Hommage an Mr. Jones

“Lost Horizon” lässt Abenteurer-Herzen höher schlagen

Spiele
05.09.2010 06:39
Die verschneiten Gipfel des Himalaja, der glühend heiße Sand der marokkanischen Wüste, die Jagd auf Haie und Tiger in Indien und viele weitere Schauplätze dieser Erde liegen auf der abenteuerlichen Route des britischen Ex-Soldaten Fenton Paddock in dem sehr gelungenen "Point and click"-Adventure "Lost Horizon". Wunderbar entschleunigt gestaltet sich das Gameplay und lässt viel Raum zum Genießen der detailverliebten Szenensettings. Üppige Dialoge und knifflige Rätsel runden das Spielerlebnis ab. All das macht diesen Titel der Geheimakte-Macher zu einem echten Geheimtipp…

"Wir wollten mit 'Lost Horizon' eine ernsthafte und erwachsene Abenteuer-Geschichte erzählen, bei der aber das eine oder andere Schmunzeln erlaubt ist", sagte Chefentwickler Marco Zeugner von Animation Arts. Und die Geschichte hat es in der Tat in sich.

"Lost Horizon" beginnt im Hongkong des Jahres 1936. Glücksritter Fenton wird unter fadenscheinigen Gründen aus der britischen Armee geworfen. Der Pilot hält sich nun mit Schmuggel und anderen Gaunereien über Wasser – bis er für eine riskante Rettungsaktion in die Berge Tibets fliegt. Dort ist sein bester Freund Richard mitsamt seiner Expeditionstruppe verschollen. Stets an Fentons Seite ist seine quirlige Ex-Flamme Kim Wuang.

Das Dach der Welt soll den Eingang zum sagenhaften Reich Shambala verbergen. Auf der Suche nach dem Ort aus der buddhistischen Mythologie ist die Nazi-Wissenschaftlerin Hanna Gräfin von Hagenhild ebenfalls in Tibet unterwegs. Ein Wettlauf gegen die Zeit und gegen die Mächte des Bösen beginnt.

Wortgewaltige Dialogpassagen
Das gesamte Spiel ist zwar an ein klassisch-cineastisches Abenteuer à la Indiana Jones angelehnt, entwickelt dabei aber doch eine gewisse Eigenständigkeit. Der filmischen Erzählweise wird etwa durch ausführliche Dialoge Rechnung getragen, für die rund 86.000 Worte aufgezeichnet und hervorragend synchronisiert wurden. Kein Wunder, da doch u.a. zwei Profis den Charakteren ihre Stimmen leihen, die auch in den "Harry Potter"-Filmen zu hören sind. Dennoch ist man bei der Fülle an sprachlicher Information von Zeit zu Zeit geneigt, die Untertitel zu überfliegen und per Rechts-Klick zur nächsten Wortspende zu springen.

Die Soundkulisse ist durchwegs äußerst authentisch und die Wiedergabe klappt stets ad hoc. Die musikalische Begleitung wird auch in statischen Sequenzen nie aufdringlich, "untermalt" im wahrsten Sinne des Wortes das Geschehen und verströmt akustisches Abenteuer-Flair.

Roboter-Mimik vor detailverliebten Kulissen
Außerdem gehen die interaktiven Sequenzen stets flüssig in eine Vielzahl von Videos und automatisierte Dialoge über, die man nach dem ersten Genuss auch später via Hauptmenü immer wieder betrachten kann.

Einziger Wermutstropfen ist das recht unspektakuläre Design der Gesichter und deren mechanisch-platt wirkende Mimik. Insbesondere bei Nahaufnahmen muss man eher eine Verwandtschaft der Protagonisten zu PVC-Robotern denn zum Homo Sapiens annehmen. Eigentlich verwunderlich, da ansonsten die Bewegungsanimationen wirklich überzeugen können und die Szenen hervorragen ausgestaltet wurden.

Ernsthaftigkeit und Selbstironie im steten Wechsel
Doch was dieses "Point and click"-Game zusätzlich auszeichnet, sind zum einen das Wechselspiel aus erzählter Story sowie dem Sammeln, Kombinieren und schlüssigen Anwenden von Gegenständen und zum anderen die amüsanten Anspielungen und Klischees: So besinnt sich Fenton etwa nach einem Toilettenbesuch neckisch auf das Händewaschen oder feixt mit der Unbrauchbarkeit einer Lederpeitsche zur Lösung eines Rätsels. Der große Prof. Jones wird es ihm wohl gnädig nachsehen…

Doch was wäre ein echtes Adventure ohne kniffligen Rätselspaß? In "Lost Horizon" ist gerade zu Beginn das Niveau jedoch als eher durchschnittlich einzustufen. Die Lösungen sind zwar durchaus kreativ, jedoch mitunter leicht zu erraten, was mit der überschaubaren Anzahl an Items zu erklären ist.

Spezial-Rätsel mit zwei Niveaustufen
Im weiteren Spielverlauf wird es dann allerdings zunehmend anspruchsvoller. Außerdem gilt es immer wieder bildschirmfüllende Spezial-Rätsel zu knacken, wie etwa Kabelsalate zu entwirren, Zerbrochenes zusammenzusetzen oder uralte tibetische Geheimtürschalter korrekt zu betätigen. Wem das doch einmal zu kompliziert werden sollte, der kann zwischen zwei Rätsel-Niveaustufen wählen – doch gerade hier sollte man sich getrost auf die komplexere Variante einlassen.

Da bewusst auf hektische Passagen und ebenso auf allzu Gewalttätiges und Blutiges verzichtet wurde, steht trotz Single-Player-Architektur auch einem gemeinsamen Tüfteln mit Alt und Jung nichts im Wege.

Fazit: Mit "Lost Horizon" ist den Entwicklern wahrlich eine "Hommage an das große Abenteuerkino" gelungen. Das Spiel bietet gut 15 bis 20 Stunden lang entspanntes Adventure-Vergnügen im "Point and click"-Stil mit vielen exotischen und durchwegs penibel gestalteten Schauplätzen auf der ganzen Welt. Aufgelockert durch viele Videosequenzen, Momente zum Schmunzeln sowie gehaltvolle Soundeffekte und klassische Musikbegleitung lassen sich auch die teils ausschweifenden Dialoge durchaus genießen. Wer also ein Spielvergnügen ohne Hektik sucht und seine grauen Zellen zum Leuchten bringen möchte, sollte schnell zugreifen.

Plattform: PC (getestet)
Publisher: Deep Silver
krone.at-Wertung: 7/10

von Fritz Schneeberger

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