Nach der Insolvenz

USA: “Government Motors” geht an die Börse

Ausland
19.08.2010 08:50
Gut ein Jahr nach der überstandenen Insolvenz strebt der einst weltgrößte Autohersteller General Motors wieder an die Börse. Die US-Regierung, die GM 2009 mit rund 50 Milliarden Dollar Steuergeldern vor dem Aus gerettet hatte, wird im Zuge des Vorhabens ihren Anteil am Unternehmen auf unter 50 Prozent senken. Mit dem Börsegang will sich der Konzern somit vor allem auch der süffisanten Bezeichnung als "Government Motors" entledigen.

GM reichte am Mittwoch seinen Antrag für ein Listing in New York und Toronto ein, nannte dabei aber kaum finanzielle Details. Prinzipiell wird ein Platzierungsvolumen von zwölf bis 20 Milliarden Dollar (15,5 Milliarden Euro) erwartet, womit der Börsegang einer der größten der Wirtschaftsgeschichte wäre.

Beobachter erwarten die Erstnotiz noch vor den US-Kongresswahlen im November. Sollte der Börsegang gut verlaufen, könnte sich US-Präsident Barack Obama im Wahlkampf als erfolgreicher Krisenmanager präsentieren. Experten warnen aber vor den derzeitigen unsicheren Wirtschaftsaussichten und einem möglichen neuerlichen Abschwung auf dem Automarkt.

Genaues Volumen des Börsegangs noch unklar
Den Unterlagen vom Mittwoch zufolge beantragte GM einen Börsegang im Volumen von lediglich bis zu 100 Millionen Dollar. Wie viele Aktien tatsächlich ausgegeben werden sollen und was sie kosten könnten, teilte GM nicht mit. Analysten erklärten, das Volumen werde auch von der Nachfrage der Investoren abhängen, die bisher noch weitgehend unklar sei. Zudem müsse bedacht werden, dass GM erst seit zwei Quartalen wieder Gewinne schreibe. Der Handel an den Börsen wird Kreisen zufolge zwischen Ende Oktober und dem Thanksgiving-Feiertag in den USA am 25. November erwartet.

Vorige Woche hatte General Motors einen Milliardengewinn (1,3 Milliarden Dollar von April bis Juni) und einen Führungswechsel verkündet und sich so für die Rückkehr an die Börse in Stellung gebracht. Die Geschicke des Unternehmens soll ab 1. September Daniel Akerson leiten, der bisher Chefmanager des Investmentfonds Carlyle war. Er pflegt beste politische Kontakte in Washington und ist seit Juli 2009 Mitglied des GM-Verwaltungsrats. An dessen Spitze wechselt der bisherige Konzernchef Ed Whitacre, die Schlüsselfigur bei der GM-Sanierung.

Für zwei Monate in Insolvenz gegangen
GM war im Juni 2009 für zwei Monate in die Insolvenz gegangen und entledigte sich so 40 Milliarden Dollar an Schulden. Der Konzern hat zudem in einer Rosskur Kosten gesenkt, Werke geschlossen und Marken wie Pontiac, Saab und Hummer fallen gelassen. Gleichwohl benötigt GM Geld, etwa für den Umbau bei seiner verlustbringenden deutschen Tochter Opel und die Bedienung von Pensionsansprüchen.

Mit dem IPO-Projekt "Morgendämmerung" will der Konzern auch Schulden beim Staat zurückzahlen. Obama wird Beobachtern zufolge versucht sein, die GM-Rettung als finanziellen Erfolg zu werten. Die Öffentlichkeit hat sein Eingreifen 2009 mit Skepsis verfolgt. Die Regierungen der USA und Kanadas hatten GM damals mit Milliarden an Steuergeldern vor dem Aus gerettet und halten seither die Mehrheit an der einstigen Industrie-Ikone. Insgesamt pumpte die US-Regierung etwa 50 Milliarden Dollar in das Unternehmen. 43 Milliarden davon wurden in GM-Anteile ungewandelt, die Regierung besitzt seitdem 61 Prozent. Kanada bekam knapp zwölf Prozent. Anteile erhielt auch die Automobilgewerkschaft UAW im Gegenzug für einen Verzicht auf Sozialleistungen.

US-Regierung behält Macht über "Government Motors"
GM strebt einen Rückzug der Regierungen an, um nicht mehr als "Government Motors" belächelt zu werden. Die US-Regierung wird aber auch dann noch Macht bei GM haben, wenn ihr Anteil auf unter 50 Prozent fällt. So wird sie die Ernennung von Vorständen und deren Bezahlung ebenso beeinflussen können wie die Firmenstrategie und Fragen im Umgang mit den Mitarbeitern und Gewerkschaften.

Der Börsegang dürfte der zweitgrößte der US-Geschichte hinter jenem von Visa werden. Der Kreditkartenanbieter hatte im Jahr 2008 rund 19,7 Milliarden Dollar bei seinem IPO eingesammelt. Den Titel des Weltmeisters hält die Agricultural Bank of China mit 22,1 Milliarden Dollar. Analysten halten einen GM-Börsenwert von bis zu 80 Milliarden Dollar für denkbar, der weltgrößte Autokonzern Toyota ist aktuell rund 121 Milliarden Dollar wert. Damit die US-Regierung die in General Motors investierten Steuergelder zurückbekommt, müsste die Börsenbewertung bei rund 70 Milliarden Dollar liegen.

Experten sehen den Börsegang skeptisch. "Ich glaube, das Risiko eines Scheiterns bei dem IPO ist größer als das, weiterhin als 'Government Motors' bezeichnet zu werden", sagte Brad Coulter, Spezialist für Restrukturierungen bei O'Keefe & Associates. Der Präsident der Automotive Consulting Group, Dennis Virag, äußerte sich ähnlich: "Ich glaube nicht, dass jetzt eine gute Zeit für einen Börsengang ist."

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