsehen ist, als ein Fernsehstar zu sein, der nur nebenbei seine Musik macht.“ „Hy Brasil“ soll schlussendlich nicht nur für ihn, sondern auch für seine Fans tröstlich wirken in einer Zeit, die immer noch von großer Ungewissheit geprägt ist. Am 15. April wäre ein Live-Auftritt in der Wiener Ottakringer Brauerei geplant. Drücken wir ihm und uns die Daumen…

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