Live am Groove Quake

John Butler: Musik hat mehr Wert als Kreditkarten

Musik
24.06.2019 07:00

Letzten Oktober spielte John Butler (ohne Trio) vor begeistertem Publikum in der Wiener Arena - jetzt kommt er zur Erstauflage des „Groove Quake“ nach Österreich zurück. Im Interview sprachen wir mit dem 44-Jährigen über seine schwierige Kindheit, warum er das Songschreiben veränderte, wieso die Welt dringend eine Änderung braucht und weshalb der moderne Mann so verunsichert ist.

(Bild: kmm)

Wie schnell aus einem Trio ein Alleinunterhalter werden kann, das erlebte John Butler letzten Herbst am eigenen Leib. Weil die Bandkollegen auf Tour mittelschwer erkrankten und Butler keine Lust hatte, den sehr gut verkauften Gig in der Wiener Arena abzusagen, begab er sich einfach ganz allein auf die Bühne, um seine zahlreichen Fans zu unterhalten. Für den 44-jährigen Vollblutentertainer ist das keine allzu große Herausforderung, schließlich hat er in seiner bunten, mehr als zwei Dekaden andauernden Karriere schon so allerhand erlebt. Begonnen hat die Karriere des in Kalifornien geborenen und im Alter von elf mit den Eltern nach Australien emigrierten Butler nämlich als Straßenmusiker. Erst 1997, mittlerweile wieder in den USA wohnhaft, wurde er erstmals für einen Auftritt bezahlt, neben dem Skateboarden war die Musik aber schon früh - trotz aller Entbehrungen - die einzig große Leidenschaft, die ihn kompromisslos in ihren Bann gezogen hat.

Ein steter Kampf
„Auf der Straße gab es nichts zu verlieren“, erzählt er der „Krone“ im Interview, „ich spielte für mich und freute mich, wenn das Feedback gut war. Heute ist das nichts anderes, nur ist die Erwartungshaltung größer und die Menschen bezahlen, um mich zu sehen. Du musst dir den Platz im Musikbusiness jeden Abend neu erkämpfen. Wenn ich den Leuten eine Gänsehaut aufziehen kann, dann ist mein Job gelungen. Wenn du einen Hit schreibst, muss der nächste noch viel größer sein. Es ist ein verdammter Teufelskreis und man sollte lieber immer mit 110 Prozent arbeiten“, lacht der Gitarrist. Mit dem John Butler Trio und wechselnder Besetzung (aktuell sind Lozz Benson und Ben Corbett mit an Bord), begeistert der einstige Rastalockenträger die Fans quer über den Globus. Zwischen Alternative Rock, Bluegrass, Funk, Roots Rock und etwas Folk musiziert das Triumvirat mit viel Leidenschaft, Herzblut und einer kräftigen Dosis Talent.

Die Poesie der Weltverbesserung liegt Butler in seinen Texten heute aber nicht mehr so zu Herzen wie früher - auch wenn er das keinesfalls böse meint. „Früher war das absolut authentisch, wenn ich für die Kleinen schrieb, die sich gegen die bösen Großen zur Wehr setzen sollen, aber ich habe die Inspiration dafür verloren. Ich habe die Schnauze voll davon, dass die Welt immer gespaltener wird und es heute allzu oft um Hautfarbe, Religion oder Geschlecht geht. Mich interessiert das menschliche Bewusstsein mehr als die Hülle dessen. Ich singe immer noch gerne über eine Revolution, aber schreiben kann ich solche Songs heute nicht mehr.“ Für Butler geht es in seinen Songs stets um Inklusion und Zusammenhalt. Um das Miteinander und eine gute Zeit. Als Hippie will er sich trotzdem nicht bezeichnen lassen. 2008 trennte er sich nach 13 Jahren von seinen Dreadlocks, weil aufgrund seiner musikalischen Erfolge in australischen Medien vom „Million Dollar Hippie“ die Rede war. Die einigende Einstellung ist ihm aber geblieben.

Gegen die Selbstzerstörung
„Bob Marley ist das beste Beispiel dafür, dass man auf einer Seite stehen und trotzdem Songs für alle schreiben kann. Ich selbst bin ein Umweltschützer und linksorientiert, will mich aber nicht in eine Ecke nageln lassen. Bis auf einige wenige Sozio- und Psychopathen, die teilweise schon unsere Länder regieren, wollen wir doch alle dasselbe: frisches Trinkwasser, möglichst staubfrei durchatmen können, Kinder in die Welt setzen, sie gut erziehen und gefahrlos auf die Straße lassen und die Umwelt schützen. Man muss dafür nicht per sein ein Umweltschützer sein, sondern kann das auch als Kapitalist so handhaben. Heute befinden sich alle in einem Schwarz/Weiß-Modus, aus dem keiner mehr ausbrechen kann. Als spirituelle Person bin ich aber der Meinung, dass es weitaus Größeres gibt, als unser selbstzerstörerisches Nischendenken.“

Skeptiker und Pessimisten, denen die Ansicht, dass Musik die Welt zu einem besseren Ort machen kann, naiv erscheint, schiebt Butler einen Riegel vor. „Ein Bild von Banksy kann dir die geopolitischen und finanziellen Zusammenhänge der modernen Welt erklären. Musik selbst sendet Zeichen aus und ändert deine Gefühle. Harmonie ist gut für die Zellen und durch Licht, Klang und Poesie im Rhythmus kannst du Menschen nachhaltig verändern. Musik kann dir im Leben mehr bieten als eine Kreditkarte.“ Als Butler in Australien aufwuchs, war er einer jener Aktivisten, die sich an Traktoren und Bäume ketteten, um die Wälder vor dem Abholzen zu retten. Vor rund 30 Jahren wurden täglich rund 300 Jahre alte Bäume mit einer Fläche von gut 20 Fußballfeldern gerodet, um das Holz für weniger als einen Dollar pro Tonne nach Japan zu verkaufen. „Dieser Ego- und Öko-Terrorismus war unglaublich. Ich habe aber schnell gemerkt, dass lieber die Kunst mein Vehikel für Protest sein sollte. Jetzt, wo ich selbst Vater bin, versuche ich meinen Kindern dieses Weltbild zu vermitteln.“

Akzeptanz statt Wut
Butler ist in seinen 40ern längst auch mit sich selbst im Reinen. Auf seinem aktuellen Album „Home“ blickt er im Song „You Don’t Have To Be Angry Anymore“ selbstkritisch auf seine jungen Jahre zurück. „Meine Eltern trennten sich, als ich ein Kind war. Ich wuchs immer schon in brüchigen Verhältnissen auf. Ich musste bei meinem Vater oft Aggression und Gewalt miterleben und weiß, dass es auch in mir schlummert. Als mein Sohn sieben war, begann er unkontrolliert mit Dingen zu werfen - da sang ich das erste Mal diese Textzeile und merkte, dass sie ja noch viel mehr auf mich selbst zutrifft. Heute habe ich diese Wut akzeptiert und versuche sie mittels Akzeptanz zu transferieren. Überhaupt ist das Album sehr introspektiv und ich gehe der Frage nach, was es bedeutet, ein Mann und ein Vater zu sein.“

Inspiriert wurde er dazu ausgerechnet von einem Österreicher. „Ich las Viktor Frankls Buch ,Der Mensch vor der Frage nach dem Sinn‘ und es ist großartig. Ich weiß seither, dass alles, was im Leben zählt, die menschliche Reaktion ist. Männer sind überfordert mit ihrem eigenen Klischee. In Australien gibt es pro Jahr rund 3500 Selbstmorde - 2500 davon von Männern. Sie wissen einfach nicht wohin mit sich in dieser Gesellschaft. Wir müssen heute unsere feminine Seite öffnen, aber auch die maskuline transportieren. Das Geheimnis des Friedens ist schlichtweg die Kontrolle von Emotionen und Reaktionen. Leichter gesagt als getan, aber wahr. Im Endeffekt brauchen wir nicht nur einen politischen und wirtschaftlichen Paradigmenwechsel, sondern auch einen in der Welt der Geschlechter und der Sexualität. Wir töten die Welt und die Welt uns. Wir Menschen vergessen, dass die Natur uns nur gnädiger Weise den Platz gibt, um zu existieren. Wenn man sich so umblickt, lernen wir alle zusammen viel zu wenig aus der Geschichte unserer Vergangenheit.“

Live am „Groove Quake“
John Butler ist ein Mensch der Kunst und des friedlichen Zusammenlebens. Das wird er auch am 28. Juni bei der ersten Auflage des „Groove Quake“ in Eisenstadt beweisen, wo er neben anderen Hochkarätern wie The Thievery Corporation und Headlinern Róisín Murphy für Begeisterung sorgen wird. Karten gibt es noch unter www.oeticket.com.

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