Tonnenschwer rollt der Verkehr über die Köpfe hinweg, während die Kugeln darunter ruhig die Bahnen entlang rollen. Bescheiden, aber sehr viel größer als sie von außen wirken mag, liegt die Boccia-Halle direkt unter der Autobahn in Innsbruck. Erbaut durch Eigenmittel des Vereins „ESK Tivoli“, der hier gerade Gastgeber ist: Für Teams aus 15 verschiedenen Nationen, für deren Betreuer und den ein oder anderen Fan, für eine Europäische Meisterschaft, die mehr wie ein schönes Familientreffen als ein internationaler Bewerb wirkt – und an sportlicher Spannung doch nichts einbüßt.
Versorgung, Verpflegung und jede Menge Planung
„Ein Jahr lang haben wir vorbereitet und geplant“, erzählt Hannes Höfer, Obmann des heimischen Boccia-Vereins. Die Unterbringung für 120 Menschen, deren Versorgung: all das muss organisiert sein. Nicht ohne Stolz steht Höfer deshalb vor dem grauen Bau, während hinter ihm bunte Fan-T-Shirts verkauft werden.
Drinnen, da rollt die Kugel – und was für den Laien Erinnerungen an Strandnachmittage in Bibione weckt, ist hier Konzentration, Leistung und Disziplin: „Boccia – das passiert im Kopf“, erklärt Carlo Quaroni, der Vize-Vereinsobmann. Die Bahnen bergen Ungleichheiten – für das Auge kaum sichtbar, bedeuten Millimeter in der Bahn Zentimeter im Spiel.
Spannung ist vorprogrammiert
„Man muss alles miteinberechnen“, erklärt Quaroni die Tücken des Spiels. Ein Spiel, das es schon seit Jahrhunderten gibt - und das den einen oder anderen wohl schon verrückt werden ließ: „Dieses Spiel hat der Teufel erfunden“, sagt Quaroni lächelnd und schießt ein „Bravo“ hinterher - Beate Reinalter, Tirolerin und Mitglied im österreichischen Nationalteam, ging gerade 3 zu 0 gegen Polen in Führung. „Ein Vorteil, den sie nun ausbauen muss“, sagt Höfer, der daneben sitzt und mitfiebert. Und tatsächlich: Weiß man um die Herausforderungen des Spiels, steigt die Spannung deutlich an.
Suchtfaktor ist gegeben
„Boccia kann einen regelrecht süchtig machen“, führt Quaroni weiter aus. Viele Geschichten und Legenden ranken sich darum: Etwa, dass König Ludwig der XIII. 1638 das Spielen im Stadtzentrum von Paris verboten hat, um die öffentliche Ordnung nicht zu gefährden. Im Jahr 2019 in Innsbruck ist diese bestimmt nicht in Gefahr, das Spiel läuft in geregelten Bahnen, nach einem fixen Reglement. Die Österreicher sind bisher gut im Rennen, am Samstag findet das Finale statt – und je ruhiger die Kugel, desto eher ein Sieg.
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