Schattenwirtschaft

Wiener Autor: „Schnitzel müsste 20 Euro kosten“

Wien
14.05.2019 15:10

krone.at wurde vom gebürtigen Tiroler Autor Christian Moser-Sollmann zu einem Spaziergang eingeladen - und hat dabei einige Schauplätze seines neuen Romans besucht. Darin bewegen sich die Hauptdarsteller durch ein „marodes Wien“ - wie der Dachbuch-Verlag den Inhalt von „Blaue Schatten“ beschreibt. Schattenwirtschaft im Prater, kleine Drogendeals als Zubrot nach Feierabend mit Blick auf das Riesenrad - das alles klingt fast schon zu detailreich, um erfunden zu sein. Vor allem, weil der Autor seine Liebe zur intensiven Recherche betont. Sind das seine selbst erlebten Erfahrungen als Wahlwiener, wo er seit 30 Jahren lebt? Und ist es um die Bundeshauptstadt wirklich so schlecht bestellt? „Oh nein, Wien ist, gerade weil bei vielem weggeschaut wird, eine der sichersten Städte der Welt!“, stellt Moser-Sollmann klar. „Leben und leben lassen machen den Charme und die Einmaligkeit Wiens aus.“

Beginnend im Café Else in der Heinestraße, das früher ein Anbahnungslokal war, schlendern wir gemütlich in Richtung Praterstern. „Hier in der Nähe des Praters wohnt Tom, der Barkeeper. Und von hier aus erledigt er alles zu Fuß: Er geht in die Arbeit und beliefert seine Kunden mit Gras“ erklärt der Autor. Man merkt, die Figuren sind ihm wichtig, er kennt ihre Vergangenheit und ihre Beweggründe für ihr manchmal nicht so gesetzeskonformes Handeln bis ins kleinste Detail. Vermutlich schadet es nicht, wenn man als Schriftsteller seine erfundenen Charaktere gut kennt und wie Freunde behandelt. Oder ist vielleicht doch ein wahrer Kern in dem Roman, der sich um Schwarzgeld in der Gastronomie und um den illegalen Verkauf von Gras dreht?

„Vor Registrierkassa waren ein Drittel der Einnahmen schwarz“
Moser Sollmann: „Ich lese vor dem Schreiben sehr viel und das Thema Schwarzmarkt und Schattenwirtschaft hat mich ganz besonders fasziniert. Aber mit der persönlichen Bekanntschaft eines Kriminellen oder Prater-Strizzis kann ich leider nicht aufwarten“, schmunzelt der Ehemann und Vater eines Buben. „Bei meinen Nachforschungen habe ich herausgefunden, dass es trotz Registrierkasse noch immer zahlreiche Mittel und Wege gibt, Schwarzgeld zu lukrieren“, so der Autor. Es sei natürlich schwieriger geworden, aber immer noch Usus in der Gastronomie. „Vor der Registrierkassenpflicht wurde etwa ein Drittel der Einnahmen schwarz eingesteckt. Heute ist dieser Anteil weniger, dafür ist alles auch ein wenig teurer geworden“, fand der Autor heraus. „Wenn das Schnitzel 20 Euro kostet, haben wir Kostenwahrheit.“

Beim Riesenrad angekommen, schildert Moser-Sollmann, wie das Cover seines Buchs „Blaue Schatten“ entstanden ist. „Der Fotograf und ich haben acht Stunden damit verbracht, die blaue Stunde einzufangen. Von insgesamt 180 Praterbildern ist nur dieses wegen dem Licht übriggeblieben. Da ist nichts nachbearbeitet. Wir wollten diese mystische Stimmung, dieses Umschwenken vom Tag zur Nacht einfangen. Dieses blaue Licht ist einfach magisch.“

Die im Buch dargestellten Personen wirken fast schon zu glaubwürdig, um erfunden zu sein. Manchmal denkt man sich beim Lesen: Könnte der Protagonist nicht eigentlich der nette Kellner in meinem Stammlokal sein? „Alle Figuren in meinen Büchern sind frei erfunden“, lacht Moser-Sollmann im Grünen Prater. „Wenn Leser denken, sie erkennen einzelne Personen wieder, ist das für mich nur eine Auszeichnung, dass ich genau und gewissenhaft gearbeitet habe.“

Halb-Krimi, Halb-Liebesroman und ganze Satire
Im Buch wird viel getrunken, einiges an Drogen konsumiert und der Frauenheld und Kellner Tom ist auch illegalen Deals mit Marihuana durchaus nicht abgeneigt. Moser-Sollmann beschreibt sein neuestes Werk als Halb-Krimi, Halb-Liebesroman und als ganze Satire. „,Blaue Schatten‘ bewegt sich in der Tradition von Mundl und Kottan.“ Der Autor hält sich selbst gerne in jenen schummrigen Bars und abgewohnten Kaffeehäusern auf, in denen seine Helden ihre Abenteuer erleben. „Die Vielseitigkeit von Wien sieht man hier am besten“, erzählt der Schriftsteller.

Unser Spaziergang endet, wo er angefangen hat: Im Café Else bei einem gemütlichen Feierabend-Bier. Dabei verrät der Autor, dass es ihn besonders gereizt habe, diesmal aus der Perspektive einer Frau zu schreiben: Die erfolgreiche Wirtschaftsjournalistin Marlies erzählt die Geschichte. „Ich verehre Schriftstellerinnen wie beispielsweise Jane Austen, weil sie die Abgründe, Sehnsüchte und Schwächen der Menschen so schön zeichnen.“ Für seinen neuen Roman habe er daher bewusst eine weibliche Erzählerin und einen Barkeeper als Hauptfigur gewählt. „Ich dachte mir: Es gibt so viele Kommissare, aber zu wenig Bücher haben ganz normale Menschen mit ganz normalen Berufen als Helden. Es war daher an der Zeit, einen schwer schuftenden Barchef wie Tom vor den Vorhang zu holen. Kellner verdienen mehr Anerkennung und Wertschätzung.“

Inhalt des Buchs „Blaue Schatten“
„Blaue Schatten“ handelt von zwei Menschen, die in der „maroden“ Stadt ziemlich unterschiedliche Leben führen: Die erfolgreiche und gut verdienende Wirtschaftsjournalistin Marlies und Barchef Tom,der sich sein kärgliches Gehalt durch kleine Grasdeals aufbessert. Für den hart arbeitenden Gastro-Arbeiter ein mühsames Groscherlgeschäft mit skurrilen und zwielichtigen Kunden. Marlies lernt Tom bei einer Recherche über Schattenwirtschaft kennen. Das Leben des Gelegenheitsdealers gerät aus dem Gleichgewicht, als er bei seinen illegalen Geschäften von der Polizei erwischt wird. Ob er seinen Kopf rechtzeitig aus der Schlinge ziehen kann? Und werden Tom und Marlies ein Paar werden? Eine Hommage an die liebenswert-skurrilen aber harmlosen Wiener Strizzis, die diese Stadt ausmachen.

Die Buchpräsentation findet am Donnerstag, 16. Mai, in der Bücherecke Belle Arti, Wiedner Hauptstraße 131, 1050 Wien, um 19 Uhr statt.

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