Gernot Blümel im Talk:

„Ich war noch nie auf einer Demonstration“

Wien
09.09.2020 06:00

Schöne Gespräche an schiachen Orten - heute mit ÖVP-Spitzenkandidat Gernot Blümel.

„Krone“: Herr Finanzminister, wir haben die Spitzenkandidaten für die Wien-Wahl gebeten, uns den schiachsten Ort in Wien zu zeigen. Warum haben Sie sich für das Ernst-Kirchweger-Haus in Favoriten entschieden?
Gernot Blümel: Beim Ernst-Kirchweger-Haus besteht in mehreren Punkten großer Verbesserungsbedarf: Einerseits von der ästhetischen Seite, andererseits ist es auch ein Symbol für einen Eigentumsbegriff, den ich nicht verstehe. Es gibt seltsame Eigentumsverhältnisse nach einer Hausbesetzung. Das Haus gilt zudem als Hochburg von linksextremen Organisationen, und es kommt im Umfeld immer wieder zu Ausschreitungen, wie zuletzt vor einigen Wochen.

Wie würden Sie die Situation verbessern, wenn Sie nach der Wahl in die Stadtregierung einziehen würden?
Ich wäre dafür, das Ernst-Kirchweger-Haus zu schließen. Die Ausschreitungen, zu denen es hier immer wieder kommt, schaden dem gesamten Grätzel.

Gibt es noch andere hässliche Orte, die ihnen einfallen?
In dieser Dimension keinen, aber es gibt großes Verbesserungspotenzial in der Stadtplanung, wie z.B. am Handelskai. Wir haben ein Konzept für ein Stadtentwicklungsgebiet entworfen, um Leben ans Wasser zu bringen und schwimmende Märkte und Hochhäuser zu ermöglichen.

Warum sind Sie in die Politik gegangen, gab es da für Sie ein Schlüsselerlebnis?
Es war immer der Ärger, dass alles nicht so läuft, wie ich es als richtig empfinde. So hat mich z.B. das ständige Schuldenmachen des Staates immer gestört. Ich wollte es nie akzeptieren, dass man Dinge nicht verändern kann. Darum bin ich in die Politik gegangen. Ich denke, wir haben als Türkise in der Regierung bewiesen, dass man große Reformen umsetzen kann, etwa in der Sozialversicherung.

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Wenn es hieß: ,Das geht nicht' oder ,Das ist halt so', hat mich das besonders motiviert, die Dinge doch noch zu verändern.

Gernot Blümel (ÖVP)

Der Spruch „Wer mit 20 kein Linker ist, hat kein Herz, wer es mit 40 Jahren noch ist, hat kein Hirn“ hat offenbar auf Sie nicht zugetroffen?
Ich habe den Zugang immer anders gesehen. Mir war klar: Wenn ich was bewegen will, muss ich was leisten. Ich wollte immer das System von innen heraus verändern. Reform statt Revolution war immer mein Motto. Ich bin nicht für eine destruktive Zerstörung, sondern für eine sachte Weiterentwicklung.

Wann waren Sie zuletzt auf einer Demonstration?
Ich war noch nie auf einer Demonstration.

Auch nicht in der Studentenzeit?
Ich habe immer den konstruktiven Zugang gewählt. Wenn ich etwas verändern will, muss ich in das System hinein und etwas tun. Nur die Meinung zu artikulieren, ist mir zu wenig

Welche politische Position würden Sie gerne in zehn Jahren einnehmen?
Da wäre ich gerne Wiener Bürgermeister.

Das Amt des Bundeskanzlers würde Sie nicht reizen?
Das ist gut besetzt.

Wir gehen noch einen großen Schritt weiter: Was kommt nach dem Tod?
Nachdem ich Katholik bin, kommt entweder das Paradies oder das Fegefeuer.

Wie wird das Paradies ausschauen? Haben Sie eine Vorstellung davon?
Nein, aber das ist ja das große Geheimnis.

Ihre Diplomarbeit im Philosophiestudium beschäftigte sich mit der christlichen Soziallehre. Wie viel davon steckt in der Wiener ÖVP?
Viel. Die christliche Soziallehre ist eine Philosophie und keine Religion. Das Schöne an ihr ist, dass sie die Fähigkeit hat, sich ständig weiterzuentwickeln.

Wie passt das mit Kürzungsplänen bei der Mindestsicherung oder einer harten Migrationspolitik zusammen?
Das passt 100-prozentig zusammen. Jeder, der Hilfe braucht, soll sie bekommen. Hilfe zur Selbsthilfe ist das Solidaritätsprinzip der christlichen Soziallehre. Wenn aber jemand gar nicht arbeiten will oder Geld bekommt, das er nicht braucht, dann ist es ein Affront gegenüber jenen Menschen, die mit ihren Steuern das System finanzieren. Das verstehe ich unter einer Mitte-Rechts-Politik mit Anstand.

Als Finanzminister sind Sie der oberste Säckelwart der Republik. Für welche Dinge geben Sie privat viel Geld aus?
Für die Wohnung, die ich vor ein paar Jahren gekauft habe. Das war mit Sicherheit die größte Investition.

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Wenn man es sich leisten kann oder einen Kredit erhält, dann in eine Immobilie investieren. Am Sparbuch wird das Geld nicht mehr.

Gernot Blümel (ÖVP)

Wie viel Zeit bleibt im Wahlkampf noch für die Familie?
Leider derzeit wenig. Meine Tochter ist sechs Monate alt, und Zeit verbringe ich mit ihr immer in der Früh. So eineinhalb bis zwei Stunden.

Wechseln Sie Ihrer Tochter auch die Windeln?
Selbstverständlich. Wenn ich Zeit mit meiner Tochter verbringe, gehört das dazu.

Hat sich als Vater Ihr Blick auf die Politik verändert?
Dinge, die ich schon früher als Probleme empfunden habe, stören mich noch mehr. Ich bin jetzt noch motivierter, zu gestalten.

Welche Hobbys haben Sie, falls noch Zeit bleibt?
Den Sport. Wenn wenig Zeit ist, laufe ich oder mache den Zirkel zu Hause. Wenn mehr Zeit ist, gehe ich ins Fitnessstudio und bei schönem Wetter Wakeboarden.

Sie sollen auch leidenschaftlicher Fußballer sein?
Früher, bis mir bei einem Foul das Kreuzband und der Meniskus ruiniert wurden. Sehr verheißungsvoll war meine fußballerische Karriere allerdings nicht.

Klassische Frage in Wien: Austria oder Rapid?
Rapid. Ich wurde Anfang der 1990er-Jahre Fan, als es dem Klub nicht so gut ging, und habe seither viele tolle Spiele im Stadion miterlebt.

Zum Abschluss: Bei welchem Film haben sie zuletzt geweint?
(Überlegt) Es war etwas mit Kindern. Aber das ist vielleicht auch etwas, dass sich als Vater ändert. Wenn es um Kinder geht, wird man einfach emotionaler.

Philipp Wagner, Kronen Zeitung

Lesen Sie demnächst: Welchen hässlichen Ort Christoph Wiederkehr am hässlichsten findet. Zum Auftakt der Interview-Serie zur Wien-Wahl sprach „Krone“-Wien-Ressortleiter Michael Pommer mit SPÖ-Bürgermeister Michael Ludwig. FPÖ-Spitzenkandidat Dominik Nepp zeigte dann „Krone“-Redakteurin Maida Dedagić seinen schiachsten Platz in Wien. Stadt-Vize Birgit Hebein (Grüne) lud Alexander Schönherr in die Gumpendorfer Straße ein.

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