14 Männer angeklagt

Prozess nach Anschlag auf „Charlie Hebdo“ startet

Ausland
31.08.2020 08:17

Mehr als fünf Jahre nach dem Anschlag auf die französische Satirezeitung „Charlie Hebdo“ wird 14 Komplizen und Hintermännern ab Mittwoch nun der Prozess gemacht. Mit dem Schlagwort „Je suis Charlie“ - „Ich bin Charlie“ - wurde weltweit das Mitgefühl für die zwölf Medienschaffenden ausgedrückt, die im Kugelhagel der Terroristen starben. Es ist das bisher größte Verfahren wegen der islamistischen Anschlagsserie mit insgesamt 258 Todesopfern in Frankreich.

Die Pariser Anti-Terror-Staatsanwaltschaft hat den Prozess bis zum 10. November angesetzt. Ursprünglich sollte er bereits im Mai beginnen, doch die Corona-Krise und der Lockdown kamen dazwischen. 14 Männer müssen sich nun verantworten, die die Brüder Chérif und Saïd Kouachi dabei unterstützt haben sollen, am 7. Jänner 2015 die Redaktionsräume von „Charlie Hebdo“ zu stürmen und das Feuer zu eröffnen. Es starben unter anderem einige der bekanntesten Zeichner Frankreichs. Die Kouachi-Brüder selbst wurden nach einer zweitägigen Verfolgungsjagd durch Elitepolizisten aufgespürt und getötet.

Blutbad kurz darauf in jüdischem Supermarkt
Zudem sollen die Verdächtigen dem mit den Brüdern befreundeten Islamisten Amédy Coulibaly geholfen haben. Er tötete am 8. und 9. Jänner 2015 eine Polizistin in einem Pariser Vorort und vier weitere Menschen bei der Geiselnahme in dem vor allem von Juden frequentierten Supermarkt Hyper Cacher. Coulibaly wurde erschossen, als die Polizei das Geschäft stürmte.

Drei Angeklagte sind vermutlich schon tot
Drei der 14 Angeklagten können nicht vor Gericht gestellt werden: Sie kamen nach Einschätzung von Geheimdiensten vermutlich in Syrien oder im Irak ums Leben, werden aber weiter mit internationalem Haftbefehl gesucht. Rund 200 Menschen haben sich als Zivilkläger dem Strafverfahren angeschlossen. Unter ihnen sind Überlebende und Angehörige der insgesamt 17 Anschlagsopfer. „Dieser Prozess ist ein wichtiger Schritt für sie“, sagen die Anwältinnen der Opfer von „Charlie Hebdo“, Marie-Laure Barré und Nathalie Senyk. „Sie erwarten, dass ihnen Gerechtigkeit widerfährt.“

Ganz Frankreich erhofft sich von dem Prozess Aufklärung über die Hintergründe der grausamen Anschläge, hinter denen das Extremistennetzwerk Al-Kaida im Jemen und die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) stecken sollen. Als Hauptangeklagter soll Ali Riza Polat vor dem Schwurgericht erscheinen, ein französischer Staatsbürger türkischer Herkunft. Dem 35-Jährigen droht eine lebenslange Haftstrafe. Er soll laut Anklage „auf allen Ebenen“ eine zentrale Rolle bei der Vorbereitung der Attentate gespielt und Waffen beschafft haben. Er wurde im März 2015 nach mehreren gescheiterten Fluchtversuchen nach Syrien verhaftet.

Ebenfalls lebenslänglich droht dem vermutlich getöteten Mohamed Belhoucine, das Urteil gegen ihn hat deshalb vor allem symbolische Bedeutung. Er soll für die Radikalisierung Coulibalys verantwortlich sein, den er im Gefängnis kennengelernt hatte. Belhoucine soll ihm Kontakte zur IS-Miliz ermöglicht und seinen Treueschwur zu den Extremisten verfasst haben. Die meisten anderen Angeklagten stehen wegen „Mitgliedschaft in einer Terrorgruppe“ vor Gericht, ihnen drohen bis zu 20 Jahre Haft.

Magazin nach Anschlag weder „demütiger“ noch „diskreter“
Dem oft bitterbösen Humor von „Charlie Hebdo“ hat der Anschlag nichts anhaben können - auch wenn sich die Satirezeitung im 50. Jahr ihres Bestehens mehr mit der Pandemie befasst als mit der islamistischen Gefahr. „Die Zeitung ist noch immer da“, schrieb jüngst Redaktionsleiter Riss, der den Angriff schwer verletzt
überlebte. „Wer dachte, das Massaker habe sie demütiger und diskreter gemacht, hat sich getäuscht.“

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