„Krone“ vor Ort dabei

Strahlende Gefahr: Atommüll an der Donau versteckt

Wien
16.03.2019 06:00

Die Szenerie mit Männern in Schutzanzügen und Geigerzählern im Wiener Hafen erinnerte am Freitag an Dreharbeiten für einen Katastrophenfilm: Nur wenige Meter von der Donau entfernt und direkt neben einem bei strahlendem Sonnenschein stark frequentierten Treppelweg lief ab 9:38 Uhr der Zugriff der Umweltgruppe im Landeskriminalamt, weil radioaktive Spitalsabfälle in bis zu 100 Atommüll-Fässern illegal entsorgt wurden! Es wird wegen vorsätzlicher Gefährdung durch Kernenergie ermittelt, den Verdächtigen drohen bis zu zehn Jahre Haft. Die „Krone“ war bei dem Geheimeinsatz, bei dem auch ein Geigerzähler zum Einsatz kam, dabei.

Ziel der Kommandoaktion auf dem Firmenplatz eines ahnungslosen Transportunternehmens mit Kfz-Werkstatt in einem Industriegebiet unweit einer Polizeistation und nur etwa einen Kilometer von der nächsten Wohnsiedlung entfernt: illegal entsorgte Atommüll-Fässer!

Dutzende Fässer mit radioaktivem Abfall
Bis zu 100 (!) blaue 30-Liter-Behälter mit radioaktivem medizinischem Abfall aus der Krebsbehandlung bzw. Diagnostik von heimischen Spitälern sollen - statt ordnungsgemäß im Forschungszentrum Seibersdorf entsorgt zu werden - in einem auf dem Gelände angemieteten rostigen Schiffscontainer versteckt worden sein.

Geigerzähler schlug aus
Möglicherweise bis zu zwei Jahre schlummerte die strahlende Gefahr mitten in der Großstadt an der Donau! Und tatsächlich: Der Geigerzähler schlug aus. Die Messungen ergaben erhöhte und, wenn man der Dosis länger ausgesetzt ist, gesundheitsgefährdende Werte. Spezialisten sollen das verstrahlte Lager aber erst nächste Woche räumen, weil Seibersdorf gar nicht so viel Platz auf einmal hat ...

Fässer waren unbewacht Temperaturschwankungen ausgesetzt
Alarmierend: Die Fässer waren unbewacht allen Temperaturschwankungen ausgesetzt. Sie könnten etwa bei Hitze platzen oder bei Minusgraden auffrieren - und der Inhalt austreten. Im Falle eines Brandes würde zudem beim Schmelzen der Bleiummantelung eine Verseuchung von Grundwasser oder Luft drohen.

Schmutzige Bombe als Horrorvorstellung
Die absolute Horrorvorstellung der Ermittler: Gerät der strahlende Abfall in die falschen Hände, könnten Terroristen aus dem radioaktiven Material „schmutzige Bomben“ basteln!

Filmreifer Stoff für „Geheimsache Atom“
Den filmreifen Stoff für die „Geheimsache Atom“ liefert das österreichweit bekannte Sicherheitsunternehmen PRM. Im Auftrag eines sauber arbeitenden Spediteurs aus Ostösterreich hefteten sich die Detektive wochenlang an die Fersen eines Netzwerkes vom Balkan. An der Spitze steht ein älterer österreichischer Geschäftsmann mit montenegrinischen Wurzeln. Auf seiner Internetseite wird mit Kleinbussen zur Spezialbeförderung von radioaktiven und anderen Giftstoffen geworben. Dubios: „Krone“-Recherchen führten zu einem Linzer Hochhaus, wo aber kein Firmenschild hängt, sondern nur ein verblasster Name auf einer Türklingel steht.

Schmutziges, gefährliches Millionengeschäft
Mehrere Krankenhäuser in der Bundeshauptstadt und Innsbruck wurden jedenfalls mit aus Polen eingeflogenen Radionuklid-Generatoren für die Krebsbehandlung beliefert, der verstrahlte Abfall wurde dann später wieder abgeholt. Bis dahin lief noch alles korrekt - dann der Skandal: Kein einziges der Fässer soll nach Seibersdorf gegangen sein, stattdessen landeten alle im verrosteten, unbeaufsichtigten Container - obwohl das Gefahrengut eigentlich nur drei bis sechs Stunden in behördlich genehmigten Strahlenschutzräumen zwischengelagert werden dürfte. Ein ebenso schmutziges wie gefährliches Millionengeschäft! Tatsächlich hatten die Krankenhäuser aber im guten Glauben einen Arznei-Großhändler beauftragt.

Verträge der Spitäler mit honoriger Pharmazeutin
Das Unternehmen ist sogar durch das Österreichische Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen zertifiziert. Die Geschäftsführerin, eine honorige Pharmazeutin mit Doktortitel, gab aber offenbar den Transport und die Entsorgung in die Hände der mutmaßlich kriminellen Subfirma. Ob unwissentlich, werden die Ermittlungen der Beamten des Landeskriminalamtes zeigen.

Christoph Budin und Oliver Papacek, Kronen Zeitung

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