Nationalrat

Mindestsicherung fixiert – FP stimmte unabsichtlich mit

Österreich
08.07.2010 10:04
Der Nationalrat hat am Mittwoch die Mindestsicherung beschlossen. Unterstützt wurde die Vorlage von Koalition und Grünen - und versehentlich auch von der FPÖ, die die Maßnahme noch Minuten zuvor als "Pfuschwerk" bezeichnet hatte. Mit dem Beschluss kann die Regelung nun mit September in Kraft treten, sofern die Landtage bis dahin entsprechende Beschlüsse vollziehen. Auch ein Entschließungsantrag zur Transparenzdatenbank wurde im Nationalrat durchgewinkt. Den Sitzungsvormittag hatte der Budgetstreit (siehe Infobox) beherrscht.

Die Bund/Länder-Vereinbarung zur Mindestsicherung, das Prestige-Projekt der SPÖ unter Kanzler Werner Faymann, ersetzt die Sozialhilfe, deren Höhe bisher von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich war. Die Höhe ist an jene der Mindestpension gekoppelt und beträgt 744 Euro monatlich, für Paare 1.116. Im gleichen Haushalt lebende Kinder erhalten mindestens 134 Euro, ab dem vierten Kind wird der Satz auf 112 Euro gesenkt. Integriert ist ein 25-prozentiger Wohnkosten-Anteil, der wegfällt, wenn der Bezieher über eine eigene Wohnung verfügt bzw. etwa bei Verwandten kostenlos lebt.

Anspruch auf die Mindestsicherung haben auch EU-Bürger, EWR-Bürger, wenn sie in Österreich als Arbeitnehmer tätig sind, und Drittstaatsangehörige, wenn sie mehr als fünf Jahre in Österreich gelebt und gearbeitet haben. Voraussetzung für den Bezug ist die Bereitschaft zur Aufnahme von Arbeit. Ausgenommen sind nur Personen mit Betreuungsverpflichtungen für Pflegefälle oder Kleinkinder bis zum dritten Lebensjahr. Eigenes Vermögen muss bis zu einem Freibetrag von 3.720 Euro (das Fünffache der Mindestsicherung) aufgebraucht werden. Ein wesentlicher Vorteil der Mindestsicherung ist, dass die Bezieher krankenversichert sind und eine E-Card erhalten.

FPÖ bestätigt Abstimmungspanne, FPK nicht
Die FPÖ bedauerte am Abend ihre Abstimmungspanne. Sozialsprecher Herbert Kickl unterstrich gleichzeitig, dass die Freiheitlichen klar gegen die Vorlage seien. Natürlich sei der Abstimmungsfehler ärgerlich, Derartiges komme im parlamentarischen Ablauf aber "gelegentlich vor". Parteichef Strache hatte die Maßnahme Minuten vor der Abstimmung noch als "Pfuschwerk, das nicht treffsicher und nicht sozial gerecht ist, sondern zu Missbrauch einlädt" gegeißelt.

Anders reagierten die mit der FPÖ liierten Kärntner Freiheitlichen. Landesrat Christian Ragger nannte die Vorgangsweise der FPÖ eindeutig nachvollziehbar. Grundsätzlich sei die Mindestsicherung zu begrüßen, weil ein solches soziales Auffangnetz unverzichtbar und die E-Card für die Betroffenen unverzichtbar sei.

BZÖ: 744 Euro für Nichtstun ein "fatales Signal"
BZÖ-Chef Josef Bucher erklärte in Sachen Mindestsicherung im Nationalrat, 744 Euro für Nichtstun seien ein "fatales Signal": "Wir sind nicht das Land, in dem die gebratenen Tauben auf Flughöhe unterwegs sind." Dass seine Fraktion letztlich als einzige die Mindestsicherung komplett ablehnte, dürfte auf einen Abstimmungsfehler der Freiheitlichen zurückzuführen sein. Die FPÖ stimmte den bundesgesetzlichen Änderungen zu, lehnte dann aber die Bund/Länder-Vereinbarung ab.

SPÖ und ÖVP verwiesen in Sachen Mindestsicherung darauf, dass der Erhalt der Leistung an Arbeitswilligkeit gekoppelt ist. Gemäß Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) wird nun ein soziales Auffangnetz gestrickt, das missbrauchssicherer als die Sozialhilfe ist, die von der Mindestsicherung ersetzt wird. Die Grünen stimmten zwar zu, sprachen aber von einer Minisicherung.

Entschließungsantrag zu Transparenzdatenbank
Ebenfalls angenommen - diesmal von Koalition und Freiheitlichen - wurde ein Entschließungsantrag, der Basis für die Etablierung einer Transparenzdatenbank sein soll. Bei der Transparenzdatenbank wurde festgelegt, dass Finanz- und Sozialminister bis Anfang September einen Begutachtungsentwurf vorlegen. Die Beschlussfassung im Nationalrat soll noch vor Weihnachten sein, um das Gesetz mit 1. Jänner 2011 in Kraft treten zu lassen. Zudem soll die Regierung mit den Ländern eine 15a-Vereinbarung ausarbeiten, die bis Mitte 2011 fertig sein soll.

In das Transparenzkonto inkludiert werden Transferzahlungen (wie Pflegegeld, Familienbeihilfe), Förderungen (z.B. Forschungsförderungen, KMU-Zuschüsse), Steuerersparnisse (etwa Gruppenbesteuerung, begünstigte Besteuerung von Zulagen), Geldleistungen der Sozialversicherung (Pensionen, Arbeitslosengeld) und Sachleistungen, z.B. Gratis-Kindergarten, Schule.

Hürde für Beamte zur "Hacklerregelung"
Mit einem einstimmigen Beschluss hat der Nationalrat außerdem eine Hürde für Beamte zur "Hacklerregelung" eingezogen. Mit dem Gesetz wird der Wechsel von Beamten ins ASVG-Pensionssystem erschwert. Demnach wird es künftig nicht mehr möglich sein, direkt nach dem Übertritt ins ASVG-System dort, möglicherweise sogar mit der lukrativen Hacklerregelung, in Pension zu gehen. Die Pensionsbezüge sind erst fünf Jahre nach dem Übertritt abzurufen, frühestens mit dem 62. Lebensjahr.

Postler dürfen in die Justiz
Zum Abschluss hat der Nationalrat dann dem Wechsel von Postlern und Telekom-Beschäftigten in die Justiz den Weg geebnet. Derzeit haben 15 Personen diese Möglichkeit des Wechsels wahrgenommen. Die Planstellen dieser Mitarbeiter sind zurzeit jedoch noch bei Post und Telekom angesiedelt. Nach sechs Monaten wird diese "Dienstzuteilung" in Planstellen im Ministerium umgewandelt, weshalb gesetzliche Änderungen notwendig waren. Neben der Justiz gibt es für ehemalige Postler auch noch die Möglichkeit, in der Exekutive tätig zu werden. Den Weg ins Innenministerium haben bisher rund 250 Personen eingeschlagen.

Abgeordnete machten Sitzung kürzer
Die Sitzung vom Mittwoch, die eigentlich bis Mitternacht hätte dauern sollen, fand übrigens schon am frühen Abend ein flottes Ende, wohl auch wegen des Fußball-WM-Semifinalschlagers Deutschland gegen Spanien. Verzichtet wurde auf Dringliche Anfragen, Kurzdebatten, Einwendungsdebatten und auch auf jede Menge Redezeit, wodurch die Abgeordneten zumindest die zweite Halbzeit nach zwölf Stunden Debatte in der Freizeit genießen konnten.

Das Sommerfinale im Nationalrat dauert noch bis Freitag und bringt dabei noch eine Fülle an Gesetzesbeschlüssen mit sich (siehe ausführlichen Bericht in der Infobox).

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