EM in Innsbruck

Boccia: „Dieses Spiel hat der Teufel erfunden“

Tirol
14.09.2019 13:00
In Innsbruck findet dieser Tage eine Europameisterschaft statt. Eine EM, die ganze ohne pompöses Beiwerk, ohne Pauken und Trompeten auskommt. Denn beim Boccia, da wird die Kugel ruhig geschoben.

Tonnenschwer rollt der Verkehr über die Köpfe hinweg, während die Kugeln darunter ruhig die Bahnen entlang rollen. Bescheiden, aber sehr viel größer als sie von außen wirken mag, liegt die Boccia-Halle direkt unter der Autobahn in Innsbruck. Erbaut durch Eigenmittel des Vereins „ESK Tivoli“, der hier gerade Gastgeber ist: Für Teams aus 15 verschiedenen Nationen, für deren Betreuer und den ein oder anderen Fan, für eine Europäische Meisterschaft, die mehr wie ein schönes Familientreffen als ein internationaler Bewerb wirkt – und an sportlicher Spannung doch nichts einbüßt.

Teams aus 15 Nationen sind in Innsbruck. Das Spiel ist Sport und Passion - und soll irgendwann olympisch werden. (Bild: Andreas Fischer)
Teams aus 15 Nationen sind in Innsbruck. Das Spiel ist Sport und Passion - und soll irgendwann olympisch werden.

Versorgung, Verpflegung und jede Menge Planung
„Ein Jahr lang haben wir vorbereitet und geplant“, erzählt Hannes Höfer, Obmann des heimischen Boccia-Vereins. Die Unterbringung für 120 Menschen, deren Versorgung: all das muss organisiert sein. Nicht ohne Stolz steht Höfer deshalb vor dem grauen Bau, während hinter ihm bunte Fan-T-Shirts verkauft werden.

Haben Partien früher bis zu zwei Stunden gedauert, wurde nun eine 45 Minuten Grenze eingeführt. (Bild: Andreas Fischer)
Haben Partien früher bis zu zwei Stunden gedauert, wurde nun eine 45 Minuten Grenze eingeführt.

Drinnen, da rollt die Kugel – und was für den Laien Erinnerungen an Strandnachmittage in Bibione weckt, ist hier Konzentration, Leistung und Disziplin: „Boccia – das passiert im Kopf“, erklärt Carlo Quaroni, der Vize-Vereinsobmann. Die Bahnen bergen Ungleichheiten – für das Auge kaum sichtbar, bedeuten Millimeter in der Bahn Zentimeter im Spiel.

Boccia verlangt volle Konzentration und eine ruhige Hand. (Bild: Andreas Fischer)
Boccia verlangt volle Konzentration und eine ruhige Hand.

Spannung ist vorprogrammiert
„Man muss alles miteinberechnen“, erklärt Quaroni die Tücken des Spiels. Ein Spiel, das es schon seit Jahrhunderten gibt - und das den einen oder anderen wohl schon verrückt werden ließ: „Dieses Spiel hat der Teufel erfunden“, sagt Quaroni lächelnd und schießt ein „Bravo“ hinterher - Beate Reinalter, Tirolerin und Mitglied im österreichischen Nationalteam, ging gerade 3 zu 0 gegen Polen in Führung. „Ein Vorteil, den sie nun ausbauen muss“, sagt Höfer, der daneben sitzt und mitfiebert. Und tatsächlich: Weiß man um die Herausforderungen des Spiels, steigt die Spannung deutlich an.

Zehn Schiedsrichter behalten die Zentimeterarbeit im Auge. (Bild: Andreas Fischer)
Zehn Schiedsrichter behalten die Zentimeterarbeit im Auge.

Suchtfaktor ist gegeben
„Boccia kann einen regelrecht süchtig machen“, führt Quaroni weiter aus. Viele Geschichten und Legenden ranken sich darum: Etwa, dass König Ludwig der XIII. 1638 das Spielen im Stadtzentrum von Paris verboten hat, um die öffentliche Ordnung nicht zu gefährden. Im Jahr 2019 in Innsbruck ist diese bestimmt nicht in Gefahr, das Spiel läuft in geregelten Bahnen, nach einem fixen Reglement. Die Österreicher sind bisher gut im Rennen, am Samstag findet das Finale statt – und je ruhiger die Kugel, desto eher ein Sieg.

Hannes Höfer (li.), Carlo Quaroni und Tirols Aushängeschild, der Innsbrucker Niki Natale (vorne), der 2010 in Rom Weltmeister wurde. (Bild: Andreas Fischer)
Hannes Höfer (li.), Carlo Quaroni und Tirols Aushängeschild, der Innsbrucker Niki Natale (vorne), der 2010 in Rom Weltmeister wurde.
Porträt von Anna Haselwanter
Anna Haselwanter
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