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KW 33 - die wichtigsten Neuerscheinungen der Woche

Musik
15.08.2020 06:00

Musik als Lebenselixier - besonders für das Wochenende, wo man hoffentlich auch Zeit dafür hat. Wir haben für euch wieder die besten Alben und Veröffentlichungen der Woche zusammengesammelt. Quer durch alle Genres ist hier garantiert für jeden was dabei. Viel Spaß dabei

(Bild: kmm)

Hannah Aldridge - Live In Black And White
Ehrlichkeit und Authentizität sind wichtige Prämissen im Schaffen amerikanischer Country-Künstler. Hannah Aldridge hat damit absolut kein Problem, durchziehen ihre Texte doch Erfahrungen mit Drogenmissbrauch, traumatische Jugenderlebnisse und toxische Beziehungen. Die Tochter von Nashvilles Produzenten-Legende Walt Aldridge gibt tiefe Einblicke und würzt das auf ihrem Livealbum „Live In Black And White“ auch mit der richtigen Atmosphäre. Etwas Honky-Tonk in den lässigeren Momenten, Dark Southern, wenn es ernster wird und traditioneller Country, der sich mit Joshua-Tres-Sounds vermischt (etwa in „Lace“). Eine feine Werkschau über eine „echte“ Künstlerin. Ohne Bewertung

All We Are - Providence
Während Künstler wie Taylor Swift zwar zweifellos grandiose Musik veröffentlichen, damit aber nicht unbedingt den sommerlichen Zeitgeist erwischen, treffen andere voll ins Schwarze. Etwa das aus Liverpool stammende Trio All We Are, das auf „Providence“ mit einer poppigen Leichtfüßigkeit daherkommt, die unweigerlich von kühlen Cocktails, sandigen Stränden und romantischen Sonnenuntergängen träumen lässt. Die psychedelische Ausrichtung mit Krautrock-Referenzen des 2017er Werks „Sunny Hills“ wird zugunsten einer zeitgeistigeren Zugänglichkeit ad acta gelegt. Warme Elektronik ist verstärkt zu vernehmen, auch dem schwungvollen Funk sind Richard O’Flynn und Co. mehr als zugetan. „Providence“ ist somit der perfekte Soundtrack zum Träumen auf saftigem Wiesengrün. 8/10 Kronen

Citrus Sun - Expansions And Visions
Mit seiner Acid-Jazz-Combo Incognito hat es Jean-Paul „Bluey“ Maunick seit Ende der 70er-Jahre auf 16 Studioalben und einen respektablen Genre-Bekanntheitsgrad gebracht. Seiner weit weniger ernsthaftes und durchaus verspielteres Nebenprojekt nennt sich Citrus Sun und wirft mit „Expansions And Visions“ den insgesamt vierten Langspieler auf den Markt. „Spaß und Unterhaltung“ seien hier das oberste Ziel, wie er nicht müde wird zu betonen und genau das bekommt der geübte Jazz-Aficionado hier auch zu hören. Aufgenommen an der thailändischen Südküste hört man die sommerlich-sonnige Leichtigkeit zu jeder Zeit. Die Songs haben durchwegs Lounge-Charakter und verzetteln sich nicht in schräges Gespiele. „Expansions And Visions“ ist Bigband-Jazz im besten Sinne und kann bedenkenlos genossen werden. 7/10 Kronen

Converge - Pound For Pound: The Wolverine Blues Sessions EP
Keine Angst, liebe Converge-Fans. Ihr habt nichts verpasst, hier ist nichts neu. Die 2013 aufgenommene EP „Pound For Pound: The Wolverine Blues Sessions EP“ erfährt dieser Tage aber eine ganz besonders schöne Aufwertung. Nachdem beim legendären Entombed-Sänger LG Petrov unlängst unheilbarer Krebs diagnostiziert wurde, springen Fans, Wegbegleiter und Freunde finanziell in die Presche, um die Behandlung mit zu finanzieren. Die US-Brachialrabauken Converge, die vor sieben Jahren ihren Lieblingstrack fünfmal mit verschiedenen Sängern aufgenommen haben, spenden alle Einnahmen der digitalen EP an die „GoFundMe“-Kampagne. Das ist wahre Unterstützung und Selbstlosigkeit - helft alle mit! Ohne Bewertung

Crack Ignaz - Sturm & Drang
„König der Alpen“, „sweete Mozartkugel“ oder „Leader der Herzschmerzgang“ - der Salzburger Crack Ignaz hat viele Bezeichnungen und sie alle treffen irgendwie zu. Im Mainstream nach wie vor zu oft und zu Unrecht ignoriert veröffentlicht der engagierte Rapper seit einigen Jahren wundervolle Tracks, die lieber auf Alltagsbeobachtungen und allgemeine Themen setzen, denn auf Drogenverherrlichung und dicke Hose. „Sturm & Drang“ ist sein drittes Full-Length-Album und wird der Generation Z einmal mehr aus dem Herzen sprechen. Er spricht über Beziehungen in den unterschiedlichsten Formen. Die „Herzschmerzgang“ oder „Bipolar“ lassen wenig Fragen offen, aber Beziehungen verbindet Crack Ignaz nicht nur inhaltlich, sondern auch mit den richtigen Sounds, die sich feingliedrig zwischen Trap und Old-School-Hip-Hop bewegen. Mehr Synthesizer und die verlorene Angst vor großen Pop-Momenten machen „Sturm & Drang“ zu einer einheimischen Genreperle. 7,5/10 Kronen

James Dean Bradfield - Even In Exile
Schon herrlich zu sehen, wie viele Künstler in den langweiligen Corona-Monaten mit neuem Material hervorkommen. Teilweise nach ewiger Abwesenheit. Das letzte Album von James Dean Bradfield etwa datiert aus dem Jahr 2006 - eine gefühlte Ewigkeit. Der hauptamtliche Sänger der Manic Street Preachers hat sich für sein Solo-Comeback „Even In Exile“ von der Literatur inspirieren lassen. Das Album dreht sich konzeptionell lose um Leben und Tod des chilenischen Poeten/Sänger/Aktivisten Victor Jara. Dichter Patrick Jones hat exklusiv für dieses Album getextet, während Bradfield fast im Alleingang für die Instrumentierung in Südwales sorgte. Die zehn Originalsongs und ein Jara-Cover sind herzhaft und liebevoll eingespielt, musikalisch changiert Bradfield zwischen Western-Country, softem Rock und britischen Pop-Zitaten. Nächstes Jahr folgt übrigens das Album seiner Hauptband. 7/10 Kronen

Burna Boy - Twice As Tall
Der Radiohit „Like To Party“ begeisterte 2021 auf den Tanzflächen, ein Jahr später begeisterte der Nigerianer Burna Boy auf seinem Debütalbum „LIFE“ die Massen. Von da an ging es mit dem heute 29-Jährigen steil bergauf. Vertrag bei Warner, Majorlabel-Debüt mit „Outside“, eine Grammy-Nominierung für das Top-Album „African Giant“ und Kollaborationen mit Sam Smith und Ed Sheeran - der Reggae/Dancehall-Künstler ist längst in der Top-Liga angekommen. Mit der immer populäreren Mischung aus diesen beiden Richtungen, R&B, Pop und dem boomenden Afrobeat wartet Burna Boy auch auf „Twice As Tall“ auf. Mit Songs wie „Way Too Big“ oder „Monsters You Made“ befinden sich auch wieder richtige Hits auf dem Werk, mit dem Damini Ogulu seinen starken Stand im Musikbusiness locker einzementieren wird. 7/10 Kronen

Kathleen Edwards - Total Freedom
Sich einmal fünf Jahre lang komplett aus dem Musikbusiness zurückzuziehen, um der überfordernden Industrie zu entgehen und lieber ein Kaffeehaus zu eröffnen - viele reden davon, die Kanadierin Kathleen Edwards hat es durchgezogen. So ist „Total Freedom“ auch ihr erstes Album seit acht Jahren und wenn man sich die sanften Alternative Country/Indie-Preziosen zu Gemüte führt merkt man erst wieder, wie sehr sie gefehlt hat. Die Ex-Freundin von Justin Vernon/Bon Iver wirkt ausgeruht, entspannt und dennoch hungrig, was mach auch eins zu eins so auf ihr Material umlegen kann. „Total Freedom“ blickt zurück auf die Jahre der Selbstständigkeit und Freiheit. Es zeigt eine gereifte Künstlerin mit dem dringlichen Gespür für Roadmovie-Songs und massig Erinnerungen an längst vergangene Lebensphasen. Das perfekte Album für die Midlife-Crisis. 7,5/10 Kronen

Lindsay Ell - Heart Theory
Geschickt hat die Kanadierin Lindsay Ell ihr brandneues Album „Heart Theory“ über die sozialen Netzwerke beworben. Wie eine digitale Schnitzeljagd wurden Ankündigungsschnipsel und Snippets gestreut, wie man es eben im digitalen Zeitalter so macht, um die Spannung stets hoch zu halten. Auf ihrem neuen Werk hat sich die Country-Sängerin weit rausgelehnt und in den insgesamt zwölf Songs die sieben Phasen der Trauer behandelt. Schock, Leugnung, Wut, Verhandlung, Depression, Austesten und Akzeptanz werden in poppige, oft allerdings etwas zu balladeske Songs gegossen, die den Kitschfaktor das eine oder andere Mal verdächtig stark überschreiten. Für die Übersee-Chartstürmerin aber garantiert der nächste Schritt in den Country-Himmel. In Europa dauert es noch etwas. 6,5/10 Kronen

Ella Eyre - Quarter Life Crisis EP
Die in sie gesetzten, sehr hohen Erwartungen konnte Ella Eyre im Endeffekt doch nicht so ganz erfüllen. Mit der Rudimental-Kollaboration „Waiting All Night“ wurde die britischen Pop/R&B-Sängerin 2013 in die Öffentlichkeit gespült, es folgten Zusammenarbeiten mit Bastille, Tinie Tempah und Naughty Boy und die Adelung in der „BBC Sound Of…“-Liste 2014. Nach dem Debütalbum „Feline“ vor fünf Jahren wurde es zunehmend ruhiger um die Goldstimme, insofern überrascht die neue EP „Quarter Life Crisis“, die ziemlich gut beschreibt, wo die Hauptverantwortung für den temporären Rückzug liegt. Angesichts der großen Konkurrenz in der Branche wirken die Songs auch ziemlich unausgegoren, erst das abschließende „L.O.V.(e).“ zeigt am Ende der nur zwölf Minuten so etwas wie richtige Hitpotenzial. Da ist definitiv mehr drin. Ohne Bewertung

Fantastic Negrito - Have You Lost Your Mind Yet?
Die hier aufgeworfene Frage ist legitim. Xavier Dphrepaulezz aka Fantastic Negrito, mehrfacher Grammy-Preisträger und Blues-Fackelträger, hat sie erstmals vier Tage vor dem ersten bestätigten Corona-Fall im Herbst 2019 gestellt und damit sein Album angekündigt. Auch wenn es um psychische Krankheiten bei ihm und seinen Freunden ging - freilich hat der Titel nun eine weitaus breitere Bedeutung. Der Vollblutmusiker aus Oakland hat schon immer tief blicken lassen und überzeugt gerade deshalb Fans und Kritiker gleichermaßen. In tiefgründigen, wohldurchdachten Texten sorgt er sich um die geistige Gesundheit. „I’m So Happy I Cry“, „These Are My Friends“ oder „King Frustration“ sind bahnbrechende, oft fast schon sexy-soulige Manifeste für Achtsamkeit und Akzeptanz. Sein Klang-Cocktail fürchtet sich auch nicht vor Gospel und R&B und ist so zeitgemäß, wie man nur sein kann. „Have You Lost Your Mind Yet?“ gibt mehr Antworten als Fragen aufgeworfen wurden. Und Fantastic Negrito bleibt fantastisch im heißumkämpften Musikgeschäft. 8/10 Kronen

Bill Frisell - Valentine
Neben John Scofield gilt Bill Frisell als einer der ganz großen Jazzgitarristen der 80er- und 90er-Jahre, der mit Innovationsreichtum und kompositorischer Vielseitigkeit zu glänzen weiß. Auch im Avantgarde-Segment, dem Country oder der Balladenkunst konnte er sein Können bislang feilbieten. „Valentine“ ist nun sein erstes Album in klassischer Trio-Besetzung. Mit seinen langjährigen Bandkollegen Thomas Morgan (Bass) und Rudy Royston (Schlagzeug) hat sich Frisell ins Studio gewagt, um seine ganz persönliche Note an die großen Jazz-Orbit zu fügen. Das Trio experimentiert gewagt zwischen Western-Americana, traditionellem Folk und Groove-Passagen, ohne dabei die kongruente Verbindung unter den Songs zu verlieren. Ein hoffnungsvolles, tiefgründiges und emotionales Album für unsichere Corona-Tage. 7,5/10 Kronen

Holly Humberstone - Holly Humberstone EP
Ein neuer Fixstern am Pophimmel entwächst gerade drüben in Großbritannien. Holly Humberstone ist Anfang des Jahres mit ersten Songs aufgetaucht und veröffentlicht nun ihre erste 6-Track-EP. Kennengelernt haben Musik-Aficionados sie vielleicht im Vorprogramm des schottischen Durchstarters Lewis Capaldi, doch Humberstone blüht freilich selbst eine große Karriere. Ihre Auffassung von Pop hat die Bedroom-Ästhetik von Billie Eilish, den Indie-Geist von Phoebe Bridgers und die kompositorische Weitsicht eines James Blake, ohne ihre elektronischen Elemente zu sehr in den Vordergrund zu stellen. Die Texte sind so persönlich wie „eine lebenslange Tätowierung auf der Haut“ und funktionieren als Coming-Of-Age-Produkt wunderbar. Da wächst wahrlich Großes heran! Ohne Bewertung

Bruce Hornsby - Non-Secure Connection
Es wäre ein Leichtes für Bruce Hornsby gewesen, sich auf seinen Lorbeeren auszuruhen. Schon auf seinem Debüt veröffentlichte er 1986 den Hit „The Way It Is“, der meistgespielte Song des Jahres in den USA und sogar Vorbild für den großen Tupac Shakur und dessen Klassiker „Changes“. Doch der zweifache Grammy-Gewinner schrieb lieber Huey Lewis oder Don Henley Songs auf den Leib und veränderte sich selbst wie ein Chamäleon. Bluegrass, Jazz, Soul, Pop, Heartland Music - nichts, was er nicht versuchte. „Non-Secure Connection“ folgt nur ein Jahr nach dem gefeierten „Absolute Zero“ und orientiert sich an Piano-Balladen, die auf Dauer aber etwas ermüden. Produziert haben Kaliber wie Justin Vernon (Bon Iver) oder Tony Berg (Phoebe Bridgers), doch auch sie können diese etwas langweilige Redundanz zwischen den Songs nicht ganz verhindern. 5,5/10 Kronen

Ingested - Where Only Gods May Tread
Wenn man aus Großbritannien kommt, dann muss man immer ein paar Extrarunden drehen, um im Extreme-Metal-Sektor ähnliche Popularität zu erlangen wie die Kollegenschaft aus den USA. Ingested sind jetzt auch keine Jünglinge mehr und haben sich mit vier Alben und zahlreichen Touren im Fahrwasser von Cannibal Corpse, Crowbar oder The Black Dahlia Murder einen Namen gemacht. „Where Only Gods May Tread“ ist handwerklich dementsprechend ausgereift und überlegt ausgefallen. Vor allem die Produktion ist „state of the art“, die fetten Gitarren und das fast etwas zu klinisch aufgenommene Schlagzeug hämmern ordentlich durchs Gebälk. Ansonsten rücken Ingested musikalisch gerne Richtung Deathcore, was vor allem an den abrupten Tempowechsel und partiellen Breakdowns zu erkennen ist. Die dystopische Grundstimmung indes passt perfekt in die Gegenwart. Ein gutes Album, das aber zu keiner Zeit aus dem Mitbewerb herauszuragen wagt. 6/10 Kronen

The Japanese House - Chewing Cotton Wool EP
Es ist längst kein Geheimnis mehr, dass Amber Bain aka The Japanese House eine der wertvollsten Perlen im gegenwärtigen Indie-Pop-Sektor ist. Nach unzähligen EPs und Singles überzeugte sie mit ihrem Debütalbum „Good At Falling“ auf allen Linien. Mit dem malerisch betitelten „Chewing Cotton Wool“ legt sie nun mit einer digitalen 4-Track-EP nach, die einmal mehr keinen Fan und Genreliebhaber enttäuschen wird. Den Titeltrack und „Something Has To Change“ kennen aufmerksame Fans bereits, die zwei neuen Songs machen das Werk aber erst richtig spannend. Ist der kurze Opener „Sharing Beds“ noch ein sanfter Einstieg in alles Kommende, überzeugt die Kollaboration mit Justin Vernon/Bon Iver auf allen Linien. „Dionne“ ist elektronisch-mystifizierter Indie-Pop, der sich durch die verzerrten Doppelgesang traumhaft hochschwingt. Eine weitere Perle aus dem Oeuvre der Künstlerin. Ohne Bewertung

Eloy de Jong - Auf das Leben, fertig, los!
In launigen Runden werden Boybands oft scherzhaft mit Schlagerbands verglichen. Wie nah diese beiden Welten beieinanderliegen, das beweist der Holländer Eloy de Jong seit einigen Jahren. Als Mitglied der kultigen Boyband Caught In The Act war ein Teenie-Schwarm der 90er-Jahre, mit „Kopf aus - Herz an“ eroberte er vor zwei Jahren plötzlich die Charts als Schlagerstar. Die Erfolgsgeschichte schrie natürlich nach Wiederholung und mit „Auf das Leben, fertig, los!“, einem weiteren deutschsprachigen Album des Sunnyboys, werden seine Fans wieder in trauter Glückseligkeit schweben. 15 Songs über die Liebe und das Leben. Große Gefühle und Schwierigkeiten in Beziehungen. Eben das pure Leben - in Hochglanzproduktion. 7/10 Kronen

Oscar Jerome - Breathe Deep
Seine ersten beiden EPs haben bereits angekündigt, dass mit einem gewissen Oscar Jerome in Zukunft zu rechnen sein wird. Damit hat er sich nicht nur einen Vertrag bei Caroline geholt, sondern war auch Support von Kamasi Washington und begeisterte die Fans quer durch Europa. In der aufstrebenden Jazzszene Londons ist der 28-Jährige schon länger ein wichtiger Bestandteil, mit „Breathe Deep“ emanzipiert er sich nun aber endgültig von allen gemeinschaftlichen Fesseln. Wie bei den Jungen Hauptstädtern in England üblich, vermischt er querlaufenden Jazz mit Hip-Hop-Beats und Elektronik, ohne dabei aber an den Götzenbildern zu kratzen. Rap, Soul und Funk werden mit einer leichtfüßigen Selbstverständlichkeit vermengt, darüber legt Jerome seine warme, stets entspannte Stimme. Die Gitarre nimmt nur wenig Raum ein, viel wichtiger ist dem Künstler das Aufbauen komplexer, aber stets nachvollziehbarer Rhythmen. Den Vorschusslorbeeren wird er damit durchaus gerecht. 7,5/10 Kronen

Kamelot - I Am The Empire: Live
Von einer motivierten, aber nicht besonders herausragenden Power-Metal-Band zum Marktführer, der sich nicht davor fürchtet orchestrale und symphonische Elemente bis zum Bombast in den Grundkorpus einzubauen - die Karriere der Florida-Combo Kamelot hat in den letzten zwei Dekaden unerwartete Ausmaße genommen. Wie souverän Gitarrist Thomas Youngblood und Co. mittlerweile musizieren, sieht man an diesem im September 2019 im holländischen Tillburg aufgenommenen Live-Dokument, wo Goldstimme Tommy Karevik voll aus sich herausgeht. Dazu gibt es als Gäste einen amerikanischen Kinderchor und Powerstimmen von Lauren Hart, Alissa White-Gluz oder Charlotte Wessels. Ein Hochglanzprodukt mit wenig Schwächen, aber auch wenig Überraschungsmomenten. Ohne Bewertung

Kommando Kant - Aussterben ist ein schönes Hobby
Eile ist kein Substantiv, das man mit den Nordlichtern von Kommando Kant in Verbindung setzen würde. Gegründet 2012, das Debütalbum erst 2016, weitere vier Jahre bis zum Nachfolger. Irgendwie aber auch sympathisch, dass man sich von der Hast des Geschäfts nicht vereinnahmen lässt. Das ist wohl auch der Grund, dass man im Indie-Pop-Kosmos der Hamburger ein wohliges Gefühl heimatlicher Wärme verortet. Freilich - der Albumtitel „Aussterben ist ein schönes Hobby“ ist ein gewagter an Tagen wie diesen, er entstand aber auch schon vor der alles niederreißenden Pandemie. Eine Mischung aus Bierlaune und Systemkritik erwartet den Hörer, bei Songs wie „Bräist“ geht man musikalisch auch mal stark in die eigene Jugend der Indie-Rock-90er zurück. Ein gewisses DIY-Punk-Feeling ist Kommando Kant nicht abzusprechen. Das qualifiziert sie jedenfalls dazu, als zeitgeistige Stimme für gegenwärtige Studentenrevolten zu gelten. 7/10 Kronen

Kiesza - Crave
Brutaler konnte das Schicksal nicht zuschlagen. Als die in Calgary geborene und in Toronto wohnhafte Kiesza vor sechs Jahren mit ihrem Debütalbum „Sound Of A Woman“ durchstartete, chartete die Single „Hideaway“ und es gab gleich drei Juno-Preise. Aber statt einer Weltkarriere als neuer Popstar erlitt sie 2017 in einem Uber sitzend einen schweren Verkehrsunfall, der traumatische Gehirnverletzungen zur Folge hatte. Sechs Monate musste sie in einem dunklen Raum verbringen, die gute Genesung kam einem kleinen Wunder gleich. Nun kehrt sie auf Island Records mit „Crave“ zurück - und setzt das nächste Pop-Statement. Ganz klar von den derzeit populären 80er-Jahren inspiriert (siehe Dua Lipa), verarbeitet sie bewusst nicht den Unfall und seine Folgen, sondern serviert ihren Fans eine Up-Tempo-Platte, die Freude und Spaß evoziert. Welcome back - den Zeitgeist hat Kiesza jedenfalls locker getroffen. 7,5/10 Kronen

Robby Krieger - The Ritual Begins At Sundown
Mit den Doors schrieb er unauslöschliche Musikgeschichte und im Gegensatz zu Frontexzentriker Jim Morrison hat sich Robby Krieger seit jeher für das Leben entschieden. An der Gitarre gilt er als einer der einflussreichsten Musiker überhaupt, auch wenn er im Glanze von Jimi Hendrix, Jeff Beck, Jimmy Page, Eric Clapton und Co. stets verblasste. „The Ritual Begins At Sundown“ ist eine große Überraschung, denn es ist sein erstes Studioalbum nach gut zehn Jahren. Auf den zehn Songs gibt er sich aber nicht der verklärten Nostalgie hin, sondern lässt sich von seiner großen Liebe, dem Jazz, treiben. Nein Eigenkompositionen ohne Stimme, die mal romantisch, mal locker-flockig, dann aber auch wieder fröhlich und lebensbejahend klingen. Dazu gibt’s noch die Frank Zappa-Coverversion von „Chungas Revenge“. Ein Schmuckstück für Liebhaber der lebenden Legende. 7/10 Kronen

Levellers - Peace
Die Levellers waren in der englischen Geschichtsschreibung Angehörige einer frühdemokratischen Bewegung in England während des Bürgerkriegs im 17. Jahrhundert. Sie fanden starken Rückhalt bei den Soldaten der New Model Army. Aus denen entstand schon vor Urzeiten eine Band, doch auch die Levellers gibt es seit mittlerweile 1988 im musikalischen Segment. Die ambitionierte Folk-Rock-Band aus der malerischen Küstenstadt Brighton hat über die Jahre nichts von seinem politischen Duktus verloren - ganz im Gegenteil! Auf „Peace“ prangert das Sextett aktuelle Verwerfungen mit unveränderter Wut und Proteststimmung an. Das erste Studioalbum seit acht Jahren zeigt musikalisch nur sehr fein veränderte Nuancen, erhebt in Songs wie „Generation Fear“, „Born That Way“ oder „Our Future“ gerne mahnend den Zeigefinger. Eine schöne Rückkehr, die auch noch zum richtigen Zeitpunkt geschieht. 7/10 Kronen

Maxim - Grüne Papageien
Die Geschichte erzählt, dass einst Jimi Hendrix in der Londoner Carnaby Street grüne Papageien freigelassen hätte, worauf sie langsam die Stadt übernahmen. Mit der sympathischen Sage aus den Hochphasen des Rock hat Maxims neues Album freilich nichts zu tun, die Tiere haben es ihm aber trotzdem angetan. Sein 2013er Mainstream-Hit „Meine Soldaten“ verfolgt ihn, die Freude über den Deutschpop-Song ist längst weg. Der sich meist im Reggae bewegende Musiker hat sich längst davon emanzipiert und versucht mit seinem ersten Album auf eigenem Label, die Vergangenheit endlich ad acta legen zu können. Der Kölner besingt etwa auf „Folie/Föhn“ seine neue Rolle als Vater und prangert in „Die Asche von Claude“ die Pädophilie seines Großvaters, eines Priesters, an. Musikalisch ist er näher an Frank Ocean als an Andres Bourani dran. Man wünscht ihm, dass seine eigenständige, tiefgründige Version von souligem Pop auch als solches wahrgenommen wird. 7/10 Kronen

Mercury Circle - The Dawn Of Vitriol EP
Um aus der Masse herauszustechen, muss man sich eben auch markant hervorheben. „New Doom“ als Subgenre-Bezeichnung verwenden etwa die taufrischen Mercury Circle, die sich auf Albumlänge vorstellen, „The Dawn Of Vitriol“ aber salopp als EP benennen. Angeführt wird die Band von Swallow The Sun-Keyboarder Jaani Peuhu, der sich wohl beim Hauptarbeitgeber, noch bei Before The Dawn oder Lord Of The Lost sonderlich ausgelastet sieht. Musikalisch sehr getragen, verlässt der Finne das gemächliche Tempo nie, verknüpft aber geschickt elektronische Momente in den Sound, wodurch er angenehm und abgestaubt erklingt. Um sich geschart hat er eine All-Star-Riege aus dem Land der 1000 Seen, die den Sound zwischen Darkwave, Doom und etwas Gothic zusätzlich definieren. Spannendes Projekt, warten wir auf mehr. Ohne Bewertung

Earl Mobley - For You To Hide EP
Neugierige Musikfans wissen längst, die Wiener Vague sind zwar unverständlicherweise noch immer tief im Underground verankert, aber eine der größten musikalischen Geheimtipps Wiens. Mit ihrer bunten Mischung aus verträumtem Pop, psychedelischen Einsprengseln und einer gewissen Art von nachvollziehbarem Dadaismus sind sie für den Mainstream halt doch etwas zu verschroben. Gut so! Der Tiroler Frontmann Konstantin Heidler lässt zwar noch etwas auf ein weiteres Album warten, hat sich unter dem Pseudonym Earl Mobley aber nun an eine Solo-EP gemacht. „For You To Hide“ greift auf die Grundstrukturen seines Hauptprojekts zurück, geht mit seinen Soul- und Lou Reed-Zitaten aber noch weiter in die Vergangenheit zurück. Zeitlose Gitarrenmusik, die sich mit viel Leidenschaft hinterhältig in die Gehörgänge schleicht. Ohne Bewertung

Elis Noa - What Do You Desire?
Der elektronisch angehauchte Pop in Österreich traut sich was. Nicht zuletzt durch Oehl oder Paenda hat eine deutliche Internationalität Einzug gehalten, in diese Kerbe schlagen auf „What Do You Desire?“ auch die Wiener Elis Noa. Electro, Pop, Soul, R&B und eine kräftige Portion Sexyness paaren sich in einer leichtfüßigen Selbstverständlichkeit und könnten in dieser mutigen Herangehensweise auch aus Brighton oder New York stammen. Mit der Eigenständigkeit ist es freilich schwierig, den schwelgerische Traumkaskaden mit einer betörenden Stimme und pulsierenden Beats zu verbinden, diese Idee haben mittlerweile Künstlerinnen und Künstler unterschiedlichster Couleur. Elisa Godinos Stimme ist ein großer Pluspunkt, aber der ganz große Wurf im mittlerweile gut gefüllten heimischen Soundteich ist das Debütwerk der beiden Freunde noch nicht. 6,5/10 Kronen

Nug - Alter Ego
Für die Geschichtsbeflissenen gleich eingangs zur weiteren Erklärung: Nug ist der Vater der Figur Cthulu aus dem Universum von H.P. Lovecraft. Hinter dem Debütalbum „Alter Ego“ stecken fünf verspielte Ukrainer, die aber nicht auf harsches Geholze oder atmosphärischen Black Metal setzen, sondern ihren Sound mehr als Post-Rock mit Sludge- und leichten Doom-Ansätzen verstehen. Anklänge an die großen Neurosis, die derzeit erfolgreichen Jinjer oder Djent-basierte Bands wie Tesseract sind nicht von der Hand zu weisen. Auf Langstrecke evoziert das schwere Album aber fast schon manisch-depressive Schübe, so behände wildern Nug in ihrem eigens kreierten Mahlstrom aus Tod und Verderben. Allerschwerste Kost für die federleichten Sommertage. 6/10 Kronen

Nullzweizwei - Etabliert
„Fotze, Fotze, Fotze“ sind die ersten Wörter auf „Etabliert“, dem neuen Album der Rapper Nullzweizwei und damit ist man auch schon mitten im Niveaulimbo. Das multinationale Trio Bazu, Rufuz und Sosa, das im bayrischen Herzogenaurach beheimatet ist, reitet schonungslos auf der Klischeewelle und lässt dabei nichts aus. Auf Deutsch-Russisch werden die Songs vorgetragen, „Ein weiteres Benz Lied“, „Flaschen Jacky“ oder „Goldzähne“ kündigen schon vollmundig an, was später technisch gut, inhaltlich aber primitiv umgesetzt wird. Unter den Feature-Gästen ist unter anderem Skandal-Rapperin Schwesta Ewa zu finden. Vergleiche zur 187 Straßenbande hinken an allen Positionen, Nullzweizwei ist nichts mehr als testosterongeladenes Gepose, das viel zu offensichtlich auf Anecken aus ist. 3/10 Kronen

Der Ole - Durch die Zeit
Bei den Düsseldorfer Rockern Massendefekt war Christian „Ole“ Olejnik bis 2009 Sänger, hat also die fettesten Jahre der Band gar nicht mitgekriegt. Unter dem etwas unbeholfenen Namen Der Ole versucht es der Westdeutsche nun auf Solopfaden und fährt auf seinem Debüt „Durch die Zeit“ gleich einmal ein ordentliches Programm. 124 Gastmusiker aus 26 Ländern werden in der Presseinfo angekündigt. Musiker von Blind Guardian, Ton Steine Scherben, den Toten Hosen, Slime, der Terrorgruppe oder Wizo befinden sich unter den insgesamt 16 Liedern, die sich nicht zwischen Punk, Punk Rock, Rock’n’Roll und Singer/Songwritertum entscheiden können. Linkspolitisch und stumpf holzt der Ole meist durchs Gebälk, Innovatives oder Neuartiges hört man dabei nicht. Ein schönes und kurzweiliges Zusammentreffen von Freunden - weniger wäre aber mehr gewesen. 6/10 Kronen

Orville Peck - Show Pony EP
Mit seinem Gesichtsvorhang und dem Spiel mit der Anonymität hat es Orville Peck quasi von 0 auf 100 gebracht. Das ist natürlich nur semirichtig, denn neben der geschickten Selbstvermarktung passt bei ihm auch die Musik. Mit seinem Debütalbum „Pony“ sorgte der Kanadier im März 2019 für breitflächigen Aufruhr, weil er nicht nur die Alternative-Country-Liebhaber erwischte, sondern auch den Puristen des Genres direkt ins Herz ging. Die lange angekündigte EP „Show Pony“ kommt nun wegen „Black Lives Matter“ mit zweimonatiger Verspätung und hält locker ein, was er im letzten Jahr versprach: tiefe Stimme, inhaltsreiche, nachdenkliche Texte, eine frei von testosterongepose dargestellte Western-Atmosphäre. Dazu gibt es noch ein Duett mit Shania Twain in „Legends Never Die“, wo er dem Pop so nahe kommt wie nie zuvor. Well done! Ohne Bewertung

Primitive Man - Immersion
Nicht einmal zehn Jahre und gerade einmal drei Alben sind Primitive Man mittlerweile jung, und dennoch hat man das unweigerliche Gefühl, diese besonders destruktiven Lärmmacher wären schon ewig Teil der Szene. Was auch immer in Denver, Colorado so im Grundwasser herumschwimmt, es hat wenig mit Lebensfreude und Positivismus zu tun. Auch „Immersion“ ist eine alles verneinende Schlachtpalette der Dystopie, angefeuert vom Neandertal-Gegrunze Ethan McCarthys und den tonnenschweren Doom-Riffs, die sich irgendwie zwischen Neurosis, Eyehategod und Bell Witch einordnen. Die meist in Überlänge gehaltenen Tracks lassen noch nicht einmal einen Sprühfunken der Hoffnung aufkeimen und walzen alles nieder, was auch nur in deren Nähe kommt. Bei Primitive Man ist der Name Programm - nach diesem Album wächst nichts mehr nach. 7,5/10 Kronen

Prosanctus Inferi - Hypnotic Blood Art
Es ist kein Geheimnis, dass vor allem US-amerikanische Extreme-Metal-Bands mehr oder weniger absichtlich mit grottenschlechten Produktionen um die Ecke kommen. Prosanctus Inferi reihen sich mühelos in diese Riege ein und lassen „Hypnotic Blood Art“, ihr erstes Album seit sieben Jahren, offenbar bewusst kellerasselig erklingen. Die filigranen Gitarrenriffs orientieren sich eindeutig an den großen Death-Metal-Bands der frühen 90er-Jahre. Deicide, Morbid Angel und Co. standen hier Pate, während das Gekrächze mehr in Richtung Profanatica oder Havohej zu gehen vermag. Der Black Metal kommt hier maximal atmosphärisch vor, ist aber nicht mehr als ergänzendes Stilmittel. „Hypnotic Blood Art“ ist ein Festschmaus für Undergroundfanaten, die ihren Metal gerne mit Lockenpracht und löchrigen Jeans begehen. 7/10 Kronen

Rituals - Invicta EP
Zwei Songs, etwas mehr als sechs Minuten Spielzeit und das geht heutzutage schon als EP durch? Naja, im digitalen Zeitalter kann man das schon mal aufblasen, was früher einfach eine Single war. Immerhin passt die Qualität, denn die Australier Rituals kredenzen auf „Invicta“ mit „Insect“ und „Oracle“ zwei melodische Death-Metal-Häppchen, die an die Genre-Glanzzeiten in den 90er-Jahren zurückerinnern. Irgendwo zwischen alten At The Gates, Gates Of Ishtar, typischen Dan-Swanö-Produktionen und der Melodielastigkeit der US-Amerikaner von The Black Dahlia Murder ordnen sich Rituals ein und scheren sich keinesfalls um Trends oder diverse Stimmungen. Swanö hat das ambitionierte Teil auch gemastert. Lässt auf mehr hoffen, der Einstand ist jedenfalls würdig ausgefallen. Ohne Bewertung

Rope Sect - The Great Flood
Mit ihrem Debütalbum haben die Idle Hands letztes Jahr die Metalwelt komplett aufgemischt. 80er-Chic á la Sisters Of Mercy mit härterer Grundausrichtung erfreut sich schon seit Jahren zunehmender Beliebtheit, nun hat eine ganze Szene das richtige Aushängeschild dafür gefunden. In das Fahrwasser der Amerikaner stoßen nun auch die Deutschen Rope Sect, die schon mit zwei EPs auf sich aufmerksam gemacht haben und auf ihrem Full-Length-Debüt „The Great Flood“ die Indie-Metalszene in Aufruhr bringt. Mit ihrer Mischung aus Ghost-Riffs, Joy Division-Atmosphäre und dem Songwriting von Echo And The Bunnymen kann man durchaus Qualität attestieren. Auch neuere Bands wie Beastmilk oder die Grave Pleasures stehen Pate - passend, dass deren Frontmann Mat McNerney auf zwei Songs zu Gast ist. Die großen Hits und zwingenden Melodien fehlen aber noch, zudem ist die Stimme von Frontmann Inmesher auf Dauer etwas eintönig. Der Weg ist aber der richtige. 6,5/10 Kronen

Rumer - Nashville Tears
Findige Film-Fans könnten möglicherweise vermutet haben, bei Rumer handle es sich um eine der Töchter von Bruce Willis, aber dem ist freilich nicht so. Rumer heißt eigentlich Sarah Joyce, wurde in Pakistan geboren, lebte sehr lange in den USA und ist mittlerweile wieder nach Großbritannien zurückgekehrt, wo sie auch ihre Kindheit verbrachte. „Nashville Tears“ sind samt und sonders Kompositionen des legendären Texaners Hugh Prestwood, der auch in der Songwriters Hall Of Fame in Nashville aufgenommen wurde. Trauer, Zurückhaltung und Melancholie ziehen sich wie ein roter Faden durch die etwas mehr als einstündige Reise in das Heartland Amerikas. Nur ganz selten („Deep Summer In The Deep South“) zieht Rumer das Tempo an, ihre Heimat ist in den Balladen verortet. Das ist handwerklich und stimmlich freilich über alle Zweifel erhaben, auf Dauer aber auch sehr ermüdend. Mehr Abwechslung hätte dem Projekt gutgetan. 6/10 Kronen

Sea Girls - Open Up Your Head
Hinter den Sea Girls verbergen sich vier junge Männer aus dem Epizentrum von London, die die Indie-Schule innerhalb ihrer Landesgrenzen aus den letzten 20 Jahren in- und auswendig gelernt haben. „Open Up Your Head“ mag nun zwar das längst fällige Debütalbum sein, für Aufregung sorgen Henry Camamile und Co. auf der Insel schon länger. Dafür sorgen drei EPs, die Aufnahme in die „BBC Sound Of…“-Liste und Auftritte bei den Reading- und Leeds-Festivals. Zwischen U2, Franz Ferdinand, Bastille, Joy Division, Mumford & Songs, den Killers oder den Kooks vermischen die Lads alles, was im Gitarrenrock in diesem Jahrtausend von Bedeutung war. Das sorgt für Hits wie „Transplant“ oder „All I Want To Hear You Say“, die man nicht mehr aus dem Kopf kriegt, ähnlich wie die gehypten The 1975 verzettelt sich die Band manchmal aber in ihrer Vielseitigkeit. Hier sind trotzdem Festival-Headliner der Zukunft auf dem Vormarsch. 7,5/10 Kronen

Siege Column - Darkside Legions
Erinnert ihr euch an die frühen Anfänge von Sodom und Destruction? Daran, wie aus dem brasilianischen Unterholz Bands wie Sepultura und Sarcofago geschnitzt wurden? Als in den USA übermütige Teenager Bands wie Terrorizer und Obituary gründeten, einfach nur um in möglichst abscheulicher Art und Weise gegen das Establishment zu wettern? Genau das bekommt man anno 2020 von den Amerikanern Siege Column geliefert. Roh, stumpf, menschenverachtend, schlecht produziert und mit einem tieftönenden Stimmgegröle versehen, dass jede Katze schon aus meterweiter Entfernung schutzsuchend auf den Baum jagt. „Darkside Legions“ ist so etwas wie der Inbegriff von Death Metal in seinem unausgereiften, analogen und amateurhaften Ursprung. „In The Stolen Tomb“, „Echoes From The Underworld“ oder „Gloves Ov Fire“ sind die Songtitel - noch Fragen? 6,5/10 Kronen

Silver Knife - Unyielding/Unseeing
Belgische, holländische und französische Musiker versammeln sich hinter dem überspannenden Banner Silver Knife und zeigen mit ihrem Debütwerk „Unyielding/Unseeing“ schon ordentlich auf. Wie es die einzelnen Nationalitäten vielleicht schon vermuten lassen, versteht das internationale Konglomerat sich besonders in der epischen Lehre. Der hier zelebrierte Black Metal ist atmosphärisch, episch und vor allem so dicht instrumentiert, dass man als Liebhaber von Bands wie Darkspace, Austere, alten Emperor oder den heimischen Aushängeschildern Harakiri For The Sky gleichermaßen gut bedient wird. Wer sich gerne an majestätischen Melodien labt und kein Problem damit hat, wenn sich die Monotonie manchmal ins Unendliche schaukelt, der wird hier seine große Klang-Erfüllung verorten können. Ein Prachtstück der dunklen Künste. 7,5/10 Kronen

Son Lux - Tomorrows I
Ryan Lott, Rafiq Bhatia und Ian Chang sind als Son Lux stets darauf bedacht, elektronische Klangsphären mit Innovationsreichtum und Mut zum Ungewohnten zu verstärken. Letzterer hat erst unlängst eine spannenden Soloplatte rausgebracht, das neue Konzept seiner Hauptband ist aber bahnbrechend. „Tomorrows“ soll in insgesamt drei Teilen erscheinen und im Sommer 2021 dann als großes Ganzes erhältlich sein. Inhaltlich befasst sich das Trio gleichermaßen mit der aktuellen Weltlage, die aus politischen Umbrüchen und der Klimakrise besteht, als auch mit persönlichen Unsicherheiten ob der Zukunft. Was passiert morgen? Eine Antwort versuchen Son Lux in auditiver Form zu geben. Elegisch, entspannt, elektrisierend. Der kompositorische Gegenpol zum gegenwärtigen Höher-Schneller-Weiter. 7,5/10 Kronen

State Champs - Unplugged EP
Mit flotten Pop-Punk-Songs wie „Secrets“ und „Elevated“ haben sich die New Yorker State Champs über die letzten Jahre hinweg längst in der Champions League ihres Genres etabliert. Doch auch Ausflüge in sanftere Gefilde sind ihnen nicht gänzlich fremd. Schon 2014 nahm man die EP „The Acoustic Things“ auf, sechs Jahre später legt man Corona-bedingt schlicht mit „Unplugged“ nach. Dafür haben die Burschen vier brandneue Tracks eingespielt und zwei Songs überarbeitet. Für Fans der Band und Anhänger sanfterer Punk-Klänge im Singer/Songwriter-Segment wird „Unplugged“ auf jeden Fall das richtige Statement sein. In „A Thousand Hearts“ lässt man dann sogar ein Saxofon erklingen. Sehr gelungen. Ohne Bewertung

Whitney - Candid
Mit ihrem Debütalbum „Light Upon The Lake“ haben Whitney vor vier Jahren ein starkes Zeichen im Indie-Folk-Sektor gesetzt. Das Kernduo aus Chicago verknüpfte filigrane Melodien mit US-Lokalkolorit und einer entspannten Grundhaltung, wodurch man sich sogar eine Headliner-Tour durch Europa sicherte. Das letzten Sommer veröffentlichte „Forever Turned Around“ kam nicht mehr ganz an diese Leistung heran, umso überraschender war die Ankündigung, nun mit „Candid“ ein Cover-Album nachzulegen. Corona-bedingt wurde aus einer „Cover-Jamsession“ für ein paar Songs ein ganzes, zehn Songs starkes Album. Die meisten Nummern klingen aber tatsächlich so eigenständig und verformt, dass das Hörvergnügen nie getrübt wird. John Denvers „Take Me Home Country Roads“ ist wohl der hierzulande bekannteste Track und wurde auch am stärksten dem Original nachempfunden. Einen Extrapunkt gibt es für das malerische Cover-Foto. 8/10 Kronen

Immanuel Wilkins - Omega
Von der Zukunft des Jazz ist derzeit vielerorts die Rede. In London hat sich eine ganze Szene von jungen Liebhabern formiert, der Jazz hält zunehmend Einzug in die Popwelt und der Kalifornier Kamasi Washington hat sich längst bei allen Generationen beliebt gemacht. Mit Immanuel Wilkins schickt sich jetzt aber ein wirkliches Jungtalent an, den Thron zu erobern. Mit gerade einmal 22 Jahren zeigt der Altsaxofonist und Komponist auf seinem Debütalbum „Omega“ alle Facetten seines bunten Könnens. Schon jetzt hat er mit Bob Dylan, Solange oder Wynton Marsalis gearbeitet, auf seinem Debüt mit seiner dreiköpfigen Band verbindet er aber alle Vorzüge seines bisherigen Schaffens. Als absolutes Highlight thront eine vierteilige, mehr als 20 Minuten lange Suite, die Wilkins schon 2013 komponiert hat. Das erste breitenwirksame Aufflackern des Wunderkindes wird man noch länger in Erinnerung behalten. 7,5/10 Kronen

John Williams & Wiener Philharmoniker - Live In Vienna
Manchmal passieren Dinge, die man eigentlich gar nicht in Worte fassen kann. So erging es vergangenen Jänner mit großer Sicherheit den Wiener Philharmonikern, als sie vom legendären Filmkomponisten John Williams dirigiert wurden. Er verband seine besten Hollywood-Klänge aus Produktionen wie „Star Wars“, „Harry Potter“, „Jurassic Park“ oder „Indiana Jones“ mit den zarten Klängen der Klassikgrößen und lud zusätzlich die große Anne-Sophie Mutter mit einer eigens für sie arrangierten Adaption für die Geige. Von der Philharmoniker-Ausführung des „imperialen Marsches“ aus „Star Wars“ war Williams danach so begeistert, dass er sie als „eine der besten, die ich je gehört habe“ rühmte. Nun wird dieses Kleinod der Klassik für alle freigegeben. Ohne Bewertung

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