Abkühlung in Türkis

Gesäuse: Bei den letzten Wildflüssen Europas

Reisen & Urlaub
18.07.2019 06:30
Als Steirerin ist man in puncto Naturschönheiten verwöhnt. Dennoch entdeckt man immer wieder Gegenden, die einem den Atem rauben: das Gesäuse ist so eine Region.

Auch wenn die Landflucht hier ebenso spürbar ist wie in vielen anderen Regionen der nördlichen Steiermark, so sind es dennoch immer mehr Junge, die ins Gesäuse kommen, um zu bleiben. Oder, wie im Fall von Hermann Berger, gar nie das Weite gesucht haben: „Die Stadt gibt mir nichts. Außerdem hab ich noch nirgends so viel schöne Natur auf einem Fleck gesehen wie hier bei uns“, schwärmt der 35-Jährige von seiner Heimat. Deshalb hatte der Tausendsassa auch eine Vision: Nicht das Geld zum Urlaubmachen ins Ausland tragen, sondern die Gäste in die eigene Region holen. Mit dem Bau von drei exklusiven Chalets in Landl hat der Steirer direkt ins Schwarze getroffen: „Unser erstes Haus ist seit dem Aufsperren im Vorjahr durchgehend ausgebucht. Und das, obwohl wir noch nicht einmal Werbung gemacht haben. Demnächst eröffnen wir weitere zwei Chalets, das war’s dann aber“, erzählt der Unternehmer.

Mehr Wildwasser-Glück geht nicht
Die Ferienhäuser bestechen durch ihre ultramoderne Architektur und Ausstattung, die eigentliche Hauptdarstellerin offenbart sich aber erst, wenn man vom Haus oder der Terrasse nach unten blickt: Die smaragdgrüne Salza, deren Tosen fast überall in der Region hörbar ist, liegt den Chalets direkt zu Füßen. Was für eine Fluss-Schönheit.

„Wieso soll man von hier wegwollen?“
„Wegziehen? Nein, das ist für mich nie in Frage gekommen. Wieso soll man von hier denn wegwollen?“, hält auch Dominik Müller seiner Herkunft die Treue. In die Stadt fährt er nur zum Tätowieren, sein Arbeitsplatz ist gleichzeitig auch seine Spielwiese: Der 23-Jährige verdient sein Geld als Guide beim Rafting-Unternehmen „Deep Roots“ mit Sitz in Palfau. Dass die Leidenschaft groß ist, merkt man auch daran, wie gut er seine Sache macht: Durch jede Stromschnelle führt er die Wildwasser-Rookies mit viel Geschick und Gespür statt rüdem Befehlston; um die abenteuerliche Flussfahrt zumindest halbwegs trocken zu überstehen, setzt er auf lobende Worte als Instrument der Mitarbeitermotivation. Mehr Wildwasser-Glück geht nicht.

Oder doch? An mehreren Stellen hält Dominik an, um zu pausieren und einen Sprung ins sehr kühle Nass anzubieten. Also geht’s sogleich von einem Felsen kopfunter ins erfrischende Vergnügen, ein bisschen Adrenalin darf’s schon sein. „Lächeln nicht vergessen“, sagt der Guide beim anschließenden Erinnerungsfoto. In diesem feschen Neoprenanzug – gerne.

Letzte Wildflüsse Europas
Völlig unberührte Naturschönheiten sind leider selten geworden. Kein Wunder also, dass die Salza als einer der letzten ursprünglichen (sprich unverbauten) Wildflüsse Europas Wassersportler aus aller Welt in den Bann zieht. Und nicht nur sie: In unmittelbarer Nachbarschaft schneidet sich die Enns durchs gleichnamige Tal. Sie ist die wildere der beiden Flussjuwele. „Hier findet man sogar Wildwasser der Stufe 6, das markiert die Grenze der Befahrbarkeit“, erklärt der Raftingguide.

Endlich wieder trocken, werden die Neopren- gegen die Bergschuhe getauscht. Die Wasserlochklamm ruft. Schon der Eingang zur Tour beeindruckt: Über eine mächtige Hängebrücke erhält man Eingang in das Abenteuer aus Stufen und schmalen Pfaden, vorbei an tosenden Wasserfällen, der gewaltigste beachtliche 37 Meter hoch. Und schon wieder ist man nass, dem Wind sei Dank. Der Aufstieg zum Wasserloch ist durch Steiganlagen aus massivem Holz übrigens auch für Familien schaffbar und für Kinder ein Erlebnis.

Wer die Berge liebt, und zwar jene von gigantischem Charakter, der ist im Gesäuse genau richtig. Die imposanten Gipfel und Felswände zweier mächtiger Gebirgsstöcke prägen die Landschaft: der Buchsteinstock nördlich der Enns und die Hochtorgruppe südlich davon. Der alpine Hochgenuss wird noch durch etwas verstärkt, das vor allem Städter gar nicht mehr kennen: Es herrscht Ruhe. Von Massentourismus kann im Gesäuse noch keine Rede sein.

Kulinarik zum Niederknien. Wenn der Weg nicht das Ziel ist, dann ist es das Hirschgulasch auf der Hütte. Von der Klinke-, über die Mödlinger- bis hin zur Heß-Hütte oder dem Buchstein-Haus: Die Hütten-Kulinarik im Gesäuse ist legendär. Wer nach den regionalen Schmankerln noch Platz für mehr hat, sollte unbedingt einen Abstecher in den Gasthof Hoamat in Großreifling machen.

Die beiden Betreiber – Bianca Rohrer und Ulrich Matlschweiger – bieten seit dem Vorjahr hier das an, was man sich unter moderner Heimatküche vorstellt. Von der Ennstaler Steirerkassuppe über den warmen Krautsalat oder das Bachsaibling-Filet mit Waldstauden-Risotto und Blattspinat – alles ein Hochgenuss. Er in der Küche, sie im Service – das Zusammenspiel harmoniert, auch wenn beide betonen, nur eine berufliche Partnerschaft zu führen.

Übrigens schon wieder zwei Junge mit großen Visionen und unzähligen Talenten, die viel lieber bleiben, als irgendwohin zu gehen.

Barbara Winkler, Kronen Zeitung

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